Die Inseln Phu Quoc im Südwesten und Con Son im Südosten sind touristisch noch nicht erschlossen - das will die Regierung bald ändern.

Es ist, als wenn man einen schlafenden Riesen weckt. Er wird sachte wach gerüttelt, aber freut er sich über diese Erweckung? Phu Quoc (gesprochen "Fu Wok") ist die größte Insel Vietnams, sie liegt im Südwesten des Landes, deutlich näher am Festland von Kambodscha als am heimischen. Zwar ist sie längst aus ihrem touristischen Dauerschlaf gerissen, aber hellwach sieht anders aus. Die Insel, gut zweimal so groß wie Frankfurt am Main, aber nur von 85 000 Einwohnern bewohnt, musste ab 1869 französische Kolonialherren ertragen, die von Zwangsarbeitern Kokos- und Kautschukplantagen anlegen ließen. Und ein großes Straflager. Der von ihnen gebaute Gefängniskomplex wurde später von amerikanischen Militärs und der von ihnen unterstützten südvietnamesischen Regierung übernommen. Heute kann das Coconut Tree Prison als Museum besucht werden.

Doch es gibt viel Sehenswerteres auf der Insel, die gern als "Sonne, Strand und Meer"-Abschluss nach einer fast schon typisch zu nennenden Vietnam-Tour besucht wird. Wer die erlebnisreiche Route von Hanoi, Ha-Long-Bucht, Kaiserstadt Hue, Hoi An bis nach Saigon hinter sich hat, ist vielleicht froh, mit der Insel im Golf von Thailand vor allem eine Ansammlung tropischer, leerer Sandstrände vorzufinden.

Auf Phu Quoc gibt es bereits rund 200 Hotels (davon lediglich acht der Drei- und Vier-Sterne-Kategorie) und Guest Houses, ab zehn bis 15 Dollar pro Nacht. Das Eiland ist bei vietnamesischen und ausländischen Urlaubern gleichermaßen begehrt: Es ist einer der wenigen Flecken Vietnams, an denen man am Strand sitzend einem Sonnenuntergang verträumt nachhängen kann. Die allermeisten der 3500 Küstenkilometer des Landes befinden sich nämlich im Ostteil Vietnams. So ist es kein Wunder, dass gleich südlich vom Hauptort Duong Dong mit dem 20 Kilometer langen Bai Truong ("langer Strand") die Zahl der Unterkünfte zunächst stark zunimmt und immer stärker abnimmt, je weiter man hinter dem Long Beach nach Süden kommt.

Seit die Regierung im fernen Hanoi vor rund zehn Jahren den Masterplan für optimale touristische Entwicklung Phu Quocs ausgegeben hat, herrscht so etwas wie Goldgräberstimmung. Derzeit wird viel investiert, pro Hektar zwei bis drei Millionen US-Dollar. Internationale Hotelinvestoren stecken ihre Claims ab, zum Beispiel an dem Strand Dai Beach im Nordwesten der Insel (Region Ganh Dau), wo noch kein einziges Bauwerk den Blick aufs Meer versperrt.

Zusammen mit der UNWTO, der Welttourismusorganisation, hat Hanoi Auflagen erlassen, die beispielsweise der Bauhöhe (maximal drei bis vier Stockwerke), der Art (in die Natur integriert) und dem Baumaterial (so nachhaltig wie möglich) Vorschriften machen. 15 neue Hotels sind geplant, Kasino, Golfplatz, Wellness. Investoren und Hotelkonzerne wie Hyatt, Kempinski oder Sheraton stehen mit unterzeichneten Pachtverträgen in den Startlöchern und wollen bis zu 4,5 Milliarden Dollar verbauen, doch solange es noch keine aus ihrer Sicht ausreichende Infrastruktur gibt, warten sie ab. Die Regierung befürchtet Spekulationsobjekte und hat allen eine Frist von fünf Jahren gesetzt, mit dem Bauen zu beginnen.

Bislang können auf Phu Quoc lediglich Propellermaschinen landen. Zu wenig Kapazität, um die Vier- und Fünf-Sterne-Strandresorts künftig stetig zu füllen. Doch der neue - internationale - Flughafen nimmt Form an, die erste Start-und-Lande-Bahn ist bereits fertig, erste Gebäude werden hochgezogen. Wenn der neue Airport Ende 2012 öffnet und auch die Straßen durchgehend asphaltiert sind, wird das einen gehörigen Schub geben. Tourismus wird für die Insel zunehmend noch wichtiger, auch wenn sich noch viele Bewohner mit Ackerbau, Fischfang (für die berühmten Fischsoßen "nuoc nam") oder dem Anbau von weißem und schwarzem Pfeffer über Wasser halten.

Wer also die Insel noch halbwegs ursprünglich erleben will, sollte sie so bald wie möglich bereisen. Denn schon jetzt warnen einschlägige Reise-Handbücher wie "Stefan Loose", man könne eines Tages "den berühmt-berüchtigten Traveller-Spruch zu hören bekommen: ,Ach, ihr hättet mal vor zehn Jahren hier sein sollen.'" Denn auch Vietnamesen bereisen ihr eigenes Land sehr gern, und der Pauschaltourismus mit "Sonne und Strand"-Aufenthalten steckt noch in den Kinderschuhen.

Während Phu Quoc von internationalen Touristen seit den späten 90er-Jahren für den erholsamen Badeaufenthalt besucht wird, hielt eine andere südvietnamesische Inselgruppe noch viel länger einen touristischen Dornröschenschlaf. Der Con-Dao-Archipel im Südchinesischen Meer befindet sich 340 Kilometer Luftlinie östlich von Phu Quoc. Von den 16 Inseln ist nur die 20 Quadratkilometer große Hauptinsel Con Son bewohnt, und 80 Prozent des Archipels sowie 140 Quadratkilometer Meeresfläche bilden einen Nationalpark.

Es gibt noch nicht einmal eine Handvoll Hotels, Massentourismus ist hier ein Fremdwort. Das einzige Hotel, das internationale Ansprüche an schöne Strandlage, Service und Sauberkeit erfüllt (und sogar übererfüllt), ist das erst vor gut einem Jahr eröffnete Resort Six Senses. Vier Jahre wurde auf dieser sehr weitläufigen Anlage in der Dat-Doc-Bucht im Osten der Insel gebaut. Das gesamte Baumaterial samt Ausstattung, so erzählt Susan Noonan, die Hotelmanagerin, "kam von Saigon und vom Festland mit dem Schiff. Doch da der Hafen hier auf der Insel keine Container-Einrichtungen hat, musste alles auf kleinere Schiffe umgepackt werden." Die Armee stellte Transporter.

Müßiggang ist nicht nur in dem Hotel (das baulich einem vietnamesischen Fischerdorf nachempfunden ist) an der Tagesordnung, die Atmosphäre auf der gesamten Insel ist auffallend ruhig und entspannt. Keine Hektik, kein Gebäude höher als zwei Stockwerke, dafür viel, viel Grün. Auch wenn sich Con Dao mit seinen zahllosen Buchten und Korallenriffen, den Meeresschildkröten und Seekühen als Tauch- und Schnorchelziel herumspricht, auch wenn es vor fünf Jahren gerade mal ein oder zwei Autos gab und 2011 die erste Ampel an einer Straßenkreuzung errichtet wurde. Und auch wenn die Regierung in Hanoi mit dem Archipel Großes vorhat und Con Dao bis 2020 zu einem "Top-Ziel" für Reisende ausbauen will: Noch sind die Inseln die Ruhe selbst.

Es lohnt sich, mit einem Fahrrad, oder besser Moped, die kleine Insel auf eigene Faust zu erkunden. Und allein, als einziger westlicher Tourist über den Markt zu schlendern oder gleich nördlich des Flughafens durch Wälder und Mangroven bis zur Bambus-Lagune ("Dam Tre") zu wandern, um dort zu schnorcheln oder zu baden. Oder man taucht nicht ins Meer, sondern in die Geschichte der Insel ein, so wie das Schauspielerpaar Angelina Jolie und Brad Pitt, das Mitte November 2011 mit seinen beiden adoptierten vietnamesischen Jungs auf der Insel ausspannte und auch das Phu-Hai-Gefängnis ansah. Als die Franzosen 1862 auf der Insel anlandeten, machten sie daraus eine Gefängnisinsel, die bald den Beinamen "Hölle auf Erden" trug. Die Kolonialherren brachten Gefangene in Zellen unter, die Tigerkäfige genannt wurden.

Während westliche Urlauber vor allem an den Strandbuchten, den vielen Inseln und der Unterwasserwelt interessiert sind, kommen die meisten Vietnamesen vor allem auf den großen Friedhof zum Grab von Vo Thi Sau. Sie ist Vietnams berühmte Revolutionsheldin, im Januar 1952 wurde sie im Alter von 18 Jahren als erste Frau von einem Exekutionskommando hingerichtet.

Das Revolutionsmuseum und der Hang-Duong-Friedhof legen trauriges Zeugnis von den gut 100 unrühmlichen Jahren der Franzosen, des südvietnamesischen Regimes und der Amerikaner ab. Zugleich sichern sie der Insel ständig kleine Besuchergruppen: Der Hanoier Regierung ist es ein Anliegen, jeden Kriegsveteranen einmal im Leben nach Con Dao zu fliegen, Wallfahrt unter tropischen Palmen, als Form der Erinnerung und Wiedergutmachung.