Ein Verein bietet Theaterworkshops für Kinder in Ferienhotels - das Projekt kommt bei den Urlaubern gut an. Die Kinder sollen Spaß haben.

Julius ist ein Wiederholungstäter. Der 13 Jahre alte Schüler aus Berlin steht im großen Saal des Hotels Rosenhof im österreichischen Kleinwalsertal und verwandelt sich. Mal streckt der Junge mit dem wilden Haarschopf den Bauch nach vorn und gibt einen "schwangeren Mann". Dann sinkt er in sich zusammen und wird zu einem listigen Alten, der sich gegen die Respektlosigkeit eines Jungen zur Wehr setzt. Die Zuschauer, sieben Kinder im Alter von sechs bis 13, sind hingerissen. Dann sind sie selbst an der Reihe.

Vor einem Jahr hat Julius am Ende einer solchen Woche der Verwandlungen einen bösen Grafen gespielt. Auch diesmal wird er gemeinsam mit den anderen Kindern eine Woche lang proben und improvisieren. Am Ende wird die Truppe, die sich hier zum ersten Mal begegnet ist, gemeinsam ein Stück erfunden haben, das in einer "Welturaufführung" im Hotel gespielt wird. "Theater im Urlaub" heißt das Projekt, das die Berliner Schauspielerin Katharina Ingwersen, 34, gemeinsam mit zwei Freunden 2006 gegründet hat. Im Jahr zuvor hatte sie ein IT-Berater aus Bonn nach einer "Minna von Barnhelm"-Aufführung angesprochen. Seine zehnjährige Tochter würde so gern im gemeinsamen Urlaub einen Theaterkursus machen. Ob sie weiterhelfen könne?

Sie konnte nicht, fand die Idee aber so gut, dass sie sich mit dem Vater und einer Theaterpädagogin ein Konzept ausdachte und den Verein Theater im Urlaub gründete. Seither bietet dieser Kindertheaterworkshops in Hotels an.

Dabei wollen die Macher nicht den Förderstress, den viele Kinder im Alltag erleben, im Urlaub fortsetzen. Die Kinder können "zwanglos und spielerisch" sich selbst ausprobieren. Ohne Leistungsdruck, ohne viel Auswendiglernen. Und dennoch mit genügend Disziplin, um am Ende ein "echtes" kleines Theaterstück auf die Bühne zu bringen.

Wie diese Mischung möglich wird, zeigt sich, während die Sonne draußen das überwältigende Bergpanorama des Kleinwalsertals vergoldet. Die Kinder haben keinen Blick dafür; sie sind auf ihre Welt konzentriert. Unter Anleitung von Ingwersen und Schauspielkollegin Sylke Hannasky treten sie jeweils zu zweit auf die Bühne und verharren in "Standbildern", die sie sich ausgedacht haben. Händeklatschen, dann beginnen die Standbilder zu leben. Eine Gärtnerin streitet mit einem Erdmännchen, eine Mutter versucht, ihren Sohn zum Aufstehen zu bewegen, eine Ärztin hält einen Patienten davon ab, die Zimmerpflanze aufzuessen. Am Ende haben alle eine Improvisation hinbekommen.

Urlaub vom Ich - die Werbeplattitüde vieler Reiseunternehmer wird beim Theaterworkshop für die Kinder zum echten Erlebnis. Begeistert sind sie alle. Für ihre Idee haben die Theatermacher gerade den zweiten Preis im "GEO"-Reisewettbewerb in der Kategorie "Reisen mit Kindern" gewonnen.

Auf den Rosenhof sind sie über den Familienurlaubsveranstalter Vamos gekommen. Dort war man sofort angetan von dem Projekt. Es entspricht dem Konzept von Vamos, Familien im Urlaub die Möglichkeit zu bieten, sich gleichzeitig mit- und voneinander zu erholen. Für die Eltern sind die täglichen drei Probestunden im doppelten Sinn geschenkte Zeit. Der Workshop ist im Preis inbegriffen.

Das von Vater und Tochter betriebene Hotel Rosenhof, das über 51 Zimmer und Suiten in sechs verschiedenen Häusern verfügt, legt großen Wert auf eine familiäre Atmosphäre. Zu den vielen Stammgästen zählen nicht nur Familien, sondern auch wanderbegeisterte Paare und Hundebesitzer.

Julius ist mit seinen Großeltern schon das siebte Mal da. Tagsüber wandert er mit ihnen, nachmittags spielt er Theater. Schon nach drei Tagen sind die Theater-Kinder eine eingeschworene Gruppe. Manchmal sind sie schon am frühen Nachmittag im Probesaal verschwunden. Um "zu üben".

Das Ergebnis wird am letzten Tag vor allen Hotelgästen präsentiert. Als Premiere und Dernière in einem. Es gibt eine kleine Premierenparty mit Sekt für die Großen und Saft für die Kleinen. Der sechsjährige Vincent hat seine Antwort darauf, was Glück bedeutet: "Hier dabei sein zu dürfen."