Leise war der Gedanke aufgekommen: Überwintern in der Dominikanischen Republik. Ruhige Tage unter Palmen - warum eigentlich nicht? Zumindest einen Teil der grimmigen Jahreszeit dort verbringen. Liegengebliebenes aufarbeiten und per World Wide Web an die Geschäftspartner verschicken. Dank Technik heutzutage kein Problem. Dachte ich.

Denn Technik kann in der Dominikanischen Republik sehr wohl zum Problem werden. Etwa wenn man einen klaren Gedanken fassen möchte. Sich ausruhen möchte. Schlafen möchte. Oder sich mit dem Nachbarn unterhalten, ohne sich dabei anzuschreien.

Denn Technik wird in der Dominikanischen Republik hauptsächlich dafür eingesetzt, Musik laut aufzudrehen. Also mehr oder weniger sehr laut. Anders ausgedrückt: verdammt laut. Um nicht zu sagen: ohrenbetäubend. Es wummert in Lautstärken, die Gläser zum Vibrieren und Wände zum Wackeln bringt. Und zwar nicht nur in Strandbars oder Discos. Sondern so ziemlich überall.

In diesem Fall direkt vor meinem Hotelzimmer. Ich hatte es mir an einem Sonntagabend angeguckt und zwei Wochen ausgehandelt. In einem netten Touristenort. Guter Preis, gute Lage. Jedenfalls sonntagabends.

Denn montags bis sonnabends erschien ein CD-Verkäufer. Punkt halb neun Uhr baute er seine Regale unter einem Baum vorm Gebäude auf, stöpselte den Verstärker an und drehte auf Anschlag. Bis weit in den Abend hinein. Ohrenbetäubend. An Schlaf war nicht mehr zu denken. Egal wie spät ich in der Nacht zuvor ins Bett gefallen war - Bachata, Merengue und Reggaeton richteten mich auf. Mit anderen Worten: Ich stand im Bett.

Hinzu kam, dass sich mein Zimmer am Ende eines langen, hohen Flurs befand. Ohne Teppichboden, ein hervorragender Resonanzkörper, der sämtliche Basswellen direkt in meine Gemächer übertrug. Zimmerlautstärke neu definiert.

Ich muss nicht extra erwähnen, dass ich nach drei Tagen sämtliche Songs in- und auswendig kannte. So ein Zwölf-Stunden-Tag will vom Dorf-DJ schließlich ausgefüllt werden. Da sind Wiederholungen unvermeidlich. Doch ein spezieller Song kam in all den zwei Wochen ausgerechnet kein einziges Mal: "Let's Get Loud" von der Berufslatina Jennifer Lopez.

Als am vorletzten Tag ein Zwischentief Dauerregen mit sich brachte, reagierte ich entgegen meiner sonstigen Gewohnheit mit Erleichterung. Denn der Verstärker blieb aus.

Nun könnte man hinter dieser Pein eine typisch deutsche Story vermuten: Spießer pocht im Ausland auf sein Recht und seine Ruhe. Doch ruhig Blut! Die halbe karibische Nachbarschaft atmete auf, als der DJ still war. Und ich packte nach 14 Tagen meine Koffer. Karibische Lebensfreude? Ja, bitte! Aber nicht immer gleich bis zum Anschlag.