Krisen oder Katastrophen schrecken nicht ab. Reisetrends für diesen Sommer zeigen: Die Deutschen wollen wegfahren

Ausschreitungen in Athen, bürgerkriegsähnliche Zustände in Bangkok, der Ölteppich im Golf von Mexiko und Vulkanasche über Europa mit Zehntausenden von Flugausfällen: Die Schlagzeilen der vergangenen Wochen haben die Lust aufs Verreisen nicht gerade erhöht. Doch die Deutschen lassen sich von den vielen Krisen und Katastrophen offenbar nicht die Urlaubslaune verderben: Auch in diesem Sommer werden sie eifrig die Koffer packen.

Reisebüros und -veranstalter verzeichneten bis Ende April ein Umsatzplus von vier Prozent für die Sommersaison. Im Trend bleiben Ziele in Deutschland sowie All-inclusive-Anlagen, bei denen die Kosten von Anfang an gut kalkulierbar sind. "Die Lust am Urlaub ist ungebrochen", glaubt Hans-Gustav Koch, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Reiseverbandes (DRV) in Berlin. Noch verkaufen die Reisebüros zwar nicht so gut wie vor Beginn der Finanzkrise im Herbst 2008. Doch das Buchungsplus von vier Prozent für die Sommermonate sei "ein bisschen mehr, als wir erwartet haben".

Stark nachgefragt seien derzeit Ferien in Ägypten und der Türkei, zwei Länder mit vielen neuen Hotels und einem hohen Anteil an All-inclusive-Anlagen. "All-inclusive bleibt ein Renner", sagt Koch - denn Preissicherheit sei den Deutschen weiterhin wichtig. Doch nicht nur am östlichen Mittelmeer und am Roten Meer werden im Sommer viele Deutsche ihre Handtücher auf Liegestühlen ausbreiten. Auch Inlandsreisen - von Sylt bis zu den Alpen - sind weiterhin sehr gefragt. Gleiches gilt laut Koch für Kreuzfahrten , deren Passagierzahlen weiter in die Höhe gehen.

Und auch viele Fernreiseziele werden in diesem Sommer mehr Urlauber aus Deutschland zählen dürfen als sonst, erwartet der Tourismusforscher Prof. Martin Lohmann aus Kiel. Zwar legten die Deutschen heute "insgesamt etwas mehr Aufmerksamkeit auf ihre wirtschaftliche Situation als vor drei, vier Jahren". Aber es gebe "natürlich auch einige, denen es ganz hervorragend geht" - und das seien diejenigen, die in diesem Jahr verstärkt Fernreisen unternehmen.

Auf fernen Kontinenten sollte die Reisekasse allerdings in der Tat gut gefüllt sein. Denn der Euro ist nicht mehr so viel wert wie noch im Sommer 2009. Seit dem Jahresende hat die Gemeinschaftswährung im Verhältnis zum US-Dollar rund 15 Prozent an Wert verloren. Besonders stark sind laut Commerzbank die Kaufkraftverluste für Deutsche zudem in Australien und Südafrika, dem Gastgeberland der Fußball-WM (11. Juni bis 11. Juli).

Auch die WM wird das Reiseverhalten beeinflussen: Viele Fans werden mit ihrem Urlaub warten, bis das Turnier vorbei ist - oder zumindest so lange nicht die Koffer packen, wie die deutsche Elf mitspielt. Ob mit oder ohne WM-Effekt: Dass es eine Last-Minute-Buchungswelle geben wird, erwarten die Experten ohnehin. Allerdings bahne sich nur ein "ganz normales Last-Minute-Geschäft" an, meint DRV-Manager Koch. Eine "Preisschlacht" der Veranstalter werde es nicht geben.

Auch Tourismusforscher Lohmann rechnet zwar mit vielen Buchungen in letzter Minute. Zugleich lasse sich aber auch feststellen, dass immer weiter im Voraus gebucht wird, um besonders exklusive Reiseangebote zu sichern - ein Trend, den auch Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) bestätigen. Danach entfielen 7,3 Prozent des Reisebüroumsatzes im April bereits auf Buchungen für die Wintersaison 2010/11. Der Anteil der frühen Winterbuchungen habe sich "fast verdoppelt", so die Marktforscher.

Zu den Verlierern des Reisesommers 2010 könnten Ziele gehören, die traditionell zu den Lieblingen der Deutschen gehören. So lägen Mallorca und die anderen Balearen sowie die Kanaren bei den Buchungen bisher unter den Vorjahreswerten, sagt Koch.

Auch nach Griechenland zieht es bisher weniger Veranstaltergäste als vor Jahresfrist. Dass Touristen in Sorge sein könnten, ob ihre Hotels dort in der angespannten Wirtschaftslage noch ordnungsgemäß versorgt werden, glaubt Koch aber nicht: "Wir erwarten einen ganz normalen Sommer für Griechenland." Auch Lohmann warnt davor, Griechenland schon jetzt zum Verlierer des Reisejahres zu erklären.

Last-Minute-Reisen könnten dieses Mal verstärkt nach Hellas führen - wenn sich die Krise im Lande nicht noch weiter verschärft.