Das Land ist wunderschön und voller Historie, seine Bewohner gastfreundlich und hilfsbereit. Doch die Hotels stehen leer - das wird sich in naher Zukunft auch nicht ändern

Hier in der Wüste liegt hinter Abschussrampen für Luftabwehrraketen und Stacheldraht das bestgehütete Geheimnis des Irans versteckt - und gleichzeitig der Teil des Landes, den die Welt am besten kennt. Im weißen Kittel und mit Schutzbrille läuft Präsident Mahmud Ahmadinedschad hier an atomaren Brennstäben vorbei. Diese Fernsehbilder gehen jedes Mal um die Welt, wenn das Regime einen weiteren Schritt zu Atomkraftwerken demonstrieren will. Und zur Atombombe, wie die Vereinten Nationen befürchten.

Einer der verruchtesten Orte der Welt, doch diese Reise soll nach der anderen Seite des Irans suchen. Ich bin in Isfahan, der Hauptstadt des iranischen Atomprogramms - und der prächtigsten Stadt des alten Persien, die bis heute für Besucher einer der faszinierendsten Orte des Orients geblieben ist. Keine 20 Kilometer südlich des geheimen Forschungsreaktors fährt das Taxi in verwinkelte Gassen, das Licht der Straßenbeleuchtung kommt hier schon lange nicht mehr an. Den Weg kennt der Taxifahrer offensichtlich nicht.

Ich bin auf der Suche nach Majid, ehemaliger Boxer, zwei Nasenbrüche, ein Berg von Mann, mit einem Schlag kann er dich niederstrecken. Auf einmal stoppt das Taxi, wir sind falsch. Was ist los? Als Journalist musst du vorsichtig sein. Bloß keine falsche Bewegung. Doch als Tourist wirst du hier geliebt.

Für alle Besucher, die sich an die strengen Kleidervorschriften halten, ihre Hüfte verdecken, ein Kopftuch über ihre Haare streifen und - Männer wie Frauen - ihre Beine bedeckt halten, für die ist der Iran eine der angenehmsten Ecken des Nahen Osten. Die Menschen sind freundlich zu Gästen, das in Joghurt eingelegte Hammelfleisch ist köstlich, die Getränkedosen und Plastikverpackungen werden von den Straßen gekehrt, und Autofahrer drücken nur selten auf ihre Hupe.

Isfahan ist weltweit berüchtigt für seine Atom-Forschungsanlage - das vergiftet den Ruf einer Stadt. Isfahan hat auch unschuldige Seiten: Der Imam-Platz erstreckt sich einen halben Kilometer lang durch die Innenstadt. Laut plätschert ein pompöser Springbrunnen in der Mitte, Kinder spielen entlang der Gärten, die den Platz umrunden. Auf den Basaren im nördlichen Teil verkaufen Händler ihre süße Halwa, ihre Gewürze auf farbenprächtigen Haufen oder Kopftücher - in gedeckten Farben. Schah Abbas I. ließ sich hier einen Palast bauen, und heute würdigt die Unesco diesen größten Platz seiner Art als Weltkulturerbe.

In der Imam-Moschee, der königlichen Moschee an der südlichen Seite des Imam-Platzes, betet Mullah Yusuf. Mosaike überziehen jede Wand, sogar die 28 Meter breite Außenkuppel.

Mullah Yusuf ist 29 Jahre alt. Unter seinem weißen Turban steckt ein schlauer Kopf, er hat nicht nur den Islam studiert, sondern auch die anderen Weltreligionen. Yusuf ist der Touristen-Mullah von Isfahan. Er kümmert sich um Reisende, die meisten sind Pilger aus den Nachbarländern oder Iraner aus anderen Teilen des Landes, das so groß ist wie Zentral-Europa. Yusuf hilft, schwierige und pikante Fragen zu klären, die die Gläubigen in ihrer Moschee zu Hause nicht fragen wollen, familiäre Dinge, ob auch Verwandte heiraten können, oder wie eine Frau die Scheidung einleiten könnte. Dann schreibt Yusuf seine E-Mail-Adresse auf ein Stück Papier und bittet darum, Sorgen an ihn zu mailen. Europäer sprechen Mullah Yusuf fast nie an. Dabei mag er gerade diese Gespräche. Was denken sie über den Iran, will er dann wissen. "Habt keine Angst vor uns", ist seine Botschaft an alle, die den Iran meiden.

Yusuf und seine Mullah-Kollegen sind seit der islamischen Revolution vor gut 30 Jahren dafür verantwortlich, dass die religiösen Regeln der Scharia Eingang in die Gesetze des Irans gefunden haben, dass eine Flasche Wein im Reisegepäck eine Straftat ist, dass Frauen ständig ein Kopftuch tragen müssen. Weigern sie sich, droht eine Geldstrafe, beim zweiten Mal schon Gefängnis.

Auch Lucine, 25 Jahre alt, muss ihre langen braunen Haare unter einem Kopftuch verbergen, doch für sie ist das besonders schlimm. Lucine gehört zu einer Minderheit im Iran: den Christen. Sie ist Armenierin. Seit neun Monaten arbeitet Lucine ohne einen Tag Pause für ihre Gemeinde der Vank-Kathedrale. Die größte und wichtigste Kirche Isfahans schmückt sich mit den farbenprächtigsten Wandgemälden aus dem frühen 18. Jahrhundert, die viele Reisende je gesehen haben. Das Leben Jesu ist darauf zu sehen und in detaillierter Darstellung die grausame Folter, die Märtyrer erleiden mussten.

In den Jahren nach der islamischen Revolution entschieden sich Tausende iranische Christen, in die USA, nach Kanada und Westeuropa auszuwandern. Lucine und die anderen Armenier, die im Iran geblieben sind, konnten ein Privileg halten: Sie dürfen Rotwein für religiöse Zwecke nutzen - und für andere Gelegenheiten auch.

Stunden vor meiner nächtlichen Taxifahrt tummeln sich Hunderte junger Iraner in den üppig bewässerten Gärten, die sich an die Ufer des Zayandeh-Rud-Flusses schmiegen. Im Gras sitzen sie mit Laptops und Wasserpfeifen. Andere haben einen Grill aufgestellt, der Duft von Kebab und Apfel-Tabak steigt durch die Luft. Unter ihnen sitzen auch Majid und seine Frau auf einer bunten Picknick-Decke im Gras, mit Safran gekochter Reis und Hühnchenfleisch in Tupperdosen dazu: Die Iraner lieben das Picknick im Grünen mit dem, was sie zum Mittag gekocht haben. Majid sieht mir sofort an, dass ich Ausländer bin und spricht mich in perfektem Englisch an - nach seiner Boxer-Karriere ist er Englischlehrer geworden. Er lädt mich zu sich nach Hause ein. Am Abend ist das Ziel meiner Taxifahrt durch die dunklen Ecken Isfahans ein modernes Apartment, das 40-Quadratmeter-Wohnzimmer schmückt ein großer Plasma-Fernseher, auf dem beigefarbenen Perserteppich stehen drei rote Sofas, auf die Majid mächtig stolz ist. Süßes Gebäck, eine Wasserpfeife und schwarzer Tee mit Zitronenzucker finden wir in einer Bar nebenan. "Wenn du nach Hause kommst, erzähl deinen Freunden von unserem Abend", sagt Majid. Er weiß, wie verhasst der Iran in der Welt heute ist - und das kränkt seinen persischen Stolz.

Ein Stolz, den sich eine der ältesten Großmächte der Menschheit aus ihrer langen Geschichte herleitet. So stützen das Außenministerium in Teheran Säulen, die die Iraner aus Persepolis kopiert haben. Persepolis, 400 Kilometer von Isfahan entfernt, ist die Herrscherstadt, die König Darius im Jahre 500 vor Christus auf dem Höhepunkt seiner Macht gründete. Aus allen Teilen des persischen Weltreiches kamen die Arbeiter, aus Babylonien, Ägypten, aus Elam und Assyrien. Eine Terrasse, so groß wie 15 Fußballfelder, haben sie mit Palästen bebaut. Über zwei Millionen Iraner kamen allein dieses Jahr zum Frühlingsfest nach Persepolis. Auch an normalen Tagen steht der Parkplatz voller Busse, Autos - und Zelte!

Ein unglaubliches Bild. So wie hier, säumen bunte Camping-Zelte die Grünstreifen der Straßen und die Parks von Isfahan. Für 20 Euro gibt's das Zelt, die Polizei organisiert das bunte Treiben, Toiletten werden vorbereitet und manchmal sogar Marmorplatten, auf denen Iraner ihr Lager aufschlagen können. Und so liegen hier ganze Familien, und versteckt unter dem Deckmantel der knallroten Plastikplane - auch junge, unverheiratete Paare. In einem Hotel ist das verboten.

Ausländern hilft schon ein Ehering am Finger, und sie haben diese Probleme nicht. Reisende erleben vielmehr ein unfassbar gastfreundliches Gesicht des Irans. Eine Frau steht auf der belebten Madani-Straße Isfahans. Unter ihrem Tschador, dem Umhang, den religiöse Frauen tragen, lässt sich nicht erahnen, dass sie schwanger ist. Doch sie trägt ihre Ultraschall-Bilder in der Hand und zeigt sie stolz umher, jedem, der sie sehen will, mag er noch so fremd wirken.

So wie das Geheimnis dieser Frau, so öffnen sich die Herzen der Iraner für Fremde. Sie helfen beim Einkauf im Supermarkt, erklären, übersetzen, wollen sogar die Rechnung für Fremde begleichen. Am Flughafen fehlen einige iranische Rial, um mir noch einen Kaffee zu leisten, für einen Tee reicht es gerade. "Einen Kaffee, mit oder ohne Milch", fragt die Kellnerin, "Danke, einen Tee", antworte ich. "Kaffee, mit oder ohne Milch", wiederholt sie. Jetzt erst verstehe ich. Im Flughafen-Restaurant macht sie mir den Kaffee zum Gastgeschenk.

Im vergangenen Jahr kamen 1,5 Millionen Ausländer in den Iran - die meisten von ihnen Araber und Afghanen auf Pilgerreise, aus Deutschland kamen nur 5000.

"Dabei sind die Deutschen noch am mutigsten. Sie bleiben am längsten und kommen mit den größten Gruppen", sagt Masoud Abdollahi, seit 16 Jahren ist er Reiseleiter. Davor hat er Germanistik und Literatur studiert und als Friseur bei seinem Vater gearbeitet. Heute führt er deutsche Gruppen für den Reiseveranstalter Gebeco durchs Land.

Im April und Mai sowie im September und Oktober ist die beste Zeit, um den Iran zu bereisen. Teheran, Isfahan und Schiras liegen mehr als 1200 Meter über dem Meeresspiegel, die Luft ist warm und trocken. Dann läuft noch kein Schweiß unter den Kopftüchern und den Tschadors. Die Hotels sollten ausgebucht sein. Doch als die Iraner im Juni 2009 ihren Präsidenten wählten, fühlten sich Hunderttausende betrogen, weil Ahmadinedschad als klarer Gewinner hervorging. Auf den Straßen Teherans protestierten sie. "Wo ist meine Stimme?" stand auf ihren Transparenten. Bei den Unruhen verloren nach Angaben der Opposition 72 Menschen ihr Leben. In den Monaten danach verhängte das Regime zehn Todesstrafen gegen Oppositionelle, zwei starben bereits im Januar durch den Strang.

Video: Isfahan - Spiegel des Paradieses

Die Hotels stehen seitdem leer. 70 Prozent der Touristen haben ihre Reise storniert. Auch im kommenden Jahr wird die Tourismusindustrie im Land brach liegen.

Das alte Persien hat das Potenzial, zum Touristenmagneten zu werden, doch auf der Agenda der Regierung steht die Entwicklung des Tourismus weit unten. Auf Touristen ist dieses Land nicht angewiesen, die drittgrößten Ölreserven der Welt spülen Geld in die Kassen - und auch in die Taschen von Hassan. Er handelt auch mit deutschen Firmen. Am Abend steht er an der Pol-e-Khaju-Brücke, einer der beliebtesten Treffpunkte hier bei Nacht. Schah Abbas II. ließ sie um 1650 bauen. Zwei Stockwerke aus Steinbogen ziehen sich 150 Meter über den Zayandeh-Rud. Tausende Menschen sind gekommen, der Vollmond steht am Nachthimmel. Die Männer stehen unter den Steinbogen, und Hassan singt mit ihnen im Wechsel - Verse von Hafis und Sa'adi, den verehrten Dichtern Persiens:

"Die Kinder Adams sind aus einem Stoff gemacht / als Glieder eines Leibs von Gott, dem Herrn, erdacht / Sobald ein Leid geschieht nur einem dieser Glieder, / dann klingt sein Schmerz sogleich in ihnen allen wider. / Ein Mensch, den nicht die Not der Menschenbrüder rührt, / verdient nicht, dass er noch des Menschen Namen führt."

Diese Zeilen schrieb Sa'adi vor 800 Jahren. Die Iraner pilgern bis heute zu seinem Mausoleum, in jedem Haus und in vielen Gaststätten stehen seine Werke. Goethe würde neidisch werden, so verehren die Iraner ihre alten Dichter.

Endlich, nach einer langen halben Stunde Irrfahrt durch Isfahans dunkle Gassen, findet der Taxifahrer Majids Apartment.

Ich erwarte einen saftigen Aufpreis für die aufwendige Suche, stattdessen weigert sich der Fahrer, überhaupt Geld zu nehmen. Eine beschämende Situation für mich, noch beschämender für ihn, dass ich versuche, ihm meine Geldscheine aufzuzwingen.