Dass es eine fast unlösbar schwierige Aufgabe ist, aus den eigenen Eindrücken ein Land und seine Seele zutreffend zu beschreiben, hat noch keinen Reisenden davon abgehalten, es trotzdem zu versuchen. Die Ergebnisse sind so unterschiedlich wie ihre Verfasser. Doch wenn die hinreichend sensibel sind und ihre geistigen Standorte genügend weit auseinander liegen, dann könnte sich aus ihren Berichten ein stimmiges Bild zusammensetzen, das nicht nur eine Wahrheit enthält, sondern einige Wahrheiten. Und das sogar Entwicklungslinien aus der Vergangenheit bis heute sichtbar macht.

So wie in "Vietnam - ein Reiselesebuch", das der Hamburger Journalist und Abendblatt-Autor Bernd Schiller herausgegeben hat. Das schmale, durchaus rucksackkompatible Bändchen sammelt alle Begeisterung ein und viele Fragen, die das freundliche Land im Kopf des Besuchers hinterlässt. Die traumatische Kolonialgeschichte ebenso wie die Besetzung aller Schlüsselpositionen durch den kommunistischen Norden nach 1975, die tiefe Gläubigkeit ebenso wie den rastlosen Lebenshunger der Jugendlichen von heute. Begegnungen mit einfachen Leuten, historische Berichte und die Suche nach den Grundlagen von Mythen wie Marguerite Duras' "Liebhaber". Der weit gereiste Herausgeber selbst, Autoren wie Alexander Smoltczyk, Tiziano Terzani, Benno Kroll, Winfried Scharlau und Schriftsteller wie Graham Greene und Duong Thu Huong bürgen für Qualität. Die 144 Seiten kann man noch im Flieger lesen - und mit Gewinn, weil man vieles vor Ort einfach besser versteht.

Bernd Schiller (Hg.): Vietnam - ein Reiselesebuch. Ellert & Richter, 144 S., 12,95 Euro