Eigentlich wollte Björn Stender nur für ein halbes Jahr eine Auszeit nehmen und in der Schweiz leben. Nun sind schon sieben Jahre vergangen.

Graubünden. Der Raum duftet nach frisch gemahlenem Kaffee. Björn Stender wirft einen prüfenden Blick in die Tasse. Er nickt und stellt das dampfende Getränk auf den Tisch. "Ich habe kein Problem damit, einen Espresso auch mal wegzukippen, wenn er nicht gut geworden ist. Die Fließgeschwindigkeit, Temperatur und Cremabildung sind dabei das Entscheidende." Kaffee in bester Qualität - das schmecken auch seine Gäste.

Seit knapp fünf Jahren steht der Hamburger hinter der Theke der Cafébar im schweizerischen Flims. "Eigentlich bin ich ein Quereinsteiger. Ich hatte vorher nie etwas mit Gastronomie zu tun. Mein großer Wunsch war auch eher, eine Eisdiele aufzumachen. Aber wie man sieht, kam alles anders."

Dass es Björn Stender nach Flims im Kanton Graubünden verschlagen hat, verdankt er dem Zufall. Das erste Mal kam er mit Freunden hierher. Im Winter, nur für ein paar Tage, das Snowboard mit im Gepäck. Er fühlte sich wohl. Das Skigebiet, die Nähe zur Natur gefielen ihm - und die Mentalität der Menschen.

So gut, dass der Entschluss schnell feststand. "Ich wollte eine Auszeit nehmen. Mal raus aus dem Alltag, Hektik und Stress hinter mir lassen. Ein halbes Jahr, dachte ich, dann geht es zurück nach Hamburg."

Schnell fand er Arbeit: Ein Bauer brauchte für den Sommer Unterstützung auf seinem Hof. Die neue Herausforderung machte ihm Spaß, nur mit dem Schwyzerdütsch hatte er am Anfang seine Probleme.

Er verstand kein Wort, ließ sich aber nicht entmutigen und machte weiter. Nächste Station war eine Stelle als Aushilfe in einem Kinderbuchladen in Chur sowie zwei Winter in einem Snowboardladen - bis das Angebot für das Café in Flims kam, wo er nun den "besten Kaffee im Tal" serviert.

Unter seinem richtigen Namen kennt ihn in Flims jedoch fast niemand. Dort ist Björn Stender für alle nur "Herr Günni". Den Spitznamen erhielt der 41-Jährige durch Zufall. Als er sich mit Freunden ein Fußballspiel im Fernsehen anschaute, stellte die Gruppe eine Ähnlichkeit mit dem Moderator fest - und das war Günter Netzer. Als man dann noch an einem Platz in seiner Stammkneipe das Schild "Reserviert Günni" anbrachte, musste Björn Stender schließlich klein beigeben.

Sieben Jahre sind nun seit Herrn Günnis Entschluss vergangen. "Ich lebe gerne in Flims. Die Berge sind nur ein paar Schritte entfernt." In seiner freien Zeit ist er viel zu Fuß unterwegs. Er wandert, genießt dabei die Ruhe und Einsamkeit. "Ich habe mich gut eingelebt. Aber natürlich fehlen mir meine engen Freunde aus Hamburg. Auch wenn ich hier herzlich aufgenommen wurde und viele Bekanntschaften geschlossen habe, bleibt doch einiges nur an der Oberfläche. Aber ich denke, das ist normal als Zugezogener. Flims ist ein kleiner Ort, viele Anwohner sind hier aufgewachsen. Klar, dass tiefere Freundschaften Zeit brauchen."

Wird die Sehnsucht zu groß, packt Herr Günni seine Tasche, kommt zu Besuch in den hohen Norden und ist für eine gewisse Zeit wieder Björn Stender. Sein erster Weg führt ihn ins Millerntor-Stadion. Die Hansestadt wieder zu verlassen, ohne ein Spiel seines Lieblingsklubs gesehen zu haben, kommt nicht infrage.

Je länger er jedoch wieder das Heimatgefühl genießt, desto zerrissener wird er. "Eigentlich wollte ich immer auf dem Land leben. Doch ich vermisse tatsächlich die Großstadt. Durch den Abstand weiß ich die städtischen Vorzüge wieder zu schätzen."

Bis jetzt ist er aber jedes Mal von seinen Stippvisiten nach Flims zurückgekehrt. Wo Herr Günni in fünf Jahren ist? Das kann er momentan nicht sagen. "Ich bin offen gegenüber neuen Zielen." Er kann sich vorstellen, weiterzuziehen und an einem anderen Ort noch mal neu zu beginnen. Vielleicht klappt es ja eines Tages doch mit der Eisdiele.