Eine Glosse von Stefanie Bisping

Kunstvoll ist das Haar zu Banane oder Knoten geschlungen. Keine einzige Strähne verlässt unerlaubt ihren Platz. Auch nicht während eines zwölfstündigen Arbeitsaufenthalts in einem voll besetzten Großraumflugzeug. Vom Kopf bis zu den zierlichen Füßen in farblich auf die Uniform abgestimmten Slippern suggeriert das gesamte Singapore Girl: Perfektion. Überhaupt, diese Uniform: Nicht hauteng ist sie, sondern augenscheinlich direkt auf den Körper geschneidert. Einzig die natürliche Grazie des Singapore Girls, ein züchtiger Schlitz bis knapp unters Knie und vermutlich ein recht hoher Elastan-Anteil im Material gewähren minimale Bewegungsfreiheit und sorgen somit dafür, dass der Service niemals aussetzt.

Eines der Singapore Girls, die durch die Kabine schweben, sieht aus wie ein Filmstar aus Bollywood - sehr jung, überirdisch schön. Aber da es einer höheren Lebensform angehört als Mitglieder der Glamourwelt des Films (oder gar der Sphären gewöhnlicher Flugbegleiter), erscheint dieses Wesen an Bord und nicht auf der Leinwand. Engelsgleich und anmutig verrichtet es mit seinen Mit-Mädchen sein Werk. Sie lächeln, sie helfen, sie wiegen Babys, spenden Freude, verströmen Schönheit und Charme. Sie sind "Mädchen" von Beruf. Kaum vorstellbar, dass diese zarten Pflanzen außerhalb ihres natürlichen Habitats - ihrer Uniform, eines Airbus' oder eines Flughafenterminals - existieren können. Vermutlich werden sie bereits im Vorschulalter ihren Familien entrissen und an speziellen Ausbildungsstätten in den obersten Etagen des Changi-Airport in Singapur auf ihre Aufgaben vorbereitet. Mit Erreichen der Volljährigkeit nehmen sie dann ihre Tätigkeit auf und leben fortan ausschließlich an Bord und in Flughäfen, wo sie kleine Koffer hinter sich herziehen und huldvoll lächelnd ihrem Bestimmungsort entgegeneilen. Der liegt immer innerhalb von Flughäfen.

Kinder vertrauen dem Singapore Girl, Männer wollen es beschützen. Frauen wüssten gerne, wie es sich anfühlt, halb Mensch und halb Blume zu sein. Deshalb gibt es am Heimatflughafen der Spezies, gleich unterhalb des verborgenen Treibhauses, in dem sie zur Vollendung reift, ihre Uniformen und Accessoires zu kaufen. Doch dort zeigt sich: Wesen aus dem Westen passen nur bis zum frühen Teenager-Alter in diese Uniformen. Die Verwandlung bleibt ein Traum.