Strandspaziergänge bei fahler Wintersonne und ein Glögg am heißen Ofen.

Peder Ravn ist Maler in Skagen. Er lebt und arbeitet, wo Dänemark wirklich Spitze ist, wo sich Ostsee und Nordsee auch im Winter küssen. Der Künstler gehört zu den verschmitzten, fröhlichen Typen, wie man sie oft im kleinen Königreich antrifft. Wer ihn in seinem Atelier am Skagener Vestkajen besucht und sich seine sehr bunten Bilder erklären lässt, wird danach glücklich und zufrieden durch die Stadt am dänischen Nordkap bummeln, da mag der Wind noch so heftig aus Ost-Nordost blasen.

Es ist die raue, die herrliche Zeit der Zünftigen angebrochen, dort oben an Dänemarks Spitze. Die Imbiss- und Softeisbuden an der Fressmeile sind mit Brettern vernagelt. Es stürmt häufig, es regnet nicht selten, die Kunsthandwerker haben sich in ihre Werkstätten verkrochen oder sind für ein paar Wochen auf die Kanaren geflüchtet, nur wenige Geschäfte sind geöffnet. Aber dann kommt wieder so ein frostklarer Tag, mit einem Licht, wie es nur der Norden zaubert. Die fahle Wintersonne spiegelt sich zwei oder drei Stunden lang im Wasser, in den Gaststuben und den typischen gelben Skagen-Ferienhäusern mit dem roten Dach bullern die Öfen gemütlich vor sich hin. Und wenn der Glögg, die dänische Glühwein-Variante, die nicht nur zur Weihnachtszeit ausgeschenkt wird, dann wissen die Kenner, warum sie gekommen sind - jetzt, wo der Hund eben nicht verfroren ist, sondern bei langen Strandwanderungen vor Vergnügen jault. Jetzt, wo Jesper, der alte Fischer augenzwinkernd im Krug erzählt, wie er mit einem elektrisch geladenen Zitteraal - wirklich und wahrhaftig - Katzen erschreckt und vom warmen Herd zurück auf die Mäusejagd getrieben hat ...

Solche Döntjes, aber erst recht die große Kunst und die atemberaubende Natur zeichnen Skagen und das dänische Nordkap aus in dieser Saison, die keine ist. Im Februar, wenn das Skagen-Museum nach kurzem Winterschlaf wieder seine Schätze zeigt, mag man sich mit wohligem Schaudern die Motive der Skagener Schule anschauen, jener Künstlerkolonie, die Ende des 19. Jahrhunderts an dieser Nordspitze des kleinen Königreichs entstanden ist. Ihre "Modelle" waren vor allem die Fischer, deren Arbeit auf See und am Strand, ihre Hütten und Stuben, ihre Frauen und Kinder.

Männer wie Lars Kruse, der zur Rettung zahlreicher Seeleute vor dem Ertrinken beigetragen hat, inspirierten Maler und Dichter. Der Poet Holger Drachmann, dessen Grab draußen in den Dünen, direkt vor der Vereinigung von Nord- und Ostsee, auch in diesen Tagen von den Liebhabern der Skagener Künstler besucht wird, schrieb eine Novelle über diesen mutigen Fischer, und Michael Ancher, einer der berühmtesten Maler der Skagenschule, bewahrte sein Andenken in mehreren, sehr unterschiedlichen Porträts.

Nach wie vor und besonders in diesen stillen Wochen erschließen herzhafte Begegnungen Land und Leute. Nehmen wir nur Chresten Lungvold, den Majordomus des altehrwürdigen Hotels "Brøndums". Er kennt wie kaum ein anderer die Geschichte der Künstlerkolonie, die Verbindungen zwischen den berühmten Malern von damals und dem Brøndum-Clan, den Wirtsleuten jener Tage. Hier haben Michael Ancher und seine Frau Anna, als Wirtstochter in Skagen geboren und als hoch geehrtes Mitglied der nach diesem Ort benannten "Schule" gestorben, aber auch Peder Severin Krøyer, dessen legendäres Motiv vom "Strandspaziergang" zum Symbol für eine ganze Epoche geworden ist, hier, in dieser so noblen wie rustikalen Schenke haben sie gegessen und getrunken - und oft genug die Zeche mit ihren Bildern bezahlt.

Chresten Lungvold erzählt nur zu gern diese und tausend andere Geschichten. Sehr überzeugend ist auch sein Argument, warum in den Hotelzimmern die Fernsehgeräte überflüssig sind: "Die Leute", so sagt das liebenswerte Raubein, "sollen gefälligst aus dem Fenster schauen, das ist doch dramatisch genug." Und wenn es gar zu sehr stürmt, sollen sie ein Buch lesen, oder noch besser: die Weinkarte in seinem Restaurant. Dazu serviert er feine dänische Küche, gern auch einen Glögg und Anekdoten aus der alten Zeit.

Eine schmale Landzunge außerhalb von Skagen, "Grenen" genannt, der Ast, treibt im Sommer die Touristen in Scharen auf die Spitze, wo Skagerrak und Kattegatt zusammentreffen. Der Punkt ist zwar kaum spektakulärer als die Dünen von Løkken und Lønstrup, den Badeorten an der Westküste, oder die Sandverwehungen auf der östlichen Seite, die die Kirche St. Laurentius fast zugedeckt haben. Aber wie überall auf der Welt markiert auch hier das Kap einen Mythos, so etwas wie das Ende der Welt - und sei es auch "nur" das von Mitteleuropa und von Dänemark.

Also rollt man in der Saison mit dem "Sandwurm", der fröhlichen Familienbahn, nach Grenen und stellt sich mit einem Bein in die Ostsee, mit dem anderen in die Nordsee. Jetzt hingegen wird man sich am Strand gegen den Wind stemmen, nach stürmischen Nächten morgens nach Bernstein, Donnerkeilen und Hühnergöttern suchen, jenen magischen Lochsteinen, die gegen bösen Zauber helfen. Versonnen guckt man den Möwen nach und staunt, wie schnell die Wolkengebirge ihre Form ändern. Zum Beispiel von Rubjerg Knude aus, einer fast hundert Meter hohen Wanderdüne südlich von Lønstrup. Ein Leuchtturm ragt aus ihr heraus, der noch bis 1968 Wegweiser der Seeleute war. Oder man stellt sich in den ehemaligen Fischerhütten am alten Hafen von Skagen, die heute Imbissbuden sind, an den Holztresen, trinkt Tuborg aus dem Pappbecher und genießt die besten und frischesten Krabbenschwänze der Welt. Und wenn es wirklich mal zum Gotterbarmen regnet, flüchtet man ins Kunstmuseum von Grenen, ins Bernsteinhaus, ins Naturhistorische Museum, ins Skagens-Museum oder in "Brøndums'" gute Stube. Zeit, den Ortsnamen richtig aussprechen zu lernen: "Skääääähn"

Reichlich Abwechslung also, auch viel Wind, Sand in rauen Mengen, und Wellen, die manchmal den letzten Fischern der Region zu schaffen machen, und bald wieder den Surfern zu Adrenalinschüben verhelfen. Die Elemente sind hier hautnah im wörtlichen Sinne zu spüren. Aber gerade das und das besondere Licht des Nordens zieht derzeit die Kenner unter den Kurzurlaubern an. Und mit ihnen natürlich, damals wie heute, Künstler und Lebenskünstler: Chresten Lungvold im "Brøndums", Peder Ravn in seinem Atelier in Skagen, Kai Andersen, der seit 20 Jahren seine Motive rund um Lønstrup findet, oder John Kristensen, den man auch in diesen Tagen mit seinen Malutensilien durch die Dünen bei Løkken streifen sieht.