In Südfrankreich besaß Pablo Picasso fünf unterschiedliche Häuser, heute sind sie alle in Privatbesitz. Eine Reise auf den Spuren des genialen Malers

Es ist still geworden in den Gassen von Vauvenargues. Leicht, einen Tisch im Restaurant zu bekommen. Einfach, in der Nähe zu parken.

Im vergangenen Sommer war das anders, denn da war das 400-Seelen-Dorf mit dem mittelalterlichen Schloss zu Füßen des Montagne St. Victoire in der Provence Pilgerziel: Sie kamen aus aller Welt, um einem nahe zu sein, der dort vor einem halben Jahrhundert gelebt, in den Mauern gearbeitet, eine Vielzahl von Spuren hinterlassen hatte und schließlich 1973 im Park des Schlosses unter einer gewaltigen Bronzeskulptur bestattet wurde. Sein Name: Pablo Picasso - der zweifellos größte Künstler mindestens seiner Zeit.

Seine Stieftochter Catherine Hutin, Erbin des Schlosses, hatte es unter zahlreichen Auflagen und zeitlich begrenzt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht: das Atelier mit Farbflecken auf dem Fußboden und den von Picasso bemalten Stühlen, das schlichte Bad mit seinem Wandgemälde, sogar sein Schlafzimmer. Vauvenargues war im Ausnahmezustand. Jetzt aber ist die Stille zurück, die Picasso gesucht, nun hat der Ort wieder den Charme, der dem Maler damals so gefallen hatte - obwohl das Schloss diesen Sommer erneut öffnet: diesmal kurzfristig und ganz ohne großen Werberummel. Wer jetzt auf Künstler-Spuren reist, kann sich ihm näher fühlen als diejenigen im Rummel-Sommer vor einem Jahr.

Fünf Häuser hat Picasso in den letzten 25 Jahren seines Lebens in Südfrankreich besessen, einige parallel, andere nacheinander als Wohn- oder Ateliersitz genutzt - alle sind erhalten, keines ist Museum. Nur das Schloss ist weithin bekannt, die vier anderen sind Geheimtipps abseits des großen Tourismus. Denn selbst die offizielle "Picasso-Route" des Fremdenverkehrsamtes lässt aus, was heute Privatleuten gehört: Picassos Atelier du Fournas und seine Villa Galloise in Vallauris, den herrschaftlichen Wohnsitz Villa La Californie in der Avenue Costebelle in Cannes, wo er wie ein Hollywood-Star residierte und Gäste von Brigitte Bardot bis Gary Cooper empfing. Und das Anwesen Notre-Dame de Vie bei Mougins.

Der Maler und Bildhauer aus Spanien fuhr nicht nur ein halbes Leben lang gern zum Bummeln nach St. Tropez, zum Baden ans Cap d'Antibes und den Strand von Cannes. Mehr noch - er hat entlang der Cote d'Azur Spuren hinterlassen wie kein anderer Künstler vor und keiner nach ihm. Das will etwas heißen, denn es waren viele da. Der Holländer Vincent van Gogh schlug seine Zelte in Arles auf. Marc Chagall verbrachte fast zwei Jahrzehnte in St. Paul de Vence, Henri Matisse sein Leben in Nizza.

Picassos Leben hatte alles, was ihn zum Helden der Medienwelt bereits der 1950er- und 60er-Jahre machte: Kunst und Skandal, Erotik und Affäre, Liebe und Hass, Geld und Glamour. Und die Cote d'Azur! Sie war seine sonnenbestrahlte Bühne.

Für viele Zeitzeugen war er seitdem nie wirklich fort. Zu stark war der Eindruck, als dass einer wie er verschwinden könnte. Sie erzählen noch heute stets im Präsens von ihm als wartete er an der nächsten Straßenecke.

Und so gehen auch dem längst weißhaarigen Albert Dalmasso aus dem Töpferdorf Vallauris Picassos Augen nicht mehr aus dem Sinn. Er sieht sie, wann immer er seine schließt. Dann tauchen sie aus dem Gedächtnis wieder auf, diese dunklen, fast schwarzen Augen mit dem bohrenden Blick - und Dalmasso denkt an seinen berühmten Ateliernachbarn in der Rue du Fournas von einst. "Sie lesen dich", sagt er und nestelt dabei nervös mit den Fingern der rechten Hand an der Knopfleiste seines Jeanshemds herum. "Sie sehen, was du gleich sagen willst. Diese Augen blicken dir in deine Gedanken." Unheimlich sei das. Und magisch! Und schön: "Etwas, wovon man kaum mehr loskommt." 19 war Albert Dalmasso damals, hatte direkt neben Picasso sein erstes Atelier bezogen, am Beginn der Laufbahn als Kunsttöpfer. Die Straße vor der Haustür ist inzwischen umbenannt. Sie heißt jetzt Rue Pablo Picasso.

Ein paar Jahre lang war Picassos Atelier du Fournas eine Pension - und jeder konnte wohnen, wo einst Picasso arbeitete. Inzwischen ist das Haus umgebaut, in Eigentumswohnungen zerlegt, ohne dass äußerlich allzu viel verändert wurde. Ein Blick übers Tor in Picassos einstiges "Reich" ist noch immer möglich.

Auch die Villa Galloise, Zuhause der Familie von 1948 an, ein paar Straßen weiter hat sich kaum verändert und sieht von außen noch heute so aus wie auf den alten Fotos, als die Kinder Claude und Paloma im Garten spielten und Boxer Yan die Toreinfahrt bewachte.

1955 zog es den Nomaden Picasso weiter: weg aus Vallauris, mitten hinein ins mondäne Cannes, in die gewaltige Jahrhundertwende-Villa La Californie mit über vier Meter hohen Decken und herrschaftlicher Freitreppe. Vor allem während des Film-Festivals von Cannes standen fortan regelmäßig die Kino-Größen Schlange für eine Audienz. Wenn Picasso mit Gästen essen ging, ins "Chez Marcel" in Golfe-Juan, das "Chez Roger" in Antibes oder das heute noch geöffnete "Felix" in Cannes, zahlte er manchmal, indem er eine Serviette mit einer Zeichnung versah und signierte: kein schlechtes Geschäft für den Wirt.

Die Villa La Californie in der Avenue Costebelle 18-20 heißt heute "Pavillion de Fleur". Picassos Enkelin Marina hat das Haus geerbt - und nebenbei die Vorfahrt so akkurat herrichten lassen, als wäre jedes Kieselsteinchen von Hand gesetzt. Zu Zeiten ihres Großvater war drinnen wie draußen alles unordentlich. "Aber in Wirklichkeit", weiß Picassos Wegbegleiter Dominique Sassi, "war es seine Ordnung, deren System niemand anders durchschaute."

Als ihm in Cannes der Meerblick verbaut werden sollte, kaufte der Künstler das Schloss Vauvenargues bei Aix-en-Provence und zog mit seiner neuen Ehefrau Jacqueline dorthin. Es sollte ein Intermezzo bleiben, denn schon 1961 erstand Picasso das provençalische Herrenhaus Mas de Notre-Dame de Vie bei Mougins - wieder näher an der Küste und ihrem besonderen Licht. Das Gebäude schmiegt sich unterhalb einer aufgegebenen Kapelle an den Hang außerhalb von Mougins, der nur durch den schmalen Chemin de la Chapelle erschlossen ist.

Aus den Kieswegen des Parks spross noch bis vor Kurzem Unkraut. Inzwischen ist das Anwesen verkauft. Arbeiter fällten Zypressen, beschnitten Olivenbäume - und verschafften der Außenwelt Einblick in ein riesiges Grundstück, das seit dem 8. April 1973, Picassos Todestag, immer verwunschener wurde. Der neue Eigentümer hat den großen Park wieder herrichten und das Haus umbauen lassen. "Sie renovieren Picasso heraus", sagt eine Nachbarin nicht ohne gewisses Entsetzen in der Stimme. Sie hatten sich alle an den stillen Nachbarn gewöhnt, der vor langer Zeit abgereist schien und für dessen Rückkehr stets alles bereitet war.

In Mougins, wo es wie in Südfrankreich üblich ist, den Häusern eigene Namen zu geben, hat der neue Besitzer derweil entschieden: "L'Antre de Minotaure" - "Die Höhle des Minotaurus" soll das ehemalige Picasso-Anwesen fortan heißen. So hieß es vor über 35 Jahren schon mal. Der Hausherr damals: Pablo Picasso.

Provence - Die Parfümstadt Grasse

Quelle: de.sevenload.com