Nicht den Grünkohl, nicht das Marzipan, nicht den Dorsch betrachten die Touristiker Ostholsteins als kulinarisches Glanzlicht der Region: Nein, zum "Tag des Fischbrötchens" haben sie den 14. Mai 2011 erklärt. Und sie haben ja so recht. Ebenso höchste Zeit wird es damit auch für dieses Geständnis, die Erklärung einer tiefen und langjährigen Zuneigung.

Erwacht war sie vor langer Zeit zwischen Autoskooter, Spiegelkabinett und Losbude, und entsprechend wird sie für immer verbunden sein mit der Erinnerung an den Duft gebrannter Mandeln, das helle Klacken, mit dem Luftgewehrkugeln auf Blech aufschlagen, und dem Anblick von Losnieten, die sich in einer Pfütze auflösen.

Sinnvoll durchdacht und streng festgelegt ist der Aufbau eines klassischen Fischbrötchens: Brötchen, Zwiebeln, Bismarckhering. Das Brötchen, schräg von oben eingeschnitten, bildet eine praktische Tasche, in die der Hering nebst ein paar Zwiebelringen zu liegen kommt. An den Seiten lappt er schlapp herab. Zwiebel, Brot, Fisch - Nahrung in biblischen Dimensionen. So viel zum Grundsätzlichen.

Natürlich kommt es - Siebeck soll nicht umsonst gelebt haben - ganz und gar auf die Qualität der Zutaten an. Das Brötchen, nicht ganz kross, aber auch nicht vom Vortag, soll leicht vom Saft des Herings durchtränkt sein, die Zwiebel frisch, eher von der milden denn der scharfen Sorte. Und dann der Hering: Sechs Tage lang hatte er gelegen, roh und entgrätet in einem pikanten Essig-Salzbad. Das Salz entzog seinem Fleisch das Wasser und verfestigte es, die Essigsäure verlieh ihm die notwendige Zartheit. Danach hatte er das Bad gewechselt, war in einer mit Zucker und Gewürzen angereicherten Feinmarinade versunken. Und nun liegt er da: reif, hell, saftig und zart. Von jenem feinen Geschmack gesäuerten Fisches, dem der Kenner noch nach Stunden an seinen Fingern nachzuriechen liebt.

Letzterer möchte nicht belästigt werden mit modischen "Variationen". Weiß er doch nur zu genau: jeden Fisch zu seiner Zeit. Der Rollmops samt seiner glitschigen Gurke beschließe den Alkoholexzess. Auf Silber serviert und mit Andacht gespeist werde der Matjes, kostbare "Delikatesse der Armen"! In Brötchen gehören beide nicht - ganz zu schweigen von Lachs, Krabben und Schillerlocken, Neureichenschnickschnack, der lediglich von der kulinarischen Inkompetenz der Esser zeugt. Ein Tölpel, wem das Heringsbrötchen nicht gut genug ist. Er kriegt nichts Besseres, hat nichts Besseres verdient.

Viel zu schnell dann vorbei, der Augenblick stiller Beschaulichkeit, wenn die Serviette auseinanderklappt und es da liegt, in seiner ganzen von Meisterhand geschaffenen Schönheit, weiß-blau-silbern changierend, betörend duftend und noch ganz komplett.

Gehet hin und speist.