Eine Tour auf dem Pferdewagen ist ein entspanntes Abenteuer für die ganze Familie - der Gaul läuft fast von selbst

So ist das als Vater zweier Mädchen: Während Freunde mit männlichen Sprösslingen von Fußballstadion zu Ritterfestspiel eilen, dreht sich bei Familien mit XX-Dominanz vieles um Tiere. Vor allem um Pferde. Als Bekannte auch noch davon erzählten, dass sie mit einem Gaul samt Gespann durch Irland zogen, gab es beim eigenen Nachwuchs kein Halten mehr. Nach einigem Lavieren willigte schließlich auch der einzige Mann der Familie - bisher eher an Tiere der Größenordnung Hamster gewohnt - ein: Es wurde eine Pferdewagenwoche durch die dünn besiedelte nordwestirische Grafschaft Mayo gebucht, fernab von Stadien und Baggerplätzen.

Eine Entscheidung, die überraschenderweise keine Reue nach sich zog. Denn Fergus, das breitschultrige, stark gescheckte Zugpferd mit dem witzigen Schlaghosenfell, eroberte die Herzen aller. Und bescherte echte Freudenerlebnisse: Eigenständig eine Kutsche zu lenken und ein Pferd zu dirigieren, das zwar "nur" so groß ist wie der Lenker, aber bestimmt das Fünffache auf die Waage bringt - das schüttet kübelweise Glückshormone aus.

Zugegeben: Die Erfolge liegen weniger an den Pferdeflüsterer-Fähigkeiten als daran, dass die Tinker Cobs - Irlands älteste Pferderasse - eben keine Experten-Behandlung erfordern, sondern auch auf Anfänger gut reagieren. Zumindest jene, die im Dienst von Zigeunerwagen-Anbietern stehen. So wie Fergus, der fremde Menschen ebenso erträgt wie schwere Lasten. In seinem Arbeitsleben vor dem Pferdewagenjob schuftete er nämlich als Forstarbeiter.

Sean Nestor, der Chef des Pferdewagenunternehmens, weiß um Fergus' Kräfte: "Jahrelang wurden ihm tonnenschwere Bäume aufgelastet. Nach einem Klaps trabte er dann allein mit dem dicken Holzstamm kilometerlang durch den Forst. Dann wurde er entladen, und nach einem neuerlichen Klaps marschierte er wieder zurück. Den lieben langen Tag." So gesehen sind die 800 Kilo des Planwagens - selbst bei vierköpfiger Vollbesetzung - fast lächerlich. Aus der Fassung bringen kann so einen Kaltblüter wenig. Selbst als einmal ein Laster gewagt überholt, hält das Tier Kurs.

Nur wenn es ums Einfangen auf der Koppel geht, ist es mit der stoischen Ruhe dahin. Fergus und die anderen Pferde machen sich einen Spaß daraus, den Fängern wiehernd zu entwischen. Einmal im Geschirr, stehen die Zeichen dann aber sofort auf Kooperation, wenn verschiedenste Riemen, Gurte und Schnallen angelegt werden müssen. Begleitet von Streicheleinheiten, Schulterklopfen und Abbürsten werden die beiden eisernen Stangen des hölzernen Wagens am Pferdegeschirr eingehängt. Thomas, unser "Coach", demonstriert das am ersten Abend ohne Tier und springt auch die Tage danach kräftig zur Seite. Mit seinem Jeep braust er stets zum Ausgangsort, so wie er mittags am Etappenziel bereitsteht, um beim Einparken und Absatteln behilflich zu sein.

Während des Fahrens sind die Planwagenfahrer auf sich allein gestellt. Na ja, nicht ganz: Zum einen besteht der Treck auch noch aus zwei weiteren, allmorgendlich im Viertelstundentakt startenden Planwagen. Und zum anderen gibt es die Gastgeber, auf deren Wiesen und Höfen übernachtet wird.

Anna Staunton am wunderschönen Lough Carra etwa lädt trotz Pferdegeruch und Matschschuhen gleich die gesamte Mannschaft in ihr Wohnzimmer und serviert Kekse, selbst gemachte Marmelade und Kaffee. Auch Kevin und Marie Hughes' fünf Kinder sind voller Tatendrang, sobald sie Hufgeklapper hören. Sie nehmen die Hobbykutscher in Empfang, helfen beim Abschirren der Pferde, beim Wasserholen und weisen den Weg zum großen Trampolin sowie zu den kleinen Fahrrädern, die von jedem Gast benutzt werden dürfen, der sich nicht zu schade ist, auf ein kleines rosafarbenes Damenrad zu steigen.

Diese Hilfsbereitschaft mag auch daran liegen, dass in Carrownacon sonst recht wenig los ist. Ein halbes Dutzend Häuser, eine Kirche, der vermutlich kleinste Einkaufsladen Irlands und zwei(!) Pubs - das war's. Überraschend viel Abwechslung genießen die Reisenden. Nachmittag und Abend stehen stets "zur freien Verfügung". Sean hat recht, wenn er sagt: "Wir haben die ruhigsten Strecken durch das sehr ruhige County zusammengestellt und dabei auch noch auf nette Aktivitäten am Wegesrand geachtet."

Damit meint er etwa Ballintubber Abbey, eine der bedeutendsten historischen Stätten des christlichen Irland, und eine Ruderbootpartie auf dem Lough Carra. Schön ist auch der letzte Schlafplatz, ein aufgegebener Hof im Moor, wo die Teilnehmer unter sich und nah am Lagerfeuer sind. Das dient nicht nur dem Trocknen der Kleider, sondern vor allem der Cowboyatmosphäre. Der Griff zu Whiskey und Gitarre ist da die logische Konsequenz.

Lagerfeuer, Gitarre, Pferde. Dazu neun Quadratmeter für vier Personen, ausklappbare Holzbetten, die sich bei jedem Ausziehversuch verklemmen, und außer dem Gasherd keine Wärmequelle: Das klingt nicht nur nach Abenteuer, das ist Abenteuer. Mit Komfort hat das wenig bis nichts zu tun, dafür mit dem Gefühl von Freiheit und Natur.

Sozialverträglich ist so eine Reise ohnehin. Ist es sonst oft ein Balanceakt, die Wünsche der Großen sowie einer Vier- und einer vorpubertären Elfjährigen unter einen Hut zu bekommen, herrscht diesmal Einigkeit. Hier findet jeder seine Nische. Aktiv: am Kutschbock. Passiv: im Inneren des Wagens, der auch während der Fahrt zum Schlafen, Lesen oder Kartenspielen am Tisch genutzt werden kann. Und die echte Nische am Ende des Wagens, auf der man sich prima hinsetzen (und ein Nickerchen machen) kann.

Wer Ansprache sucht, der findet sie fast immer bei den Pferden. Oder bei den anderen Mitfahrern, mit denen es rasch zu einer eingeschworenen Gemeinschaft kommt. Erlebnisse des Tages werden aufgearbeitet, vom plötzlichen Lostraben am Hang bis zum ungewollten Irrweg. Wie prophezeite Thomas doch am ersten Abend? "Entweder du liebst diese Art zu reisen oder du hasst es." Wir lieben es.