Aruba, Bonaire und Curaçao sind in Deutschland kaum bekannt, berühmt ist nur der blaue Likör. Doch die weite Reise lohnt sich

Singend wiegt die schwarze alte Frau das Pflänzchen, das in einer winzigen Hängematte liegt. Ihre Stimme ist wohlklingend, der Atem kommt tief aus ihrem Bauch, die Wörter klingen fremd. "So heilen wir nach alter Tradition Pflanzen, die sonst sterben würden", erklärt sie uns. Dann führt sie uns weiter durch ihren ökologisch angebauten Garten. Kakteen, Sträucher, Agaven - sie alle hat Dinah Veeris von der ganzen Insel zusammengetragen, und sie alle dienen der Heilung: Katuna di Seda gegen Rheumaschmerzen, Wayaka zur Blutreinigung und für positive Energie, Aloe gegen Verbrennungen und Mückenstiche, Mata Piska gegen Läuse, Agaven als Potenzmittel, Temetika als Liebeszauber, Anais zur Erfüllung von Wünschen.

Die holländischen Touristen, die den palmengesäumten Karibikstrand für einen Nachmittag verlassen haben, um den magischen Garten der 72-Jährigen und ihrer 92 Jahre alten Mutter zu besuchen, sind begeistert und decken sich mit Heilmitteln ein.

Wir sind auf der Karibik-Insel Curaçao, auf der sich die kulturelle Vielfalt der ganzen Welt vermischt. Das Eiland von der Größe Usedoms liegt nur 70 Kilometer vom venezolanischen Festland entfernt, gehört aber wie ihre Schwesterinseln Aruba und Bonaire zum Königreich der Niederlande. Die Menschen, die auf dem einstigen Hauptumschlagplatz des Sklavenhandels leben, haben afrikanische, asiatische, indianische, südamerikanische, karibische und europäische Wurzeln. Amtssprache ist Holländisch, die Umgangssprache Papiamento hingegen klingt exotisch: Portugiesisch, Spanisch, Englisch und Niederländisch sind zu einer Kreolsprache verschmolzen, die die wechselhafte Kolonialgeschichte der Niederländischen Antillen spiegelt.

Und der Wandel geht weiter: Bisher waren die Niederländischen Antillen als Gesamtheit Teil des Niederländischen Königreichs. Am 10. Oktober wurde diese politische Einheit der Inseln aufgelöst. Die Bewohner Curaçaos, einer der Antillen, sind nun direkte Untertanen von Königin Beatrix, Curaçao genießt gegenüber den Niederlanden allerdings Autonomie. So wie die Nachbarinsel Aruba, die sich 1986 von den Antillen unabhängig machte. Bonaire, die dritte der ABC-Inseln, hat den gegenteiligen Weg gewählt: Die Anbindung an den Staat Niederlande. Allerdings behält Bonaire als so genannte "besondere Gemeinde" des Landes einen Sonderstatus. So ist die neue Währung dann auch nicht der Euro, sondern ab 1. Januar der US-Dollar. Auf Curaçao gilt weiterhin der Antillen-Gulden, auf Aruba der Aruba-Florin.

Auch sonst tut sich viel im Karibik-Paradies. Kürzlich fand in Aruba eine Umweltschutz-Konferenz zum Thema grüne Energie mit US-Ex-Vizepräsident Al Gore statt. Man hat das wichtigste Kapital der Region wieder entdeckt: die Natur. Denn die "Inseln unter dem Winde" leben von Touristen, und die erwarten ein Paradies. Die großen, für amerikanische Touristen-Schwärme gebauten Bettenburgen auf Aruba sind nichts für europäische Gäste, die nun vermehrt umworben werden. Lieber gehen sie in das edle "Bucuti Beach Resort", das Postkarten-Romantik und Umweltschutz auf geniale Weise verbindet. Auf dem 5,6 Hektar großen Palmensandstrand können sich Gäste alljährlich daran beteiligen, frisch geschlüpfte Lederschildkröten ins sichere Wasser zu bringen. "Wir sind stolz darauf, auf der Insel als Erste den Green Globe und das ISO-Zertifikat erhalten zu haben, dazu viele weitere Preise", sagt der Besitzer Ewald Biemans.

Der Südtiroler lebt seit 40 Jahren auf Aruba. Unter den anderen Insulanern gilt er als exzentrischer Umweltfanatiker. "Ich verkaufe nur zwei Sorten Bier, Heineken und das heimische Balashi", sagt er zum Beispiel. "Das sind die einzigen, die in Mehrwegflaschen kommen." Noch gibt es keine Recycling-Anlage auf Aruba. Das Verbot von Plastiktüten, das eigentlich im März in Kraft treten sollte, wird hoffentlich bald umgesetzt. Denn Meeresschildkröten, die auf allen drei ABC-Inseln Eier legen, halten sie im Wasser für Quallen und ersticken daran. Auf Bonaire sind Plastiktüten längst verboten. Die Insel, die von dem riesigen Wasser-Naturschutzgebiet Marine Park umgeben ist, profitiert von ihrem Status als Trendsetter beim Umweltschutz. Sie gilt zu Recht als Paradies für Taucher und Naturfreunde. Bald wird eine Kläranlage in Betrieb genommen, "ein wichtiger Schritt", sagt Bente van der Wilt von der Artenschutzorganisation WWF. Sie dreht auf Bonaire gerade einen Naturfilm. Darin geht es auch um den Feuerfisch, der in die Unterwasserwelt der ABC-Inseln eingeschleppt wurde und sie nun bedroht.

"Aruba ist für Strand-Touristen, Bonaire für Taucher und Curaçao für Kulturliebhaber", sagt man auf den ABC-Inseln. Auch wenn das im Grunde stimmt, bieten alle drei Inseln in Wirklichkeit von allem etwas und jede Menge mehr. Insel-Hopping lohnt sich. Herrlich sind zum Beispiel die Nationalparks, die zum Teil schon seit den Siebzigerjahren existieren. Der Arikok Nationalpark auf Aruba und der Washington Slagbaai auf Bonaire sind von kargen Dornensträuchern, bizarr geformten Divi-Divi-Bäumen und riesigen Kakteen geprägt. Die stacheligen Ungetüme wachsen in dem trockenen, wüstenartigen Klima mehr als fünf Meter hoch und werden auch für den Bau von lebenden Zäunen genutzt. Sie sollen die Gärten vor den frei laufenden Ziegen schützen.

Der riesige Christoffel Nationalpark im Nordwesten Curaçaos ist ebenfalls sehenswert. Gut markierte Wanderwege führen durch die grüne, dornenreiche Vegetation. Karakara-Falken ziehen ihre Kreise, hier leben Sperlingstäubchen, grüne Sittiche, gelbe Pirole und der kleinste Kolibri der Welt, der Moskitokolibri. Ein Ausstellung zur regionalen Natur wird demnächst eröffnet, schon fertiggestellt ist das Kulturmuseum: Im barocken Gebäudekomplex einer ehemaligen Plantage ist die Geschichte der ABC-Inseln lebendig dargestellt, mit Original-Gegenständen aus der Zeit der Kolonialherren und Sklaven. Der Shete Boka Nationalpark gleich nebenan ist von zerklüfteten Felsformationen geprägt, an denen das karibische Meer wild und gefährlich brandet. Ein Schutzgebiet für Meresschildkröten, die hier brüten.

Beim Schnorchel-Ausflug vor Bonaire haben wir die faszinierenden Tiere hautnah erlebt. Zwischen farbenprächtigen Korallen tummeln sich kunterbunte Papageifische, die sich von Weibchen in Männchen verwandeln können, Trompeten-, Kaiser- und Kofferfische. Eine junge Suppenschildkröte schlummert am Meeresgrund, zwei größere schweben vorbei. Eine Echte Karettschildkröte blinzelt uns träge an, bevor sie langsam davonschwimmt. Alljährlich reinigen Einheimische und Touristen das Riff. Schnorchel- oder Tauchtouristen zahlen eine Umweltschutz-Gebühr von zehn oder 25 US-Dollar.

Eine Natur-Attraktion kann man nur auf Bonaire erleben: Die Kanu-Tour durch die Mangrovensümpfe, Heimat der rosa Flamingos und Kinderstube des Meeres. Sie liegen in einem streng geschützten Teil der Insel. Noch nicht einmal Mücken- und Sonnenschutz darf man mitnehmen, was nicht ohne Folgen bleibt. Aber es lohnt sich, vor allem, wenn man eine Tour mit Schnorcheln bucht. Die Natur ist einzigartig.

Wer dagegen ein lebendiges Nachtleben mit Salsa- und Karibikrhythmen sucht, muss nach Curaçao. Im Asia Cuba tanzen Paare zur Live-Musik, im Restaurant des Hotels "Otrabanda" hat man einen traumhaften Blick auf die malerischen Häuser am Hafen von Willemstad. Die alte Kolonialstadt mit den pastellfarben Häusern und der mehr als 300 Jahre alten schwimmenden Brücke ist Unesco-Weltkulturerbe. Da vergisst man den Anblick der riesigen Öl-Raffinerie am Stadtrand schnell wieder.

Der blaue Likör, der die Insel so berühmt gemacht hat, stammt übrigens wirklich aus Curaçao. "Als die Spanier hier ankamen, wollten sie Orangenbäume pflanzen, aber das Klima passte nicht", erklärt uns die Kräuterfrau Dinah Veeris. "Die Früchte waren bitter, also versuchte man, Likör zu machen. Der wurde dann blau - keiner weiß, warum. Heute wird er künstlich gefärbt."