Fünf Hamburger wollen mit ihren Harleys von Alaska bis zum Kap Hoorn reisen. Die Strecke ist eingeteilt in zehn Etappen, verteilt über zehn Jahre.

Einmal mit dem Motorrad von Alaska bis Feuerland fahren. 30 000 Kilometer Asphalt und Schotter, Wüsten und Regenwälder, Berge und Ebenen, Städte und Dörfer. Tagsüber die schöne Welt angucken, abends kaltes Bier trinken, nachts in billigen Motels schlafen.

So weit der Plan, den wir in der Vorweihnachtszeit vorvergangenen Jahres bei unserer dienstäglichen Skat-Runde fassten. Wir, das sind fünf Freunde aus Hamburg, zwischen 47 und 53 Jahre alt. Detlef und Tom arbeiten in der IT-Branche, Tommy im Tourismus, Heico und ich bei Verlagen. Wir hatten seit einigen Jahren Motorradreisen in alle Welt unternommen, waren auf gemieteten BMW Enduros, Honda Transalps oder Royal Enfields durch Namibia, Laos, Uruguay und Indien gefahren. Jetzt fühlten wir uns fit für die Königsklasse, wollten den Everest der Tourenfahrer besteigen, waren bereit für die Panamericana.

Für die Traumstraße der Welt braucht man mindestens 100 Tage, wenn man einigermaßen entspannt durchkommen will. So eine lange Auszeit am Stück ist sowohl im Job als auch in der Familie schwer durchsetzbar. Außerdem: Zwei Wochen mit den Kumpels sind nett und lustig, dann reicht es aber auch wieder für eine Weile. Im Gegensatz zu den individuellen Macken hat sich unser Witzrepertoire in den letzten drei Jahrzehnten leider kaum weiterentwickelt.

Also beschlossen wir, Raum und Zeit zu splitten. Jedes Jahr eine Etappe von zehn bis zwölf Fahrtagen, 2500 bis 3000 Kilometer, dann die Motorräder unterstellen, im nächsten Sommer wiederkommen, nächste Strecke, und so weiter. Zehn Jahre lang. Oder so lange, wie es eben dauert.

Es war kurz vor Weihnachten, und so wurde ein weiterer Jugendwunsch erfüllt. Wir wählten das vielleicht am wenigsten geeignete Motorrad für ein solches Unterfangen: Harley Davidson. Kauf, Anmeldung und Versicherung der Motorräder in den USA sind dank Internet, E-Mail und Online-Banking kein großes Thema. Wir hatten uns beim Hamburger Harley-Händler die Modelle live angeschaut und uns sehr nett ("Wenn dir das zu unbequem ist, dann kauf dir doch 'n Cabrio") und kompetent ("Wie guckst du Fernsehen? Richtig, Füße hoch!") beraten lassen.

Mit dem Konfigurator der Harley-Homepage stellten wir Modelle und Extras zusammen und überwiesen jeder 1000 Dollar als Anzahlung. Tom bestellte eine Sportster Forty-Eight, Tommy eine Dyna Super Glide, Heico die Chopper-ähnliche Street Bob, Detlef und ich wählten bullige Fat Boys. Bei der Farbwahl entschied sich die Mehrheit für klassisches schwarz. Nur Detlef orderte seine Fat Boy in leuchtendem Gelb. Da halfen weder imagemäßige ("Haben die Hells Angels jetzt auch immer einen vom ADAC dabei?") noch praktische Bedenken ("Hoffentlich gibt es da keine Rapskäfer!").

Die Maschinen sind in Amerika deutlich günstiger als in Deutschland, kosteten uns nagelneu umgerechnet zwischen 7500 Euro (Forty-Eight) und 12 500 Euro (Fat Boy). Hier werden für eine Fat Boy fast 10 000 Euro mehr verlangt. Wer sich jetzt gleich eine rüberholen will, sollte nicht vergessen, dass beim Import Mehrwertsteuer, Zoll, Baurat, Umbauten sowie Transport hinzukommen und das deutsche Basis-Modell luxuriöser ausgestattet ist. Auch der Dollarkurs stand für uns im Frühjahr knapp zehn Prozent besser als heute. Da ist ein großer Teil des Preisvorteils also schon wieder weg.

Am 20. August ging es los. Condor fliegt im Sommer direkt von Frankfurt nach Anchorage. Keine zehn Stunden dauerte der Flug auf der Nordroute über die Arktis. An Bord fanden sich vorwiegend Angler, Jäger, Paddler und andere Aktivurlauber in Cargohosen.

Bei Harley Alaska empfing uns Geschäftsführer Joe Matteson wie alte Bekannte - kein Wunder, nach geschätzten 50 Mails, Faxen und Telefonaten und circa 70 000 Dollar Umsatz. Er führte uns durch Shop und Showroom, Werkstatt und Waschstraße. Im Lager im Obergeschoss standen sie dann nebeneinander. Angemeldet, versichert, vollgetankt, so sauber und blitzend wie nie wieder, mit jeweils acht bis zehn Meilen auf der Uhr. Seit meinem ersten Fahrrad hatte ich mich nie wieder so über ein Fahrzeug gefreut.

Der Papierkram war schnell erledigt, die Maschinen wurden auf den Hof gebracht, wir packten Helme und Handschuhe aus, schnallten das Gepäck an, drückten die Starterknöpfe und donnerten vom Hof. Die große Reise konnte beginnen.

Alaska ist ein tolles Reiseland. Nur 700 000 Einwohner verteilen sich auf ein Gebiet, das fünfmal so groß wie Deutschland ist. Die Orte sind austauschbar, eine Hauptstraße mit ein paar Tankstellen, die üblichen Fast-Food-Filialen, Geschäfte und Motels, eine Handvoll Nebenstraßen. Wenn etwas als "historic" ausgewiesen wird, ist es oft nicht mal 50 Jahre alt.

Die Menschen, denen wir begegneten, waren freundlich und hilfsbereit. Restaurants heißen Fast Eddy's oder Big Daddy's und servieren gigantische Portionen - es ist offensichtlich üblich, sich ordentlich Speck für die langen, harten Winter anzufuttern.

Ansonsten zählt die Natur - die Weite des Himmels und die schöne Landschaft. Zum Alaska-Pflichtprogramm gehören der Besuch des Denali Nationalparks und ein Ausflug entlang der Bucht von Anchorage. Auch wenn im größten US-Staat 30 000 Grizzlys leben sollen, gesehen haben wir keinen. Für die Tierbeobachtung sind Harleys nicht optimal. Ein einziges Mal stand ein Elch am Straßenrand, der sich aber sofort ins Unterholz verzog, als er uns kommen hörte.

Die Reisezeit hatte Cheforganisator Heico wohlbedacht gewählt. Ende August ist eine gute Zeit für Alaska - nach den Mücken und vor dem ersten Frost. Wir hatten wahre Horrorgeschichten von der sommerlichen Insektenplage gehört, bekamen zum Glück aber nur eine kleine Kostprobe ab. In einem noch warmen Tal erwischten wir einen gigantischen Moskito-Schwarm. Innerhalb weniger Sekunden klatschten Hunderte Mücken auf Brille, Helm und Jacke, einige schafften es sogar bis in die Ohren und zwischen die Zähne.

Die Motorräder liefen einwandfrei. Bis auf ein zerbrochenes Scheinwerferglas gab es keine Pannen. Toms Forty-Eight besteht eigentlich nur aus einem 1200-Kubik-Motor und mag die meisten Sandpistenrennen der Welt gewonnen haben, als Touringmaschine hat sie ein Manko: Der Tank fasst keine acht Liter, das reicht meistens nicht einmal für die Strecke zwischen zwei Tankstellen. Wir kauften zwei Reservekanister. Praktischerweise brauchten wir nicht über die Routenführung zu diskutieren. Es gibt lediglich diese eine Straße, den Alaska Highway. Nur in dem Örtchen Tok (indianische Kurzform für "zwei Wege, die sich friedlich begegnen") standen wir vor der Wahl: geradeaus den Highway entlang oder über die Passstraße hinüber ins kanadische Dawson. Anchorage-Joe hatte uns von der Bergroute abgeraten: "Das ist nichts für Harleys." Es folgte eine Grundsatzdiskussion, die Tommy geschickt beendete: "Früher hätten wir darüber nicht mal nachgedacht."

Top of the World Highway - das hört sich nicht nur vielversprechend an, das ist ein absoluter Hammer. Hinter der Goldgräbersiedlung Chicken geht es hoch in die Berge, über die Baumgrenze. Wir hatten Glück: es war zwar kalt, aber die Sonne schien und die Sicht konnte nicht besser sein. Manchmal war der Untergrund etwas schwammig, aber generell durchaus Harley-kompatibel.

Ganz oben auf einem kahlen Berg verläuft die Staatsgrenze zwischen USA und Kanada. Von da aus ist es nicht mehr weit bis Dawson, dem einstigen Zentrum des legendären Klondike-Goldrausches. Der Ort pflegt noch heute sein Image als Abenteurerstadt.

Von Dawson ging es über Carmacks nach Whitehorse, dem Ziel der Reise. Wir hatten schon von Deutschland aus einen Lagerraum in einem der zahlreichen Storages gemietet. Wir schoben die Kisten in die Garage. Es passte genau, drei längs, zwei quer. Bleibt zu hoffen, dass sie im nächsten Sommer noch da sind. Dann wollen wir wiederkommen, zur zweiten Etappe. Wir können es jetzt schon kaum erwarten.

Ob Harleys die richtigen Motorräder für unsere Reise sind, wird sich zeigen, in ein paar Jahren, in Mexiko, Kolumbien oder Ecuador. Sicher wäre eine solide BMW oder eine günstigere Yamaha die vernünftigere Wahl gewesen. Aber eine Harley hat diesen besonderen Charme, dem Herren eines gewissen Alters so leicht verfallen. So blöd es klingt: Man entwickelt eine persönliche Beziehung zu der Maschine, spricht mit ihr, wenn man morgens behutsam den Tau von Lenker, Tank und Sitz wischt. Tom behauptet gar, seine würde antworten. Aber das ist eine andere Geschichte ...