Der Rheinradweg ist von der Quelle bis zur Mündung 1320 Kilometer lang. Ein schönes Teilstück liegt in Rheinland-Pfalz

Nein, richtige Steigungen gibt es hier nicht. Und kaum Autos. Nur ein paar Angler sind an den Rhein gefahren, in Sichtweite des Karlsruher Hafens. Sie warten aufs Anbeißen der Fische. Das französische Fahrrad mit schmalen Reifen ist für den Weg mit seinen Flusskieseln am Rheinufer aber auch nicht wirklich geeignet, es lässt sich manchmal nur störrisch und bockig auf Kurs halten.

Jetzt rächt sich der spontane Aufbruch des Morgens ohne Landkarten - der eingeschlagene Weg endet am Ausläufer des Ölhafens, über das Hafenbecken gibt es keine Brücke. An einem riesigen Areal entlang mit allen möglichen Tanks, Gebäuden und Parkplätzen geht es zurück zum Auto, diesmal vorwiegend auf der Straße. Die Geräusche des Waldes am Fluss sind ein merkwürdiger Kontrast zum Tankstellenduft, der in der Luft liegt.

Das Auto erleichtert den Sprung flussabwärts, ein Dutzend Kilometer weiter. Das hier sieht schon eher nach dem Internationalen Rheinradweg aus. Sorgfältig ausgeschilderte Routen mit Signets und Kilometerangaben, die nicht plötzlich aufhören. Es ist noch vormittags, die erste Ausflugsgaststätte macht gerade auf. Was für ein Biergartenwetter, wunderbar zum Radfahren. Und nette Szenen gibt es auch: Die Rheinfähre Leimersheim legt ab. Brummt in die Flussmitte, nutzt die Strömung aus, um ohne eigene Kraft auf die andere Seite zu kommen. Auf einer Bank sitzen ein paar Menschen versonnen im Schatten und schauen zu. Hier zählt die Zeit nicht.

Wer allein Fahrrad fährt, kann sich die Kraft einteilen, hat aber niemand zum Schwatzen. Die (asphaltierten) Wege durch die Hördter Rheinauen in Rheinland-Pfalz sind ideal, um nach langer Fahrradabstinenz Kondition zu tanken. Nur ein paar ganz Eilige machen Tempo, die meisten lassen es gemütlicher angehen. Der Trecker knattert, zwei Störche staksen über eine frisch gemähte Wiese, ein dritter zieht am Himmel seine Kreise. Der Weg in Richtung Germersheim führt nicht stur geradeaus, sondern in eleganten Kurven flussabwärts, die Rückkehr wird, fast immer leicht ansteigend, mühsamer werden. Ab und zu säumt ein Deichwärterhaus das Geschehen, aus dem Wald zur linken münden Querwege ein, der Strom zur rechten ist hinter Bäumen und einem Deich versteckt.

Normalerweise kann man beim Radfahren schön seinen Gedanken nachhängen, heute geht es weniger. An freien Tagen mit schönem Wetter sind hier nämlich so viele Menschen auf zwei Rädern unterwegs, dass man auf den Gegenverkehr achten muss. Und wehe, einer hält sich nicht strikt ans Rechtsfahrgebot. Schon kommt ein Mountainbikefahrer angesaust, der entschieden klarstellt, wo man zu fahren hat. Dabei zeigt das kleine Computerchen am eigenen Lenker schon knapp unter 20 Kilometer je Stunde, mal sehen, wie lange noch.

Der Rhein hat Radwege von der Quelle in der Schweiz bis zur Mündung in Rotterdam. Ähnlich wie bei Elbe und Spree. Informationen dazu gibt es in Hülle und Fülle: spezielle Radkarten sowieso, Plattformen im Internet - dort ist es allerdings ein wenig unübersichtlich. Wer mit dem Zug zum Fluss und dann mit dem Rad weiterfahren will, muss sich mit Merkwürdigkeiten herumschlagen. Radfahrer können ihr Vehikel nicht mit in den ICE nehmen, in den IC aber schon. Im Nahverkehr der DB herrscht Tarifdurcheinander: Fährt man durch einen Verkehrsverbund, gelten in Baden-Württemberg dessen Regeln, auf bestimmten Routen und zu bestimmten Zeiten kann das Velo kostenlos mitreisen.

Germersheim liegt träge in der Sonne. Die hübsche Kreisstadt kann ihre Herkunft aus Festungszeiten nicht verleugnen, 1834-61 ist das wehrhafte Bauwerk entstanden. Die Geschichte und die Zahl der Herrscher sind endlos: Im zweiten bis vierten Jahrhundert erhob sich hier die Römische Soldatensiedlung "Vicus Julius", Ende des 18. Jahrhunderts herrschten die Franzosen, später die Bayern, bis 1930 gab es französische Besatzungstruppen.

Dass der Fluss in der Nähe einem immer Orientierung gibt, ist der Charme dieser Tour. Das träge dahinfließende, von aller frühlingshaften Hochwassergewalt freie Wasser wirkt auf sehr angenehme Weise entschleunigend. Nach der Devise: Lass die anderen schnell fahren, wie sie wollen. Und wenn mal die Puste ausgeht, kann man ein paar Kilometer zu Fuß gehen und das Fahrrad schieben.

Was es sonst noch zu sehen gibt am Rhein? Schifffahrtsschauspiele wie an den Schleusen in Marckolsheim oder Breisach mit ihren gigantischen, vermoosten Stahltoren. Wer sich ein paar Kilometer vom Fluss weg wagt, kann schöne Landschaften entdecken: den Kaiserstuhl (grob: zwischen Freiburg und Breisach gelegen), eine traditionsreiche Kulturlandschaft. Oder weiter nördlich: Städte wie Mannheim, Speyer.

Apropos Mannheim: Dort hat die Deutsche Bahn Leihräder am Bahnhof stationiert. Wer schon mal mit dem Stadtrad Hamburg gefahren ist, muss keine lange Anmeldeprozedur überstehen. Nach einem kurzen Telefonat geht es dann los. Mannheim ist gut versorgt mit Radwegen. Ohne ernsthaften Kontakt mit dem Autoverkehr fährt es sich komfortabel zum Fluss. Für längere Touren ist das DB-Rad zu schwer und nicht gut genug gewartet. Aber der Weg über die Adenauer-Brücke hinüber nach Ludwigshafen geht wunderbar. Das große Städtebauprojekt Rheinufer-Süd an der anderen Rheinseite erinnert entfernt an die schicke Architektur der Hamburger HafenCity.

Die Großstädter spannen aus, Radler sind unterwegs, unter den Bäumen auf der Hannelore-Kohl-Promenade hat sich das Festival des deutschen Films schön im Schatten und in Zelten etabliert, viele Leute kommen mit dem Fahrrad her. Heute aber hat der Sommer so sehr aufgedreht, dass keine unendlichen Radlermassen unterwegs sind.

Wir sind auf der Parkinsel, einem äußerst beliebten Stadtpark in der Metropolregion-Kommune. Die Pegeluhr, ein denkmalgeschützer Sandsteinbau, markiert, dass wir wieder in Richtung Hafen unterwegs sind. Das Bauwerk stammt etwa aus dem Jahr 1900, ist also etwas später als der Luitpoldhafen entstanden, dessen Beginn er markiert. Der Rückweg nach Mannheim geht flott.

Wer in Mannheim ist, sollte den Weg zum Schloss nicht ausfallen lassen. Es liegt in Fußwegweite vom Hauptbahnhof und wurde errichtet, als der damalige Kurfürst Karl Philipp seinen Herrschaftssitz vom nahen Heidelberg hierher verlegte. Entstanden ist eines der größten europäischen Schlösser zu Zeiten des Absolutismus.

Ein Fazit? Radfahren am Rhein erholt. Es gibt unendlich viele Anregungen und macht Lust auf mehr Bewegung. Außerdem ist der Strom so ausgezeichnet erschlossen, dass sich jeder seine Tour nach Maß stricken kann.