Fliegen ist Stress. Auch wenn man keine Flugangst hat. Die Warterei, die schlechte Luft, die Sicherheitskontrollen, das Gehetze und Gedränge. Langes Sitzen in unbequemer Position, Turbulenzen, winzige Toiletten - verständlich, dass Menschen da seltsames Gebaren an den Tag legen. Dumm nur, wenn sie damit den Flugstress ihrer Mitreisenden steigern.

"Reisekrankheiten" nenne ich die nervenden Verhaltensweisen. Nehmen wir die Sicherheitsschleusen-Amnesie. Die Befallenen können bereits Tausende Flugmeilen gesammelt haben - sobald sie in der Security-Schlange stehen, ist alle Routine vergessen. Sie wollen im Mantel durch den Metalldetektor, haben die Taschen voller Münzen und Großvaters Klappmesser im Rucksack. Den Laptop auch. Dass man den auspacken und separat aufs Band legen muss, ist ihnen neu. Hinter ihnen staut sich alles.

Boarding-Drängler verhalten sich wie "Titanic"-Passagiere auf dem Weg zum letzten Rettungsboot, auch wenn sie ihren Fensterplatz in Reihe sechs schon sicher haben. Bereits im Gate bilden sie dichte Schlangen, wobei sie ihrem Vordermann heiß in den Nacken atmen. In der Gangway treten sie anderen Passagieren auf die Füße. Was befürchten sie? Dass ihnen die Tür vor der Nase zugeschlagen wird, wenn sie keinen Hautkontakt halten? An ihrem Platz haben sie dann die Ruhe weg. Der Mantel wird ausgezogen und gefaltet, die Taschen geordnet, der Schal verstaut - alles im Gang. Bloß niemanden vorbeilassen.

Dann gibt es die Schlafzimmer-Krankheit. Betroffene benehmen sich, als seien sie zu Hause, kratzen sich im Schritt, popeln in der Nase und furzen ungerührt. Schlimmer sind die Baby-Quäler. Eltern, die ihre Kleinstkinder für ein Wellness-Wochenende mitnehmen - im Flieger. Das Geschrei der Winzlinge, die Ohrenschmerzen haben, ist herzzerreißend. Da sind die Schweißfüßler, die selbst auf Kurzstrecken die Schuhe ausziehen, harmlos.

Putzig ist die Charterflug-Angewohnheit, nach der Landung hysterisch zu klatschen. Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass wir die Reise überlebt haben. Der Pilot macht seinen Job. Wenn mir der Briefträger Post bringt, klatsche ich ja auch nicht.

Ein anderes Phänomen ist PAL, panisches Aufspringen nach der Landung. Was treibt die Befallenen dazu, in gekrümmter Haltung dicht gedrängt im Gang zu stehen, bis sich die Türen öffnen? Vorher können sie ja doch nicht raus. An der Gepäckausgabe geht die Stampede weiter. Komplette Familien säumen das Band und sehen zu, wie Papa den Koffer auf den Gepäckwagen hebt. Sollen die anderen doch warten, bis ihre Taschen dreimal vorbeigefahren sind.

Jetzt noch auf die Blockierer achten, die am Ausgang abrupt in den Türen stehen bleiben wie Kaninchen im Scheinwerferlicht. Dann beginnt er: mein Urlaub. Den brauche ich jetzt.

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