Das liebe ich an Amerikanern und Engländern: Sie vertonen alle ihre Sehenswürdigkeiten - Staaten, Städte, Flüsse, sogar Straßen. Und es klingt immer gut.

"If you're goin' to San Francisco, be sure to wear some flowers in your hair!" Wenn du nach San Francisco fährst, denke an die Blumen im Haar. Eine musikalische Liebeserklärung an die Flower-Power-Stadt. Ein Welthit Ende der Sechziger und immer noch. Was meinen Sie, was das für einen Touristenboom ausgelöst hat. Das liebe ich an Amerikanern und Engländern: Sie vertonen alle ihre Sehenswürdigkeiten - Staaten, Städte, Flüsse, sogar Straßen. Und es klingt immer gut. Sehen Sie nur die Westcoast. Da wurde nicht nur San Francisco besungen, auch Sacramento (Sie erinnern sich: Middle of the Road) oder Mendocino (Sir Douglas Quintett, nachgeäfft von Michael Holm).

Warum machen wir das nicht? Also bei uns wäre das adäquat zur Westcoast vielleicht die Lübecker Bucht. Da möchte ich doch auch mal Songs hören wie "Travemünde, Travemünde, das ist meine Jugendsünde". Oder: "Scharbeutz, Scharbeutz - ich hab's im Kreuz!" Oder so ähnlich. Aber: Fehlanzeige in der deutschen Musikszene. "It never rains in Southern California" von Albert Hammond. Der besang einen ganzen (Bundes-)Staat. Und bei uns? Hier rafft sich keiner auf um zu texten "In Sachsen-Anhalt fällt kein Schnee!" Oder ungefähr in der Richtung. Selbst kleine Städte wurden erfolgreich auf Englisch besungen. Ich sag nur "Amarillo". Bei uns haben es "Diepholz", "Hitzacker" oder "Brunsbüttel" nicht mal in die Top 1000 geschafft. Sie kennen noch diese Kaltmamsell-Kombo aus Holland namens Pussycat? Die drei besangen einen Fluss: "Mississippi".

Grauenhaftes Lied. Aber auf Englisch. Und damit erfolgreich. Und die Dampfer sind alle voll. Da hätte man als Deutscher doch sofort nachlegen müssen. Sofort einen Fluss-Hit schreiben. Und wenn sich nichts auf "Isar" oder "Weser" reimt, dann halt was Kleineres: "Ilmenau, Ilmenau, schöner als die schönste Frau!" Die Lüneburger Hoteliers hätten sich gefreut.

Meinetwegen als Kompromiss: "Lieb mich mal im Nord-Ostsee-Kanal!" Stattdessen: "Kalkutta liegt am Ganges, Paris liegt der Seine!" Da treibt so ein Exil-Schweizer namens Vico Torriani die Bundesbürger förmlich in den Indien- beziehungsweise Frankreich-Urlaub. Es müssen auch nicht immer diese Herzschmerz-Themen sein. "Baltimore", Stadt in den USA, wurde mal von Randy Newman besungen. Mit Tiefgang. Es darf auch bei uns gern kritischer zugehen. Im Zeitalter des Energiesparens kann ich mir einen Protestsong wie "Im Spessart brennt noch Licht" vorstellen.

Das größte Unheil hat Udo Jürgens mit "Ich war noch niemals in New York" angerichtet. Wer will bei so einem Titel noch ein Wochenende in Berlin verbringen? Sogar Straßen wurden zu Welthits: "Penny Lane" oder "Baker Street". Glauben Sie mal, bei uns käme ein Maffay oder Westerhagen auf die Idee, einen Song zu schreiben wie "Stresemannstraße" oder "Hochallee". Wahrscheinlich werden uns das auch die Amerikaner abnehmen. Ich höre jetzt schon den Sommerhit 2011. Lady Gaga weltweit auf Platz eins - mit "Hallig Hooge"!