Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, Land of the Free, die Nation mit der Freiheitsstatue als Symbol - der Ruf Amerikas als Hort ohne Beschränkungen für Körper und Geist ist legendär. Nur: Eingelöst wird er vor Ort nicht. Beim Urlaub in Florida stieß ich auf eine Vielzahl von Verboten, die selbst einen EU-Kommissar beeindrucken würden. Parken, Wohnen, Schwimmen, Essen, Fahren: Ganz Florida ist voller Warnschilder, Signalflaggen, Hinweistafeln.

Ganz Florida? Nein, im Zentrum des Bundesstaates, wenige Kilometer südlich von Orlando, treffe ich auf Tim. Tim ist Pilot und hat einen Doppeldecker. Und wenn er fliegen will, dann fliegt er. Seine Boeing Stearman steht auf einer Wiese vor den riesigen, bis zum Rand mit Flugoldtimern vollgestopften Hallen des "Fantasy of Flight"-Flugmuseums in Orlando. Wenn Tim also fliegen will, steigt er ein, wirft den Sternmotor an und hebt ab. Diesmal durfte ich mit, sitze kaum und bin schon in der Luft.

Als er auf 100 Metern sein erstes Manöver beginnt, erinnere ich mich an einen Privatflug in Hamburg. Mit einer Cessna 172 starteten wir vom Flughafen Uetersen zu einem Trip nach Wangerooge. Aber einfach einsteigen und losfliegen wie bei Tim war nicht: Flugplan erstellen, Flugkarten vorbereiten, Groundcheck, Anmeldungen per Funk. Anmeldung für das Losrollen, das Starten, das Steigen. Anmelden, wenn man in Lufträume hineinfliegt und hinaus. Eigentlich spricht man die ganze Zeit, statt den Blick auf die schönen Robbenbänke und Wattformationen zu genießen. Zwar stellte Deutschland einige der bekanntesten "Frei-Flieger" der Geschichte, den Schneider von Ulm, Mathias Rust und die DDR-Bürger, die einst per Ballon flohen. Zu spüren war aber an diesem wolkenlosen Tag nichts mehr davon. Und das, obwohl Rust auch mit einer Cessna 172 von Hamburg zum legendären Flug abhob.

Ich schrecke aus meiner Erinnerung auf, weil Tim seine Freiheit auslebt: Er legt die Stearman in die Kurve und zeigt, wie sich das tausendfach bewährte Trainingsflugzeug praktisch in der Luft stehend drehen kann. Dann darf ich den Steuerknüppel übernehmen. Jetzt könnte ich ins nahe Palm Beach fliegen oder in die Nachbarstadt, um mir einen Burger zu holen - wie einst Elvis das mit seinem Privatjet machte. Und weil es so schön ist, schaltet Tim noch die Rauchmaschine an, deren Drei-Gallonen-Flüssigkeitsbehälter zwischen meinen Beinen steht, und wir ziehen eine schöne Zigarrenwolke hinter uns her.

Auf 400 Meter Höhe träumen wir von Amerika: Wir könnten den Mann da unten auf dem Feldweg jagen, wie der Doppeldeckerpilot es mit Cary Grant in "Der unsichtbare Dritte" tat. Oder King Kong umkreisen, der sich an der Spitze des Schneewittchen-Schlosses im nahen Disneyworld festgekrallt hat. Ja, die Gedanken sind frei - zumindest 30 Minuten lang und für 229 Dollar.