Begegnung mit den letzten Fischern und dem Eisvogel. Wer durchhält, erlebt 17 Seen. Aber sechsmal muss das Boot ein Stück über Land geschoben werden.

Morgennebel liegt über dem Großen Eutiner See. Ein paar Enten schlafen noch, die Köpfe unterm Gefieder. In der Ferne drei Schwäne als silberner Streif am Horizont. Das Kommando eines Steuermanns hallt über den See. Allmählich löst sich aus dem Nebel die Silhouette eines Doppel-Vierers. Kaum in Sicht gekommen, verschwindet das Ruderboot schon wieder im Morgendunst.

Ein paar Stunden später starten wir zu unserer Kanutour auf der Schwentine. Auf ihrem rund 55 Kilometer langen Weg vom Großen Eutiner See bis zur Kieler Förde durchfließt die Schwentine nicht weniger als 17 Seen. Die Seefläche ist spiegelglatt. Die einzige Bewegung verursachen Rotaugen, die gelegentlich aus dem Wasser springen. Das vom Paddel tropfende Wasser glitzert wie Perlen in der Sonne. Mit jedem gleichmäßigen Eintauchen der Paddel lassen wir alle Großstadthektik weiter hinter uns, und bald kommt es uns so vor, als hätten wir nie etwas anderes getan. Das Wasser ist klar und lässt Fischreichtum vermuten. Doch der Schein trügt.

"Die Kormorane fressen uns die Seen leer", klagt Fischer Wilhelm Schwarten. Wir treffen ihn am Steg neben seinem Bootshaus kurz vor Eutin. Er ist 75 Jahre alt, sitzt in Jeanshose, Jeansjacke und Schirmmütze und flickt sein Netz. Tochter Sabine sei die letzte, die hier noch vom Fischen lebe, erzählt Schwarten: "Das letzte Dutzend der anderen verbliebenen Fischer arbeitet nur noch nebenberuflich." Dabei habe es Anfang der 80er-Jahre noch 75 Fischereibetriebe an der Schwentine gegeben.

"Meeresrabe" nennen sie den Kormoran. Von den Badegästen an der Ostsee gestört, hat er dort seine Brutkolonien aufgegeben und fischt nun in den Seen der Holsteinischen Schweiz. Für die Menschen bleibt dadurch nicht mehr viel übrig. "Bis Ende der 80er-Jahre war ein Zentner pro Fang noch wenig. Heute fangen wir bestenfalls 15 Aale in einem Zug", sagt Schwarten.

Trotzdem fährt er immer noch mit seiner Tochter hinaus auf den See. Mit einem Zugnetz, das zwischen zwei Booten gespannt wird, fangen sie vor allem Maränen, Zander, Barsche - und manchmal noch einige Aale. Fischen hat seit Anfang des 14. Jahrhunderts Tradition in der Familie Schwarten.

Nicht weit hinter Schwartens Bootshaus beginnt an der linken Uferseite der englische Schlossgarten, der zum Wasserschloss Eutin gehört. Eutin kann eine ähnlich lange Geschichte wie die Fischerfamilie vorweisen: 2007 waren es 750 Jahre. Klassizistische Bauten, Fachwerkhäuser, kleine Läden in verwinkelten Pflastergassen und die vielen alten Rosenstöcke, die Häuserwände schmücken, machen den Charme dieser Stadt aus.

Am Wehr der Fissauer Mühle kurz vor dem Kellersee müssen wir unser Kanu zum ersten Mal umtragen. Auf dem Weg nach Kiel sind insgesamt sechs Umtragestellen auf der Schwentine zu überwinden. An einigen kann man das Boot auf Rollen neben dem Wehr entlang ziehen - deutlich komfortabler als das Kanu erst ausladen zu müssen, dann aus dem Wasser auf den Bootswagen zu heben und über Stock und Stein zur unteren Einsetzstelle zu schieben.

Zwischen den Seen verengt sich die Schwentine immer wieder zu einem schmalen Kanal. Hier ist es angenehm kühl. Äste überdachen den Wasserlauf und bilden einen natürlichen Sonnenschutz. Auf den Weiden links und rechts grasen Pferde. Die Wasserwanderkarte weist darauf hin, dass wir uns in einem Eisvogel-Schutzgebiet befinden. Als wäre er für Touristen im Einsatz, taucht das erste Exemplar auf und saust von Baum zu Baum pfeilschnell vor uns her. In den nächsten Tagen können wir ihn noch öfter bewundern.

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Endstation unser heutigen Etappe ist der Landgasthof Kasch in Timmdorf. Dorthin zweigt hinter einem Hinweisschild im Ufergebüsch ein kleiner Stichkanal ab. Hier scheint noch heile Welt zu herrschen. Thorsten Kasch mäht mit einer Sense die Wiesen, der kleine Sohn rudert mit dem Boot auf dem Kanal, Pferde wiehern auf den Koppeln, Katzen dösen in der Abendsonne und irgendwo kräht ein Hahn. Wirtin Anja Kasch könnte die Hauptdarstellerin im Film "Die mit dem Schaf joggt" sein. Denn das ist es, was sie jeden Morgen tut. Das kleine Schaf wurde vom Muttertier nicht angenommen und musste mit der Flasche gesäugt werden. So hat es eine gewisse Anhänglichkeit behalten.

Am nächsten Morgen geht es weiter in Richtung Plön. Wir haben Glück, denn es bleibt ruhig. Bei starkem Wind kann Paddeln auf dem Großen Plöner See sehr mühevoll sein. Auf Schleswig-Holsteins größtem Binnensee können sich bis zu einem Meter hohe Wellen aufschaukeln. Von Weitem grüßt von einer Anhöhe das weiße Plöner Schloss. Es ist umringt von alten Bäumen, Alleen und terrassenartigen Gärten. Plön liegt auf einem schmalen Landstrich, von Seen umgeben. Die Altstadt kann sogar per Kanu auf der Stadtschwentine erkundet werden.

Am folgenden Tag sehen wir die Schwentine nur wie durch einen Schleier. Nebel hängt über dem Fluss; es nieselt. Wir paddeln über mehrere kleine Seen. Alte norddeutsche Sagen kommen uns in Erinnerung. Womöglich steigt aus dem Nebel der Nöck und zieht uns in die Tiefe? Am Lanker See scheint es soweit zu sein. Im Gewirr der verschilften Landzungen und Buchten verlieren wir die Orientierung. Zum Glück hören wir nach ein paar Minuten das altbekannte Kommando eines Steuermanns. Wir paddeln in die Richtung, aus der die Rufe kommen. Und bald darauf erholen wir uns in Preetz bei hausgemachten Waffeln in einem Zelt auf dem Campingplatz von unserem Abenteuer.

Auf dem letzten Stück von Preetz bis Kiel zeigt sich die Schwentine zumeist als wildromantischer Fluss, der sich durch Wiesen und Wälder schlängelt. Das Flusstal zwischen den beiden Kraftwerken in Raisdorf gilt als eine der schönsten Landschaften Schleswig-Holsteins. Ein Teil davon bleibt uns verborgen. Denn wir müssen unser Boot nun erst einmal durch den Schwentine-Tierpark umtragen, das heißt fast zwei Kilometer auf dem Wagen schieben. Die Wildsau mit ihren Ferkeln staunt, als vor ihrer Nase ein Kanu vorbeirollt.