Die Inselkette Outer Banks vor North Carolina bietet die schönsten Strände der USA, Tauchern einen spannenden Meeresfriedhof und besten Wind für Drachenflug-Anfänger - vor allem im Herbst

Feinster Sanduhrensand streichelt die Füße, Dünengräser biegen sich in einer Brise vor tiefblauem Himmel, Hollywoodschaukeln baumeln in den Südstaaten-Veranden der weißen Cottagehäuser. Erste Zeilen eines Kitschromans? Reisekatalog-Prosa? Vielleicht. Vor allem aber: reale Postkarten-Idylle auf den Outer Banks, der 280 Kilometer langen Inselkette an der Atlantikküste vor North Carolina. Bei Weitem nicht so bekannt wie Florida oder Kalifornien und daher auch nicht überlaufen. Familien mit Kindern, Surfer und Beachvolleyballer - jeder findet hier sein Plätzchen. Weit und breit nur Sand in Sicht.

Und das Meer, mit halbhohen Wellen und seiner Gischt, einladend zum Surfen und Abkühlen. Sofern man sich reinwagt - trotz des wenig einladenden Beinamens: "Friedhof des Atlantiks". Nicht wegen der gelegentlich gefährlichen Unterströmungen heißt diese Küste so, sondern weil vor den Outer Banks mehr als 2000 Piratenschiffe, Fischtrawler und U-Boote gesunken sind, als gerade mal kein Sand in Sicht war. Sie liefen unter Wasser auf Sandbänke, die infolge der Strömung ständig ihre Position ändern. Andere Pötte bekamen kriegsbedingt eine Seebestattung. Wie das deutsche U-Boot "U-352". Am 9. Mai 1942 griff es den US-Kreuzer "Icarus" an. Der wehrte sich erfolgreich mit Wasserbomben. Längst ist "U-352" das meistbesuchte Wrack vor North Carolina, in 33 Meter Tiefe, südlich von Morehead City.

Robert Purifoy vom Olympus-Tauchcenter ist Dauergast da unten. Heute wollen acht Taucher mit. Letzter Check an Brille und Sauerstoff-Flasche, dann geht's rücklings von Bord in die Tiefe. Prima Sicht, schon nach wenigen Flossenschlägen ist "U-352" zu sehen. Schräg auf der Seite ruht es wie eine riesige Zigarre, über und über mit Tang und Muscheln bedeckt. Ein Anblick, den man auch ohne Unterwasserausflug haben kann - im North Carolina Aquarium liegt eine Nachbildung in einem Riesenbecken mit Glaswand.

Kaum 200 Meter breit sind die acht Outer-Banks-Inseln mancherorts, hinter den Dünen oft nur Platz für den schnurgeraden Highway Nr. 12. Er und zwei kleine Fähren führen zu den besten Stränden der USA. Meint jedenfalls "Dr. Beach" alias Stephen P. Leatherman. Der Geowissenschaftler leitet ein Labor für Küstenforschung und untersucht seit 1991 die US-Küsten. Gespannt erwarten Badeorte jährlich Ende Mai seine Strand-Top-Ten. "And the winner is" - Hawaii oder Florida, hieß es in den ersten 16 Jahren, bis die kleine Outer-Banks-Insel Ocracoke diese Dominanz erstmals brach und 2007 den Top-Strand bescheinigt bekam. "Hochromantisch, gute Wasserqualität, wenig Verkehr, kein McDonald's", urteilte Dr. Beach und gab auch dem Pulversand auf Ocracoke die Note eins.

Gut 20 Autofährenminuten weiter nördlich liegt langgestreckt das Outer-Banks-Eiland Hatteras: momentan auf Platz vier der Hitliste. So sieht ein heißer Anwärter auf den Titel 2011 aus. Hotels der Marke "Urlauberschließfach-Container" wie in Miami Beach gibt's hier ebenso wenig wie DJs, die am Strand Gute-Laune-Zwangsbespaßung machen. Dafür ein Bauwerk, das wie ein schwarz-weißer Bleistift in den Himmel ragt: der Leuchtturm Cape Hatteras, mit 63 Metern höchster Ziegelsteinbau der USA. Wo man auch hinschaut, was man auch fotografiert - immer ist Sand in Sicht, und es sind perfekte Bilder für den Kalender "Traumküsten der Welt". Mit einem inzwischen sicher postierten Leuchtturm. Denn weil Erosion und Sturm das Cape Hatteras Lighthouse in den Dünen zu sehr angefressen hatten, wurde es 1999 um knapp einen Kilometer ins Land versetzt - ohne Demontage, im Ganzen hochgebockt auf eine hydraulische Hebebühne. 23 Tage lang näherte sich der Blinklicht-Oldie so im Schneckentempo seinem neuen Standort und hat die "Verpflanzung" ohne Risse überlebt.

Ja, waghalsige Fortbewegung kennt man auf den Outer Banks: "Orville Wright legt sich auf den Schlitten zwischen die Tragflächen, Bruder Wilbur Wright wirft den Motor an, zwei Fahrradketten lassen die beiden Holzpropeller rotieren, bewegen den 'Flyer' vorwärts, und plötzlich hebt er ab." Jeder hier kann diese Geschichte erzählen. Nach zweijährigen Bastelarbeiten und unzähligen Bruchlandungen mit ihrem "Seifenkisten-Flieger" schafften die Gebrüder Wright am 17. Dezember 1903 den ersten dokumentierten Motorflug der Geschichte im Örtchen Kill Devil Hills. 260 Meter weit und 12,3 Sekunden lang, dann bretterte der fragile Doppeldecker in den Sand.

Das reichte nicht nur für den Eintrag ins Geschichtsbuch, sondern auch auf jedes Autokennzeichen in North Carolina: "First in Flight" ist sozusagen Staats-Motto.

Jeder kann hier fliegen lernen, bei Kitty Hawk Kites, der ältesten und größten Hanggliding- Schule Amerikas. Neulinge vertrauen Alex, dem Trainer. Der 19-Jährige studiert Maschinenbau und hat den Hanggliding-Drachen bestimmt richtig zusammengebaut. Weste anziehen, einklinken, hängen lassen. Noch baumeln die Flugschüler kurz über dem Sand der Riesendüne Jockeys Ridge und lernen, wie sie den Drachen zum Aufsteigen oder Abfallen bringen. Dann gilt es: aufstehen, traben, steile Düne runterlaufen, nach wenigen Metern hebt der Drachen ab. Ein irres Gefühl! Kein Wunder, dass die Wright-Brüder es wieder und wieder versucht haben. Alex läuft nebenher, hält die lange Leine und brüllt: "Flare, flare!!" Zu spät, der Drachen kracht in die Düne und bietet eine weitere Outer-Banks-Perspektive: Sand im Gesicht.