Ein neuartiges Urlaubsprojekt mit Trauerbegleitern soll Hinterbliebenen über ihren Verlust hinweghelfen

Als Hanne-Lore Wozny im Oktober 2008 nach 44 Jahren Ehe ihren Mann Dieter verlor, glaubte sie, auch ihr eigenes Leben verloren zu haben. Ihre Antriebskraft, ihre Perspektiven, die Augen des Partners, durch die auch sie so vieles betrachtet hatte. Viel waren der damalige Fluglotse und die Sachbearbeiterin an der Kölner Uniklinik gemeinsam gereist, bis nach Asien und in die USA.

Doch allein in den Urlaub zu fahren schien ihr jetzt ein Akt der Unmöglichkeit, in einem Hotel voller glücklicher Paare zu wohnen, eine unerträgliche Vorstellung. Als "wir" war sie bislang unterwegs gewesen, als "ich" fehlte ihr auf einmal das Selbstbewusstsein. Bis sie auf ein Angebot der Privaten Trauerakademie Fritz Roth in Bergisch Gladbach aufmerksam wurde.

"Eine Reise ins Leben - eine Reise für Trauernde, aber keine Trauerreise" lautet das ungewöhnliche Konzept. Leben - genau das war das Wunschziel der Witwe. Sie fand es wieder auf der Blumeninsel Madeira. Bei Gesprächsrunden mit zwei professionellen Trauerbegleitern, bei Besuchen von Märkten, bei Wanderungen, bei Essen in ländlichen Restaurants. Einen Baum haben sie alle gepflanzt, als Zeichen des Verlustes. Und ein Abschiedsritual am Strand gehalten. Um danach, wie Roth es ausdrückt, "das Leben wieder zu spüren, zu schmecken, zu riechen." Aus der Erstarrung zu erwachen.

"Der Tod eines geliebten Menschen ist für den Hinterbliebenen wie ein Beinbruch. Er benötigt Krücken. Eine professionell begleitete Reise kann eine solche Krücke sein. Wir setzen alles daran, einerseits Trauer zu verarbeiten, andererseits aber auch die Schönheit und Sinnlichkeit des Lebens in den Mittelpunkt zu rücken", sagt der Trauerexperte.

"800 000 Menschen sterben pro Jahr in Deutschland", rechnet Roth. "Trotzdem hat das Thema keine Lobby in der Öffentlichkeit." Die TUI hat jetzt den Mut, dieses Nischenprodukt als Gruppenreise in ihr Portfolio aufzunehmen.

Trauer verarbeiten mit einem Reiseveranstalter - eigentlich eine absurde Idee. "Ein ungewöhnliches Thema auch für uns", bestätigt Carsten Cossmann, Leiter TUI Gruppen- und Sonderreisen. "Wir sind mittlerweile selbst überrascht von dem großen Zuspruch der Reisebüros." Bis zum Frühjahr 2011 werden sechs Ziele zu 15 Terminen angeboten: Madeira, Kreta, Mallorca, Teneriffa, die Algarve und die Mecklenburgische Seenplatte. "Kein Ziel liegt weiter als vier Flugstunden entfernt", so Cossmann. "Neben den Trauerbegleitern werden die Gäste auch von der TUI Reiseleitung betreut. Unsere handverlesenen Hotels mit maximal 150 Zimmern bieten mit ihrer familiären Atmosphäre ein geeignetes Umfeld, in dem sich die Teilnehmer behutsam und konstruktiv mit dem Trauerprozess auseinandersetzen können."

Als Geschäft mit der Trauer sieht Carsten Cossmann diese Spezialprogramme nicht: "Wir machen keinerlei Werbung dafür. Das Projekt ist jetzt auf drei Jahre angelegt. Wenn wir dann insgesamt tausend Teilnehmer haben, sind wir sehr zufrieden."

"Die TUI als Reiseveranstalter liefert für das Programm die Hardware, wir als Trauerakademie die Software", ergänzt Fritz Roth.

"Zusammen sind wir für Menschen da, die sich auf den Weg gemacht haben, das Leben wieder leise zu lernen. Durch Trauerpower." Mindestens zwölf, maximal 18 Teilnehmer pro Reise machen sich auf den Weg. Und mindestens sechs Monate sollten zwischen dem Verlust und der Reise liegen.

Für Hanne-Lore Wozny war die Reise nach Madeira wie ein Befreiungsschlag. "Ich habe sogar öfter wieder herzlich gelacht", berichtet sie fast erstaunt. Einige der Teilnehmer haben danach ein Netzwerk gegründet. Sie treffen sich, unternehmen etwas und planen sogar weitere Reisen. "Mir wurde der Blick wieder geöffnet für die Schönheiten des Lebens", sagt die Kölnerin. "Für gutes Essen, das ich zu Hause vernachlässigt hatte, für schöne Landschaften, für Gemeinsamkeit. Ich habe gemerkt, dass ich mit meinem Schmerz nicht allein dastehe. Wenn jetzt die Tränen fließen, lasse ich es geduldig geschehen, weil ich weiß, dass es morgen auch wieder vorbei ist." Sie hat gelernt, die Zeit sinnvoll zu füllen. Durch die Reise inspiriert besucht sie zu Hause eine Schreibwerkstatt. Und formuliert wunderbare Sätze wie: "Solange ich meinen Mann liebe, so lange werde ich auch um ihn trauern. Denn solange ich trauere, liebe ich ihn." Hanne-Lore Wozny weiß, sie ist wieder zurück im Leben.

Reisebeispiele: Eine Woche mit Halbpension im Landhotel "Ca'n Bonico" auf Mallorca ab 2025 Euro. Eine Woche im "Iberotel Fleesensee" in Mecklenburg mit Halbpension ab 1284 Euro. Beide mit Trauerbegleitern und Reiseleitung. Infos in Reisebüros mit TUI-Zeichen und unter www.reiseinsleben.de