Unsere Autorin machte eine Testfahrt durch Norddeutschland im Campingmobil - und verliebte sich dabei in diese Form des Reisens.

So lang, so breit, so hoch! Weiß glänzend wartet das Reisemobil in der Sonne. Bereit zur Traumtour durch Norddeutschland und den Nord-Ostsee-Kanal entlang. Versehen mit Ausmaßen, die erst mal gigantisch sind. Ausgestattet mit allen technischen Finessen, deren Handhabung ich bei der Einweisung im Schnelldurchgang erfassen muss. Längst hat das Reisemobil das spießige Image abgelegt. Mit viel Hightech und komfortabler Einrichtung liegt es voll im Trend. Unglaublich, was der 110 PS starke Bürstner Nexxo t 660 in sich birgt. Alles, was der komfortgewohnte Mensch im Urlaub braucht, befindet sich an Bord.

6,70 m Länge, 2,30 m Breite und 2,75 m Höhe wollen beherrscht sein. Obwohl ich die Kleinste bin, haben sie mir von allen Testfahrern den größten Camper verpasst. Zum Glück ist mein Nexxo mit zwei Elefantenohren ausgestattet - riesigen Außenspiegeln. Dazu kommt eine Kamera fürs Einparken. Trotzdem schramme ich mehr als einmal an Zweigen entlang, deren Höhe ich nicht richtig eingeschätzt habe. Eine Bordsteinkante nehme ich auch unfreiwillig mit, obwohl ich anfangs nur zaghaft Gas gebe. Doch bald lässt die Anspannung nach, die ungewohnte Sitzhöhe verleiht Sicherheit.

Alles im Blick - alles im Griff. Respektvoll weichen die übrigen Verkehrsteilnehmer dem Wohnmobil aus, machen mir Platz, damit ich die Spur wechseln kann, und lassen mich ohne den üblichen Machtkampf wieder einscheren. Als Königin der Landstraße kann ich es mir leisten, gönnerhaft dem einen oder anderen motorisierten Winzling Vorfahrt zu gewähren.

Etwas weniger Überlegenheit zeige ich bei der Technik. Sechs Gänge hat der Caravan. Was soll ich damit? Und gerade noch rechtzeitig kann ich den Tankstutzen wieder aus der Öffnung fürs Trinkwasser ziehen. Leider hat er auch da genau hineingepasst. Die Markise habe ich nie ausgerollt, auch die Fahrradhalterung nicht benutzt. Die Küche blieb kalt, obwohl Drei-Flammen-Gasherd und Kühlschrank mit Gefrierfach perfekten Kochspaß ermöglicht hätten. Dafür habe ich mit viel Genuss unter der Warmwasserdusche im Badezimmer gestanden und die Nachrichten auf dem Flachbildschirm verfolgt. Ganze Hundertschaften hätte ich in das riesige Queensbett aufnehmen können, abgetrennt durch einen Vorhang vom Wohnbereich mit zwei weiteren Schlafplätzen. Doch nicht einmal eine Fliege traute sich herein, ausgesperrt vom Fliegengitter vor der Tür.

Bei Kilometer 50 auf der A 7 in Richtung Flensburg bieten mein Caravan und ich uns das Du an. Vertrautheit hat sich eingestellt, wir beide laufen rund. Locker grüße ich zurück, wenn mir die Fahrer anderer Wohnmobile zuwinken. Stundenlang könnten wir so weiterrollen, doch der Nord-Ostsee-Kanal bremst uns aus. Genauer gesagt die gemütliche Brauer's Aalkate, wo frischer Fisch auf uns wartet, gefangen von Hans Brauer, einem der beiden letzten Berufsfischer des NOK, wie der Kanal genannt wird. 97 verschiedene Fischarten sollen hier noch leben, sagt er. Das Campmobil kann mit der Nahrungszufuhr noch warten, vor der Abfahrt hat es 90 Liter Diesel geschluckt. Bei einem Verbrauch von 9,5 Litern auf 100 Kilometer reicht das vorläufig.

Mit achterlichem Wind steuern wir den 5-Sterne-Campingpark Olsdorf in St. Peter-Ording an, ausgezeichnet mit dem "Camping.Info TopCamp2012". Vor fremden Einblicken durch Hecken geschützt, fühlt man sich wie im heimischen Garten. 70 Stellplätze gibt es, schwerpunktmäßig für Wohnmobile. Abends rücken wir aus über die Seebrücke zum Pfahlbau Sansibar Arche Noah, Ableger der berühmten Bar auf Sylt.

Im Konvoi geht's am nächsten Morgen zum Strandsegeln. Sand wirbelt auf, Wind pfeift - haarscharf werden Kurven gekratzt. So ungedrosselten Geschwindigkeitsrausch darf man danach im Caravan nicht weiter ausleben. Es geht in Richtung Ostsee. Die schick designten Reisemobile vor den Gemäuern des Antikhofs in Bissee im Bordesholmer Land erregen einiges Aufsehen.

Beim Stand-up-Paddling in Neustadt-Pelzerhaken stehe ich meinen Mann - eine Stunde lang ohne Ausrutscher. Der Lohn ist ein weiteres luxuriöses Nachtquartier. Der Blick vom Hang des Campingplatzes Südstrand direkt an der Ostsee ist unschlagbar!

Zum letzten Mal schwinge ich mich in den Nexxo, zum letzten Mal fühle ich mich als Platzhirsch der Autobahn. Man könnte sich daran gewöhnen.