Für die geheimsten Suiten des Mittleren Ostens im Luxushotel “Emirates Palace“ in Abu Dhabi gelten ganz eigene Gesetze

Neulich waren sie ganz plötzlich da, standen unangemeldet vor der Tür. Der Pförtner salutierte eilig und öffnete die Schranke. Und auf der von Arkaden getragenen Rampe fuhr die Maybach-Limousine bis in den fünften Stock und dort direkt durch eine Flügeltür ins Gebäude hinein: arabische Prinzen aus der kuwaitischen Herrscherfamilie auf Besuch in Abu Dhabi. Die Wagen parkten sie auf dem roten Teppich und fuhren mit dem für die anderen Hotelgäste unzugänglichen Privat-Fahrstuhl direkt in ihre Suite im achten Stock des "Emirates Palace".

Das gewaltige Luxushotel, das es auf eine Fassadenlänge von 1,4 Kilometer bringt gehört der Herrscherfamilie von Abu Dhabi und umfasst neben 302 Zimmern, 60 Suiten und derzeit zehn Restaurants auch sechs Suiten, die in der offiziellen Zimmer-Zählung nicht auftauchen, nicht vermietet werden und über die seit der Eröffnung des rund drei Milliarden Euro teuren Prunk-Hotelbaus noch immer ein Mantel des Geheimnisses gebreitet ist.

Diese jeweils 680 Quadratmeter großen und weitestgehend identischen Zimmerfluchten sind so etwas wie ein Geschenk der Herrscherfamilie von Abu Dhabi an die Regenten der im Golf-Kooperationsrat zusammengeschlossenen Nachbarn: an die Vereinigten Arabischen Emirate selber, an Saudi-Arabien, Oman, Qatar, Bahrain und Kuwait. Die sogenannten "Ruler Suites" werden nicht vermietet - auch nicht wenn die Nachfrage noch so groß und das Haus ausgebucht sein sollte. Für kein Geld der Welt. Sie werden von Herren in dunklen Anzügen und mit Knopf im Ohr bewacht, die auf den zum Atrium hin offenen Fluren des achten Stocks Patrouille gehen. Auf manchen Urlauberfotos sind diese Männer als vage Kontur an der Brüstung zu sehen - denn besonders beliebt ist es, im Lobby-Bereich des überdachten Atriums zu knien und an blattgoldbelegten Säulen vorbei in die gewaltige 42-Meter-Kuppel hinauf zu fotografieren.

Die Suiten dort sind so etwas wie Zwitter aus Hotelzimmer und möblierter Eigentumswohnung: Jedem der Herrscher ist eine der weitläufigen Zimmerfluchten mit gut sechs Metern Deckenhöhe zugeordnet. Sie allein bestimmen, wer hier nächtigen darf.

Und weil Herrscher oft nach Lust und Laune entscheiden, kann es sein, dass plötzlich eine Limousine über die Rampe in den Flur fährt: ohne Voranmeldung - wie kürzlich bei den kuwaitischen Prinzen. Oder dass das Hotel erst kurz nach der Landung des Privatjets erfährt, dass keine halbe Stunde später ein Gast in der Herrschersuite zum Beispiel des Oman absteigen werde. "Wir sind darauf eingestellt", heißt es bei Kempinski, dem Betreiber des "Emirates Palace": "Die Herrschersuiten sind jederzeit bezugsbereit." Sie waren es auch, als George W. Bush vorfuhr und mit besonderer Zustimmung der Saudis in ihrer Suite abstieg. Diskret hatte der Secret Service zuvor das Gebäude inspiziert - und war dankbar über die Möglichkeit der Rampenzufahrt, übers Aussteigen im Gebäude, die ohnehin vorhandene Abriegelung des Stockwerks und darüber, dass der Hotelpalast rund um die Uhr über mehr als 1000 Überwachungskameras kontrolliert wird.

Kommt ein Gast für die Ruler-Suiten angefahren, stehen Pagen an der Einfahrt im 5. Stock Spalier. Und auf dem gut 20 Meter langen roten Teppich in der voll klimatisierten "Garage" mit viel Goldschmuck rollt der Wagen aus. Blumen-Bouquets warten auf Marmortischchen, und Tabletts voller süßer arabischer Pralinen stehen bereit - immer und für alle Fälle. Erst unmittelbar bevor die Limousine einbiegt, nimmt einer der Butler die Frischhaltefolie ab, unter der die Häppchen zu Pyramiden arrangiert sind.

Die meisten Ankömmlinge haben keinen Blick dafür, springen aus den Autos in den mit offener Tür wartenden Fahrstuhl und rauschen in die Suite drei Stockwerke höher. Dort ist das Bild ähnlich: Tabletts voller Pralinen, dazu Säfte, Berge von frischem Obst, außerdem Blumen-Deko.

Durch den Flur geht es in einen Sitzungssaal mit thronartigem Sessel an der Stirnseite und Sofas entlang der Wände - ein Raum für Empfänge. Daran schließt sich ein großzügig dimensionierter Wohnraum, dann das Haupt-Schlafzimmer in den Abmessungen eines Tennisplatzes, wenig Mobiliar auf schweren, weichen Teppichen. An der Stirnseite steht das große Bett des Herrschers - immer frisch gemacht, mit faltenfrei straff gezogener Tagesdecke.

Einen Speisesaal gibt es, ein zweites Schlafzimmer, ein Ankleidezimmer, ein großes Wohnzimmer, mehrere Toiletten, mehrere Bäder. Fast alles einschließlich der Tapeten, der Teppiche, der schweren Vorhänge ist in Goldtönen gehalten, manches in seidigem Blau oder in Silber, alles sehr nach arabischem Geschmack, nichts minimalistisch oder gar nach westlichen Vorstellungen modern. Lediglich der Speisesaal ist heller gestaltet: Die Herrschaften sollen sich wie zu Hause fühlen - wie in einem Palast.

Wenn die Suite auf dem "Verbotenen Flur" im achten Stock dann doch etwas mehr glänzt und womöglich das Zuhause des Ehrengastes überstrahlen sollte, dann ist das ein kleines bisschen auch Kamal Bhadur Tamanoi aus Nepal zu verdanken. Weil er den ganzen Tag mit genau der richtigen Handbewegung wienert, dieses besondere Kreisen im Gelenk perfekt beherrscht - erst fünf Minuten im Uhrzeigersinn, dann genauso lange in Gegenrichtung. Der Mann ist dafür eingestellt, sein Berufsleben lang nichts anderes zu tun als die 102 massiv goldenen Waschbecken des "Emirates Palace" zu polieren. Sandip Vishnu Chavan aus Indien und Lennard Liwanag Bael von den Philippinen haben ebenfalls Anteil. Die beiden verdienen ihr Brot damit, die Kristalle der 1002 gewaltigen Kronleuchter dieses luxuriösesten Hotels der Stadt zu wischen - davon 15 in jeder der sechs Herrscher-Suiten. Drei Monate brauchen sie und ihre 30 ebenso spezialisierten Kollegen dafür - außerdem viele Dutzend Seiden- und Mikrofasertücher und ein paar auf zehn Meter Höhe ausfahrbare Hebebühnen. Dann fängt der Spaß von vorne an.

Auf Unterschiede in Ausstattung und Gestaltung der einzelnen Ruler Suiten wurde bewusst verzichtet: Die Herrscher sollen einander ebenbürtig sein, keiner der arabischen Brüder hier in Abu Dhabi gegenüber dem anderen vorgezogen werden. Alle haben dieselben gold lackierten oder mit Blattgold belegten Prunkmöbel, dieselben Pralinen-Pyramiden, dieselben 61-Zoll-Plasmaschirme, dieselbe Elektronik, mit der sich Gardinen auf und zu bewegen und Lichter dimmen lassen.

Und alle müssen sie hinnehmen, dass im Sitzungssaal ihrer jeweiligen Suite, dem sogenannten Majilis, zwei Porträts über dem Thron hängen, auf dem sie Platz nehmen werden: das von Scheich Khalifa bin Zayed al-Nayan, dem Herrscher von Abu Dhabi. Und das seines noch immer hoch verehrten verstorbenen Vaters Scheich Zayed. Denn Khalifa ist der Gastgeber, er zahlt die Rechnung - für das Gebäude ebenso wie für den Aufenthalt. Offiziell gibt es dazu ebenso wie zur Auslastung vor Ort "keinen Kommentar". Hinter vorgehaltener Hand aber heißt es, die Herrscherfamilie komme dem Hotel gegenüber für den Unterhalt der Suiten auf.

Denn wo es um Image und um arabische Gastfreundschaft geht, sind Kosten-Nutzen-Rechnungen Makulatur - nichts als ein Schulterzucken für die, die sich die Welt kaufen könnten. Das "Emirates Palace" soll ein gold glänzendes Ausrufezeichen im Sand sein, ein Paukenschlag, ein Fanfarenstoß. "Hier sind wir, von jetzt an müsst ihr mit uns rechnen", soll das Haus mit 7000 Türen, 200 Springbrunnen, 140 Aufzügen und 200 000 Glühbirnen aussagen. Mehr nicht. Weniger auch nicht. Es ist die Botschaft an die Welt - und an die Herrscherfamilien der Umgebung.