Für Erwachsene ist Stockholm eine großartige schwedische Metropole. Kinder entdecken hier Nils Holgersson, das Vasa-Museum, Budenspaß sowie einen Zoo mit Elch und Rentier

Fluch der Karibik", ruft Hannes, 11, als wir die Eingangstür passieren. Vor uns ragt das Heck eines Schiffs auf, eine steile Wand aus dunklem, verwittertem Holz. "An die Kanonen, Jack Sparrows!", skandiert Piet, 8, der sich mit Kinofilmen offenbar besser auskennt, als mir lieb ist. In der Schlange am Einlass hatten sie noch gefragt, ob sich die Warterei auch lohnen würde. Jetzt schlüpfen die beiden begeistert in ihre Piratenrollen und entern das Museum, in dem die "Vasa", ein Kriegsschiff aus dem 17. Jahrhundert, vor Anker ging.

"Ich weiß nicht, wie sie bei den Menschen heißt. Wir Graugänse nennen sie die schwimmende Stadt", heißt es bei "Nils Holgersson". Seit ich den Jungs aus Selma Lagerlöfs Kinderbuch vorgelesen hatte, wollte ich mit ihnen nach Stockholm reisen, dieser Stadt, die aus 14 Inseln besteht, in der man Lachse angeln, mit dem Kanu zum Sightseeing paddeln, mitten in der City Baden gehen und mit dem Boot zu den Schären aufbrechen kann. Allerdings ist Stockholm nicht nur eine grüne Großstadt mit vielen Freizeitmöglichkeiten, sondern auch eine kulturell spannende Metropole. Folglich überließen wir das Lachseangeln den Männern, die ihre Ruten in die Strömung am Königlichen Schloss hielten, und fuhren mit der Fähre statt zu den entlegenen Schären quer durch die Stadt. Sich ihr vom Wasser aus zu nähern ist nämlich die schönste Art des Sightseeings.

Erst mal hatte der Nieselregen anders für uns entschieden: Museumswetter mitten im Sommer! Wie sich herausstellen sollte, sind schlechte Aussichten in einer Stadt mit 74 Museen eine gute Nachricht. Das Vasa-Museum zählt nach Ansicht meiner Kinder jedenfalls zu den Highlights eines Stockholmtrips.

Die "Vasa" war 1628 bei ihrer Jungfernfahrt gesunken und hatte 333 Jahre auf dem Grund der Ostsee (von wegen Karibik, ihr Süßen!) gelegen, bevor sie geborgen und aufwendig restauriert wurde. Nun steht sie in einem modernen Bau, der an einen Dreimaster erinnert und das 69 Meter lange Schiff umschließt. Auf der oberen Galerie, Aug in Aug mit dem 20 Meter hohen Bug, schwingt sich Piet in das Modell eines Ausgucks und spielt Sturm, bis er Hannes im Nachbau des Kanonendecks sieht und ihm beim Schiffeversenken assistiert. Schaukästen mit Skeletten aus dem Wrack befeuern die Piratenstimmung, und eine forensische 3D-Simulation, die einen Totenschädel in ein menschliches Antlitz verwandelt, stachelt ihren Forscherdrang an. Schließlich erobern sie einen der Computer, an denen man - auch auf Deutsch - herausfindet, was Ballast und Krängung bedeuten, wie man ein Schiff stabil belädt und trotzdem ordentlich Knoten macht und - warum die "Vasa" sinken musste.

Moderne Medien sind in Stockholms Museen so selbstverständlich wie Kreditkarten beim Einkauf. Man kommt ohne eine Krone aus, selbst an den Bushaltestellen stehen Kartenautomaten. Und die Museumsrestaurants sind keine verkappten Pommesbuden, sondern wegen ihrer frischen und preiswerten Gerichte sogar empfehlenswert. Im "Kulturhuset" zum Beispiel, einer Art Centre Pompidou mit Gratis-Ausstellungen, Kinderbetreuung, Bibliothek, Comicsammlung und Dachterrasse, isst man für sechs bis elf Euro inklusive Salatbüffet, Getränk und Kaffee. Kinder zahlen die Hälfte. Einiges ist für sie gar kostenlos. Der "Arlanda-Express" zum Beispiel: Bis zu vier Kinder fahren in dem Schnellzug, der den Flughafen mit der City verbindet, auf dem Ticket eines Erwachsenen mit. Und bei der "Stockholm Card", mit der man öffentliche Verkehrsmittel, einige Fähren sowie 80 Museen und Einrichtungen nutzen kann, sind zwei Minderjährige inklusive.

Meinen biete ich am zweiten Tag bei grauem Himmel ein Tauschgeschäft an: Ihr kommt mit mir ins "Moderna Museet" mit seiner Sammlung Zeitgenössischer Kunst, dafür gehe ich mit euch ins Technische Museum. Tatsächlich haben meine Söhne an den Warhols, Dalís und Rauschenbergs mehr Freude als erwartet, und ich kann mich wie ein Kind für diese gelungene Mischung aus Industrie- und Science-Museum begeistern, wo Dampfmaschinen neben Oldtimern und Flugzeugen stehen und kluge interaktive Experimente mit einer Weltraum-Abteilung konkurrieren, in der man im "Space Ball", einer Art Drehscheibe, die Schwerelosigkeit nachempfinden kann.

Am dritten Tag scheint die Sonne. Djurgården-Wetter! Die große Naherholungsinsel im Herzen der Stadt ist perfekt für Familien. Junibacken, das Kindermuseum mit dem Märchenzug, der durch Astrid Lindgrens Geschichten fährt, lassen wir allerdings links liegen. "Dafür sind wir eh schon zu groß", meinen meine beiden Freibeuter, während ich sie am "Sjöcafé" an der Djurgårdenbrücke samt Kanu ins Wasser schiebe. Eigentlich wollte ich Richtung Gamla Stan, der Altstadt-Insel, paddeln, dann traue ich mich doch nicht, mit zwei Leichtmatrosen den Fährverkehr zu kreuzen, und so gleiten wir an den ruhigen Ufern Djurgårdens entlang, begegnen Schwänen und Ruderbooten. "Wie auf der Alster", meint Hannes, und Piet stimmt ein: "Stimmt, Stockholm ist wie Hamburg, schön grün und mit ganz viel Wasser."

Nur dass bei uns im Zoo keine Rentiere rumstehen, denke ich. Im Tierpark von Skansen, dem ältesten Freilichtmuseum der Welt mit seinen historischen Gebäuden, darunter auch eine Samenkote, und den traditionellen Werkstätten, in denen wir Glasbläsern und Sattlern bei der Arbeit zuschauen, werden wir welche sehen. Elche auch. Und Luchse, Wölfe, Füchse, Vielfraße und Braunbären.

Doch das aufregendste Tier ist ohne Frage die Wilde Maus - die Achterbahn in "Gröna Lund", dem Tivoli direkt am Wasser. Während Hannes und Piet durch die Steilkurven sausen, blicke ich rüber nach Södermalm, Stockholms größter und angesagtester Insel, wo es von unserer Jugendherberge nur wenige Schritte sind bis zum glasklaren Malärsee ist. Und da fällt mir ein, dass wir noch gar nicht schwimmen waren in dieser schwimmenden Stadt.

Das machen wir beim nächsten Mal, versprochen! Aber nur, wenn ihr mit mir durch die Designerläden rund um den Sergelstorg bummelt und das Schloss anschaut, in dem unsere Silvia regiert und ihre schöne Tochter jüngst geheiratet hat. Schließlich wäre ich lieber Prinzessin als Piratenbraut, ihr Draufgänger, und habe "Fluch der Karibik" nur wegen Johnny Depp geschaut.