Eine Reise in die koloniale Vergangenheit Sri Lankas zeigt, wie sehr bis heute britischer Lebensstil den Alltag dort beeinflusst

Ein typischer Nachmittag in Colombo: Auf der Terrasse des Hotels "Galle Face" dösen die Gäste dem Sonnenuntergang entgegen. Sie trinken heißen Tee mit Kardamom, einige gönnen sich um diese Stunde, einem Ritual aus britischer Zeit folgend, den ersten Gin Tonic des Tages. Lautlos huschen die Kellner zwischen den Sitzgruppen und der Bar hin und her, dunkelhäutige ältere Herren, deren weiße Schürzen bis an die Knöchel reichen. Sie lächeln sanft, wenn sie die Order aufnehmen, und sie lächeln wissend, wenn sie das Gewünschte servieren.

Das "Galle Face", 1864 eröffnet, ist die älteste Herberge im Land, eine Legende unter den Kolonialhotels östlich von Suez. Als die Insel noch Ceylon hieß (bis 1972) und allenthalben als Paradies gerühmt wurde, stiegen in dieser Residenz, deren historischer Glanz bis in die Gegenwart strahlt, die Berühmtheiten der Welt ab: Königinnen wie Elizabeth von England und Juliana von Holland, Staatsoberhäupter wie Jawaharlal Nehru und seine Tochter Indira Gandhi, Halbgötter wie Aga Khan, Dichter wie Noël Coward, Diktatoren wie Tito, Hollywoodgrößen wie der Regisseur David Lean und die Schauspieler William Holden und Alec Guinness, die 1957 auf dieser Insel den Kinohit "Die Brücke am Kwai" gedreht haben.

Noch immer zieht es Spurensucher, Nostalgiker und andere Liebhaber des geruhsamen Reisens auf diese Veranda oder auf die Terrasse des ebenso legendären Hotels "Mount Lavinia", 20 Kilometer weiter südlich. Sie genießen hier wie da die geräuschvolle Stille: den Lärm der Krähen in den Palmen, das dezente Klappern mit Tellern und Gläsern, das träge Summen der Ventilatoren an der Holzdecke, den Wind, der verlässlich auffrischt, bevor die Sonne wie an jedem Abend den Himmel in Brand setzt.

Vieles hat sich verändert in der Hauptstadt, die roten Doppeldeckerbusse aus London sind fast alle aus dem Straßenbild verschwunden, erst recht die Ochsenkarren. Hochhäuser prägen die neue Kulisse der Zweimillionen-Metropole. Und doch ist auch in Colombo einiges vom Zauber des alten Asiens geblieben: In den Gassen des Basarviertels Pettah lebt der pralle Orient wie vor rund hundert Jahren, als der Tierfänger John Hagenbeck, der wohl abenteuerlustigste Spross der Hamburger Zirkus- und Zoo-Dynastie hier lebte, Elefanten und Tiger verschiffte und Ceylons ersten Tierpark gründete. Nebenan, im Fort-Viertel, einst das repräsentative Quartier der englischen Kolonialherren, bedient das Kaufhaus "Cargill's", das noch älter ist als das "Galle Face Hotel", eine mittelständische Kundschaft, die das angestaubte Ambiente dieses ehemals noblen Ladens nach wie vor nicht missen mag.

Drei europäische Mächte haben die Insel nacheinander gut 450 Jahre lang beherrscht. Von den Portugiesen, die im 16. Jahrhundert als erste weiße Eroberer kamen, sind außer ein paar Ruinen vor allem viele Namen geblieben, einige Hunderttausend Fernandos, de Silvas oder Peraras stammen von singhalesischen Familien ab, die damals zum katholischen Glauben konvertiert waren. An die Zeit der Holländer hingegen, die ihnen folgten, erinnern der malerische Zimtkanal an der Westküste und besonders in der Altstadt von Galle im Süden der Insel viele gut erhaltene Kirchen, Lagerhäuser und Festungen.

Vor allem aber die Engländer sind auf der Insel so präsent, als seien sie erst vor ein paar Tagen abgezogen und nicht schon 1948. In Cinnamon Gardens, dem feinsten Stadtviertel, hat sich hinter üppigem Grün und mächtigen Regenbäumen die Welt von gestern zumindest in den Fassaden erhalten: im klassizistischen Rathaus, dessen weiße Kuppel an das Capitol in Washington erinnert, im kürzlich renovierten Nationalmuseum, in den Villen der früheren Pfeffersäcke und Kautschukbarone.

Mehr noch prägt bis heute der Lebensstil der Briten einen Teil des Alltags auf der Insel. Jedes Spiel der nationalen Kricket-Mannschaft wird im abgelegenen Urwalddorf so enthusiastisch verfolgt wie in den feinen Klubs von Colombo. Die Eisenbahn zuckelt auf Routen, deren erste Schienen von englischen Ingenieuren 1867 in die Königstadt Kandy verlegt worden waren. Noch immer wird in Nuwara Eliya, dem Hauptstädtchen des kühlen Hochlandes, stilvoll Golf und Billard gespielt. Und in den alten Hotels dort, im "Hill Club", im "St. Andrew's" und im "Grand Hotel", wird wie eh und je abends der Kamin angeheizt und den Gästen eine Wärmflasche ins Bett gelegt.

Die Regierung unter dem radikal-nationalistischen Präsidenten Mahinda Rajapakse würde allerdings am liebsten alles löschen, was an die Kolonialzeit erinnert. Der Begriff Ceylon soll, so ein Erlass vom Jahresanfang, aus staatlichen Institutionen verschwinden, Banken, Ölgesellschaften oder Energiebetriebe dürfen nur noch mit dem Namen Sri Lanka auftreten. Der weltweit renommierte "Ceylon-Tee" allerdings wird wohl nicht umgetauft. Für Olav Ellerbrock, den Hamburger Teekaufmann und Honorarkonsul für Sri Lanka in der Hansestadt, wäre das auch unvorstellbar: "Ceylon steht seit über hundert Jahren weltweit für beste Teequalität."

Der grüne Teppich aus Teesträuchern prägt die Landschaft vor allem im Hochland, weitab von den Stränden an der Südwestküste und im Osten. Nirgendwo lässt es sich so authentisch in die Zeit der britischen Pflanzer zurückträumen wie in vier Bungalows aus den 1920er-Jahren, die sich "Tea Trails Ceylon" nennen. Sie wurden vor fünf Jahren liebevoll renoviert und zählen zu den nobelsten Kolonialadressen in Sri Lanka. Vier bis sechs Zimmer nur hat jeder Bungalow, allesamt individuell eingerichtet, viel Mahagoni, großzügig möblierte Terrassen, Bäder, so geräumig wie luxuriös.

Kein Fernseher, kein Radio, kein Internet lenkt von der Idylle dieser Häuser ab, die inmitten der Teegärten liegen, jeweils etwa zehn Kilometer voneinander entfernt. Eine Wanderung von einem Bungalow zum anderen, von Castlereagh nach Norwood zum Beispiel, ein gutes Buch, ein gutes Gespräch, der Blick aus dem Fernglas auf exotische Vögel, das sind hier die Attraktionen, und kaum ein Gast vermisst ein Entertainment-Programm.

Morgens gegen sieben klopft es dezent an die Tür: Janaka, der persönliche Butler, einer von sechs Bediensteten im Castlereagh-Bungalow, bringt, wie vereinbart, "your early morning tea, Sir ..." Eine Stunde später wird das Frühstück auf der Veranda serviert, tropische Früchte, Eier mit Speck, hausgemachte Marmeladen. Susantha, der Koch, macht Vorschläge für Lunch und Dinner. Zum High tea am Nachmittag, dieser urbritischen Sitte, stehen Scones, Kekse und Schnittchen in der silbernen Etagere bereit.

Die "Tea Trails"-Häuser liegen halbwegs zwischen Nuwara Eliya, der "Stadt über den Wolken", die so britisch aussieht wie ein Ort aus Rosamunde Pilchers Welt, und Kandy, der letzten Königstadt. Dort, gegenüber dem berühmten Zahntempel, dämmert das "Queens Hotel" vor sich hin. Angestaubter Charme zeichnet dieses alte Haus aus, in dessen Bar sich aber Globetrotter aus aller Herren Länder nur zu gern treffen - auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Auch das "Suisse"-Hotel, etwas ruhiger am Milchsee gelegen, hat bessere Tage gesehen. Im Zweiten Weltkrieg war es das Hauptquartier von Lord Louis Mountbatten, dem letzten Vizekönig von Indien.

Nach ihm ist ein feiner Touristenzug benannt, der "Viceroy Special". Manchmal pendelt er zwischen Kandy und Colombo, zuweilen macht er eine Tagestour entlang der Südwestküste, und hin und wieder wird sogar eine Dampflok vor die plüschigen Waggons gespannt, Allzu viel Aufregung ist im "Viceroy Special" nicht zu befürchten. Bis vor Kurzem jedenfalls beruhigten die Besitzer ihre Kunden mit diesem Hinweis: "Die Reise ist so angelegt, dass man relativ bedenkenlos auch seine Frau beziehungsweise eine Freundin mitbringen kann ..."

Video: Sri Lanka aus der Luft