Catania auf Sizilien erwuchs im 18. Jahrhundert nach einem verheerenden Vulkanausbruch noch einmal ganz neu. Und ist heute deshalb eine sehenswerte Stadt

Der Ätna, Europas mächtigster aktiver Vulkan, ist wie ein antiker Götterberg, der sein Volk mit fruchtbarer Erde, mit Obst, Wein und nutzbarem Lavagestein beschenkt, sagt man an der Ostküste Siziliens. Das vergisst man auch dann nicht, wenn der Vulkan zeitweilig sein freundliches Gesicht versteckt. Zahllose Erdbeben und Eruptionen haben die Städte und Dörfer an seinen Hängen in Schutt und Asche gelegt. Doch niemand käme auf die Idee, deshalb in eine weniger gefährliche Ecke der Insel zu ziehen.

Catania, Siziliens zweitgrößte und vitalste Stadt, beeindruckt auf den ersten Blick durch ihren modernen Aspekt. In den Haupteinkaufsstraßen reihen sich Kaufhäuser, glitzernde Schmuckgeschäfte und Marken-Shops an Buchhandlungen und Cafés. Traditionelle Konfiserien laden mit frisch gebackenen Cannoli, den beliebten Teigröhrchen mit Ricotta, Marzipantörtchen und Mandelgebäck ein. Ein Fest für das Auge und den Gaumen, das die Stadt den Klosterküchen und nicht zuletzt den Arabern verdankt. Sie brachten neben der Kunst der Zuckerbäckerei auch die ersten Zitrusfrüchte, Datteln und Pistazien auf die Insel mit.

Denn alle waren sie in den 3000 Jahren ihrer Geschichte hier: Die Römer, die Byzantiner, Araber, Normannen und Spanier. Sie kamen und gingen, zerstörten und ließen die Stadt erneut zu Glanz erstrahlen. Doch niemand verwüstete Catania so gründlich wie der Ätna, als er 1669 seine glühende Lava in apokalyptischem Ausmaß fast über die gesamte Stadt ergoss, das Hafenbecken füllte und aus dem imposanten staufischen Küsten-Kastell Ursino kurzerhand eine Bastion auf dem Festland machte. 30 Jahre später erledigte ein Erdbeben den Rest.

So entstand im 18. Jahrhundert wieder eine neue Stadt, aus dunklem Vulkangestein und im Stil der Zeit: dem Barock. Mit prunkvollen Kirchen, Klöstern und Fürstenpalästen, die heute zum Teil öffentlichen Zwecken dienen. Staunend steht man in der Via Croceferi, dem Stolz der Catanesen, vor einem fast theatralisch wirkenden Straßenzug. Abends ist die breite Treppenstraße, die hinunter in die Neustadt führt, ein beliebter Treffpunkt der Jugendszene.

Die Catanesen, die seit jeher eine tiefe Antipathie für Palermo hegen, hören es gern, wenn man von ihnen als den Mailändern Siziliens spricht. Selbst in schwierigen Zeiten schaut man nach vorn. Mutig hat die Stadt mit Ansiedlung von Pharma- und Elektrokonzernen den Sprung ins neue Jahrtausend gewagt. Die antiken Schwefelfabriken, Le Cimiere, wurden zu einem eigenwilligen Kulturzentrum aus Stahl und Glas ausgebaut, das nun Kunstgalerien, Kongress-Säle und ein Freilichttheater einschließt.

Auch die Altstadt ist mit Pubs, Restaurants und Internet-Cafés zu neuem Leben erwacht. Im Sommer verlagert sich das Abendleben an die Strandpromenade La Playa und in den kleinen Vorort "alla moda", Ognina.

Der Platz aller Plätze aber ist immer noch die Mitte des 18. Jahrhunderts neu gestaltete Piazza del Duomo. Dort laufen die wichtigsten Verkehrsachsen zusammen - mit Dom und Rathaus als Symbole religiöser und politischer Macht. Unter dem lustig dreinschauenden Elefanten aus dunklem Basalt erschallt alljährlich das "Viva Sant' Agata!" der Gläubigen, bevor die Reliquien der Schutzheiligen der Stadt stundenlang in feierlicher Prozession durch die Straßen getragen werden. Ein "himmlisches Schauspiel" mit Glockenläuten, Blechmusik und Knallkörpern.

Profaner nimmt sich das Treiben auf dem Fischmarkt aus. Das volkstümliche Szenarium aus Farben, Gerüchen und Marktgeschrei erinnert an orientalischen Souks. Die fangfrische Ware besorgen sich die Händler auf der allmorgendlichen Fischauktion in Aci Trezza: Muscheln, Langusten, Tintenfisch, Goldbrassen. Das gemarterte Meer meint es noch immer gut mit den Sizilianern.

Das hübsche kleine Fischer- und Ferienstädtchen an der Zyklopen-Riviera wurde durch den 1947 von Luchino Visconti gedrehten Film "La terra trema" (Die Erde bebt) bekannt. Er schildert die harten Lebensbedingungen der Fischerfamilien Ende des 19. Jahrhunderts. Wie für eine Postkarte erschaffen, ragen die Faraglioni-Klippen aus dem tiefblau schimmernden Meer. Der einäugige Riese Polyphem soll sie, so will es die Legende, dem fliehenden Odysseus nachgeschleudert haben.

Fast nahtlos schließt sich, eingebettet in endlose Palmen- und Zitronengärten, die grazile Barockstadt Acireale an. Weite Plätze mit Blick auf prachtvolle Kirchen laden bei einer "Granita di limone" oder einem Eiskaffee zum Verweilen ein. Seine seit der Antike genutzten Heilquellen zogen zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts, wie noch zahlreiche Villen im Jugendstil bezeugen, besonders das Großbürgertum an. Heute wird in Acireale der schönste Karneval der Insel gefeiert.

Am besten aber lässt sich die Seele der Menschen im Bannkreis des Ätna auf einer Fahrt mit der Schmalspurbahn Circumetnea ("einmal rund um den Ätna") erspüren. Immer wieder wechselt der Vulkan wie ein eigenwilliger Leinwandstar sein Gesicht - und mit ihm die Pflanzen- und Tierwelt des immensen Naturparks.

Mal blickt man auf Weiden mit blühenden Mandelbäumen und Olivenhaine, mal auf eine öde Vulkanwüste, dann wieder auf üppige Weinberge, Kaktusfeigen- und Pistazienplantagen zwischen den mittelalterlichen Burgruinen und monströsen, tiefschwarzen Überresten von Lavaströmen.

Für Gipfelstürmer bietet sich das große Abenteuer per Drahtseilbahn ins Rifugio Sapienza an. Vorausgesetzt, der Mongibello, wie die Araber den Berg nannten, ist guter Laune.