Seit Generationen hilfreich sind Single-Events in einer irischen Gegend, in der Junggesellen mehr Erfahrung mit Viehzeug haben als mit Frauen

Willie Daly möge keine Fragen zu seiner Person, hieß es. Und für Interviews stehe er schon gar nicht zur Verfügung. Und nun winkt er meine Freundin und mich höchstpersönlich in sein Separee - als wollten wir seine Dienste in Anspruch nehmen. Dabei wollen wir in der Matchmaking Bar nur sehen, was der Typ dort eigentlich treibt.

Im September ist Lisdoonvarna ein Tollhaus. Alle, die zum Matchmaking Festival kommen, wollen nur das eine: Jemanden kennenlernen. Tief dekolletierte Damen tanzen sich während des größten Single-Events Europas die Zehen wund. Junggesellen auf Freiersfüßen ziehen von Pub zu Pub, um sich Mut anzutrinken. Einige haben sich ins Jackett gezwängt. Und viele von ihnen haben mit Kühen und Schafen wahrscheinlich mehr Erfahrung als mit Frauen. Da kann ein Matchmaker, ein Heiratsvermittler, ganz hilfreich sein.

Willie Daly ist Pferdehändler und schmiedet schon in dritter Generation Ehen fürs Leben. Das ganze Jahr über bekommt er Post mit Partnerwünschen. In Lisdoonvarna zum Matchmaking Festival hält er persönlich Hof, um zusammenzukuppeln, was zusammen gehört. Während auf der Tanzfläche zur Livemusik eifrig gebaggert wird, führt Willie Daly diskrete Gespräche.

Woher wir kämen, will der König der einsamen Herzen wissen. "Wonderful!", freut er sich. Deutsche Frauen und irische Männer würden wunderbar zusammenpassen. Dabei schaut uns der alte Charmeur tief in die Augen, als hätte er selbst Ambitionen. Die Chancen für Frauen seien sehr gut, raunt er uns zu. Die Quote stünde derzeit bei 17:1. Dabei weist er auf seinen dicken Ordner, aus dem die Formulare mit den Partnergesuchen hervorquellen.

Bei Daly wird alles noch per Hand gemacht. Von Heiratsvermittlung via Internet, von Chatrooms oder Speed-Dating hält er nichts. Lieber vertraut er seiner Intuition und hört auf seinen Bauch. Auf seinem Reiterhof bei Ennistymon setzt der Kuppler noch auf ein weiteres Pferd: Auf "Love Trails" in die schöne Umgebung sollen Singles hoch zu Ross zueinanderfinden. So jedenfalls sein Plan.

Matchmaking hat in Irland Tradition. In Lisdoonvarna, dem einzigen Kurort Irlands, gingen die Bauern im September auf Brautschau, wenn die Ernte eingebracht war und Viehauktionen abgehalten wurden. Vielleicht fand sich neben einer guten Partie noch ein kräftiger Gaul oder eine trächtige Kuh. Händler brachten sich als Matchmaker ins Spiel. Sie kamen im Land herum, erfuhren von einsamen Witwen und heiratswilligen Töchtern. Mit dem Kurort und seinen Mineralquellen ist inzwischen kein Staat mehr zu machen. Zum Matchmaking Festival wird jedoch ordentlich Umsatz gemacht. Ist der September vorbei, sinkt das 800 Einwohner zählende Städtchen wieder in den Dornröschenschlaf.

Lisdoonvarna liegt im Herzen des "Burren". Der 350 km{+2} große Karst in der Grafschaft Clare wirkt wie eine Mondlandschaft. Seen tauchen auf, die im Kalkstein wieder verschwinden. Die Region zieht Naturfreunde und Wanderer gleichermaßen an. Immerhin versickert der Regen so schnell, dass man selten nasse Füße bekommt. Der 45 Kilometer lange Burren Way kreuzt schmale Landstraßen. Am Wegesrand zeugen Galeriegräber, Ringforts und Burgruinen von jahrtausendelanger Besiedlung. Wir haben ein Cottage in Fanore gemietet, im Nordwesten. Dort, wo der Caher River, der einzige oberirdische Fluss des Burren, in den Atlantik mündet. Die Tür sei gelb, und der Schlüssel liege unter der Fußmatte, wurde uns mitgeteilt. Bei Ankunft stand ein Korb Torfbriketts bereit, das Kaminfeuer war vorbereitet. Anderntags treffen wir unsere Vermieterin. Anne erzählt, dass sie auf dem Matchmaking Festival vor 17 Jahren ihren Mann kennengelernt habe. Willie Daly sei übrigens schon mehrmals verheiratet gewesen, verrät sie.

Von Fanore zieht sich die Küstenstraße etwa hundert Kilometer bis zum Loop Head an der Shannon-Mündung. 100 km/h sind zwar erlaubt, doch kann man auf der kurvenreichen Strecke kaum schneller als 60 fahren. Auf jeden Fall braucht man Zeit, denn die Küste hat es in sich. An diesem September-Sonntag herrscht am Strand von Kilkee ein buntes Treiben. Es ist Ebbe, und in der hufeisenförmigen Bucht finden die traditionellen "Strand Races" statt. Die Zuschauer feuern die Jockeys an, die in den Steigbügeln stehen und an ihnen vorbeipreschen. Kaum einer, der nicht auf "sein" Pferd gesetzt hat. Die Buchmacher unter den Sonnenschirmen haben jedenfalls gut zu tun und lassen die Wetteinnahmen in großen alten Aktentaschen verschwinden.

Am Loop Head stehen wir auf dem Kliff und lauschen dem Tosen der Brandung. So einsam wie hier ist es an den berühmten Cliffs of Moher im Norden von Lahinch schon lange nicht mehr. Inzwischen werden Parkgebühren erhoben, und ganze Busladungen sind unterwegs. Die mit 214 Metern höchste Steilklippe Europas ist zwar immer noch ein beeindruckendes Naturschauspiel, doch die Mauer entlang des Klippenrands hat ihr viel von der Dramatik genommen. Für 31,5 Millionen Euro wurde die Natur in die Schranken gewiesen. Im Visitor Centre werden die Naturgewalten von allen Seiten interaktiv beleuchtet, über computeranimierte Bilder steht man am äußersten Rand der Klippen und kann dem Flug eines Basstölpels folgen. Da erübrigt es sich fast, die Cliffs of Moher in Natura zu sehen. War das wirklich nötig?

Ob hier der Funke überspringt, wenn Willie Dalys Gäste nach mehrstündigem Love-Trail vom Pferd steigen? In dem Fischerdorf Doolin passiert das schon eher. In drei Pubs wird jeden Abend gefiddelt und gesungen. Da sitzt man gut gelaunt und so eng, dass man sich schnell näherkommt.