Mit der “Star Clipper“ durch die British Virgin Islands - eine Kreuzfahrt ohne Menschenmassen in einem der schönsten Segelreviere der Welt.

Die Piraten wussten, was sie taten. Ganz gezielt suchten sie sich ihre Verstecke zwischen den 60 verstreuten Eilanden. Seeräuber wie Joost van Dyk oder Francis Drake gaben sich hier die Klinge in die Hand. Nicht ohne Grund. Durch die Passage zwischen den British Virgin Islands, kurz BVI genannt, fuhren die Handelsschiffe gen Heimat, vollgeladen mit Kolonialwaren. Nahe der Hauptinsel Tortola tappten sie dann in die Freibeuter-Fallen.

Ein besonders übler Bursche soll Blackbeard gewesen sein. Vor der Jungferninsel Norman Island teilte er nach einem Überfall seine Beute mit den Kaper-Kollegen. Dabei kam es zum Streit, und Blackbeard setzte 15 Mann aus. Aus diesem Zoff wurde der Stoff zu einem der größten Piratenromane der Geschichte: "Die Schatzinsel" von Robert Louis Stevenson. Und Norman Island, das soll jenes Treasure Island sein. Nun segeln wir mit der "Star Clipper" - in friedlicher Mission - genau dort entlang: im Sir Francis Drake Channel, wie dieser abenteuerliche Abschnitt heute heißt. Und auch der holländische Pirat Joost van Dyk bekam sein Denkmal: Die vielleicht schönste der Inseln trägt heute als Jost Van Dyke seinen Namen.

Unser Törn führt von Sint Maarten über Anguilla zunächst nach Virgin Gorda, der zweitgrößten Jungferninsel. Auf dem Weg zum Ankerplatz passieren wir die Privatinsel Necker Island. Besitzer, also quasi Necker-Mann, ist Milliardär Richard Branson. Der Gründer von Virgin Records hat also auch ein Virgin Island. Für uns 100 "Star Clipper"-Passagiere ist die Insel tabu, wir setzen stattdessen über nach Bitter End auf Virgin Gorda. In kürzester Zeit ist der Windjammer ausgebootet. Einer von vielen Gründen, die für dieses Schiff sprechen. Eine "Freedom of the Seas" würde sich einen Wolf tendern. Aber die kann zum Glück diese Gegend nicht befahren. Und auch nicht die anderen 3000-Passagiere-Pötte, die so manches Karibik-Archipel zum Kollabieren bringen. Mit Safari-Bussen erkunden wir das Eiland, auf dem selbst die Leitplanken karibisch gelb sind. Auf Serpentinen hat man im Straßenbau weitestgehend verzichtet - es geht einfach nur steil die Berge hinauf. Und wieder hinunter.

+++Drogen-Gerüchte um Costa-Kapitän+++

Ziel ist die Touristenattraktion Nummer eins: The Baths - ein Strand mit riesigen Felsformationen am Südzipfel von Virgin Gorda. Schön, aber längst kein Geheimtipp mehr: Es erscheint eine Armada organisierter Schnorchler. Mit Flossen an den Füßen und Brillen auf der Stirn stapfen sie am Strand entlang. Dieser Fluch der Karibik ist der Landausflug der "Norwegian Dawn", die gerade im Hafen von Roadtown auf Tortola liegt.

Dagegen ist die "Star Clipper" ein Kleinod. Hier in den British Virgin Islands hatten Eigner Michael Kraft und Ehefrau Ann gegen Ende der 80er-Jahre die Idee. Mit ihrer Yacht "Gloria" segelten sie durch die Virgins, und dann kam die Vision: Warum nicht einen Windjammer bauen, ein Schiff für viele. Die Geburt von Star Clippers. Zur Flotte gehören heute weiterhin das Schwesterschiff "Star Flyer" und der Fünfmaster "Royal Clipper".

Unter Segeln nehmen wir Kurs auf die Schatzinsel Norman Island. Ein paar Passagiere haben es sich im Netz am Klüverbaum bequem gemacht. Wie in einer riesigen Hängematte baumeln sie neben der Bugspitze, unter ihnen das karibische Wasser. Bordtroubadour Josef spielt dazu auf dem Akkordeon. Okay. Am Vorabend hat er in der Tropical Bar auf seiner Yamaha "One Love" von Bob Marley georgelt. Das war ein Fall für die Rasta-Fahndung.

Norman Island lebt gut von dem Mythos Schatzinsel. Hier haben sich also Long John Silver und seine Piraten die Kante gegeben. Und das Furchtlied unserer Jugend gesungen: "15 Mann auf des toten Mannes Kiste! Yo-ho-ho und 'ne Buddel voll Rum." An dieser Stelle hat "Beachboy" Johan die mobile Starclipper Beach Station aufgebaut und verleiht Kajaks. Da geht viel Furcht verloren. Und dennoch stillen wir hier in der Pirates Bight unsere Seeräuber-Sehnsucht. "Willy T" heißt der alte Schoner, der zu einer Bar umgebaut wurde und in der Bucht liegt. Zu erreichen ist die "Willy T" nur per Boot. Spätestens zum Sunset ankern sie alle dort. Dann fließt der Rum in Strömen wie in alten Zeiten und lässt die Venen vibrieren. Nur die Musik kommt von den Rolling Stones. Keith Richards könnte hier Kellner sein. Zumindest würde er gut passen zum Gästemix aus Gestrandeten und Gestopften. Als auch unsere Stimmung immer mehr steigt, holt Cruise Director Philipp uns mit dem Zodiac ab. Zurück an Bord der "Star Clipper". Wie verabredet. Besser isses - und schade.

Zumal der nächste Nachtstopp, Soper's Hole im Westen von Tortola, eher enttäuscht. "Westend is best end", erzählt uns ein ansässiger Shopbesitzer. Nicht unbedingt. Zu viele Polohemden laufen durch den Hafen, zu clean ist die Karibik hier. Das könnte auch an der Côte d'Azur sein.

Doch dann der Höhepunkt am nächsten Tag: Jost Van Dyke. White Bay Beach ist zum Weinen schön. Hier baumeln die Hängematten zwischen den Palmen, die direkt im schneeweißen Strand stehen. Wer kein Dingi hat, der schwimmt von seinem Segelboot durch das türkisklare Wasser an Land. Die nassen Dollars werden in der Bar zum Trocknen aufgehängt. Und genauso heißt der Laden auch: Soggy ("durchnässt") Dollar Bar.

Die meisten Passagiere verbringen den Nachmittag am White Bay Beach. Und verpassen den Hotspot schlechthin: das Foxy's im Great Harbour, eine der kultigsten Karibikkneipen überhaupt, zusammengezimmert aus Brettern und Planken versunkener Schiffe. So sieht es zumindest aus. Von der Decke hängen Hunderte ausgefranster T-Shirts, die sich Gäste vor Begeisterung vom Leib gerissen haben. Und er ist der Grund, warum alle kommen: Foxy Callwood, 72, Namensgeber der Hütte, Calypsosänger, eine Legende. Dem Brautpaar aus Baltimore singt er spontan den Flitterwochen-Song. Seine Gitarre ist verstimmt, es klingt trotzdem stimmig. Draußen in der Bucht schießen die Pelikane vom Himmel herab und jagen Fische. Möge die "Star Clipper" doch bitte einen Motorschaden haben. Wenn nicht hier, wo sonst?