Eine Welle der Sympathie hat unseren Norden überschwemmt. Norddeutsche mit klarem Verstand identifizieren sich plötzlich mit einem Münchner Fußballklub.

Gut, der FC Bayern hat wirklich einen sehr schönen Ball gespielt. Auch ich habe kurz mit den Freistaatlern geflirtet: Zum Pokalendspiel zog ich sogar einen Janker an - so weit ging meine Seppl-Solidarität. Nach dem 0:2 gegen Inter hab ich ein Kondolenzschreiben in die Geschäftsstelle nach München geschickt. Mitleid habe ich empfunden mit den Bayern, also bisher nie gekannte Gefühle.

Dachten wir nicht alle jahrelang: Die einzige Tracht, die dem FC Bayern steht, ist die Tracht Prügel. Aber so langsam sollten wir von der Elbe die Isar wieder trockenlegen. Okay, bei der WM noch ein wenig Schweini-Euphorie. Oder eine Bürgerinitiative "Butt" (Durch seine Torwart-Adern fließt ja immerhin Oldenburger Blut). Aber dann muss auch Schluss sein mit der Liebelei: Wir müssen ganz schnell unsere norddeutsche Identität zurückgewinnen. Sonst hat das fatale Folgen für unsere ganze Region.

Oder wollen Sie tatsächlich einen Bürgermeister "Ludwig von Beust"? Möchten Sie in einem norddeutschen Wetterbericht lesen, dass das Azorenhoch ab sofort "Föhn" heißt?

Die Entscheidung für den Sommerurlaub heißt nicht Nord-, nicht Ost-, sondern Chiemsee. So wird das Steinhuder Meer nämlich in Zukunft heißen - wenn wir die Bayern jetzt nicht unter Kontrolle kriegen. Und das norddeutsche "Tschüss" wird durch das peinliche "Pfiat di" ersetzt.

Sie glauben es nicht? Betreten Sie mal mit den Worten "Grüß Gott" die Haifischbar. Da fliegt nicht nur ein Aschenbecher (Übersetzung ins Bayrische: "Schleich di!"). Die Auswirkungen auf unsere Sprache wären immens: Hanseatisches Erstaunen bei der Ausfahrt der "Queen Mary 2" klingt dann so: "Ja, mi leggst am Oarsch!" Wir rollen zukünftig das "r", was bei "Brrrunsbüttel" komisch, im Fall "Rrrrrendsburg" grauenhaft klingt. Es heißt nicht mehr "das Maß ist voll", sondern "die Mass" ist voll. Auf den ostfriesischen Inseln spricht man nicht mehr Plattdeutsch, sondern Plattling-Deutsch.

Auch ein echter Kulturschock steht uns bevor: Im Ohnsorg-Theater läuft dann das Stück "Mir san mir", auf dem Schleswig-Holstein Musikfestival wird geschuhplattelt, und beim AC/DC Open Air spielen wir nicht mehr "Luftgitarre" sondern "Luftzither". Reicht man dem Bayern den kleinen Finger, nimmt er die ganze Hand ("Pack mer's"). Das gilt es mit aller Kraft zu verhindern. Unsere Kulturen sind nicht kompatibel. Stellen Sie sich nur einmal vor: Bei einer Wolfgang-Joop-Modenschau stöckelt eine Dame auf dem Steg, und aus dem Publikum ruft einer "Di hat koa Hoiz vor da Hüttn!" Peinlich.

Unsere ganzen Bräuche werden bayrisch - wenn wir nicht aufpassen. Bei Junggesellenabschieden auf der Reeperbahn kein "You never walk alone"-Gesang. Stattdessen: "Zieht beim Feiern die Lederhosen aus!" Und der Vollrausch kommt nicht mehr vom Wodka-Redbull, sondern vom Enzian.

Beliebt sind ja bei uns im Norden die Hochzeiten auf Leuchttürmen. Auf Pellworm gaben sich bisher Hinnerk und Svenja das Jawort. In Zukunft hocken dort Alois und Resi vor dem Standesbeamten und sagen "I mog di!". Die Kieler Woche wird landesweit mit dem neuen Slogan "Mordsgaudi" plakatiert. Das Flensburger Bier ploppt nicht mehr, man stößt an mit den Worten "o'Zapft is!". Und damit sind wir bei den kulinarischen Auswirkungen. Das traditionelle Hamburger Fischereihafen-Restaurant hat auf der Speisekarte ab sofort "Labskaus mit Semmelknödel" und "Haxen vom Hecht". Igitt!

Der Ratskeller heißt jetzt "Stoiber-Stub'n". Und auf dem nächsten Hafengeburtstag singen wir ganzen Saupreißen aus voller Kehle: "In Hamburg steht ein Höfbräuhaus!" So weit darf es wirklich nicht kommen.