Das elegante Gebäude ist ein Zuhause für den Zeitgeist - ganz im Stil der 20er-Jahre. Es verschönert eine der häßlicheren Kreuzungen Berlins.

Die Kreuzung gehört zu den hässlichen der Hauptstadt. An der Ecke Prenzlauer Allee/Torstraße brausen Autos und Straßenbahnen auf acht Spuren durch ein Berlin-Mitte mit vielen Plattenbauten. Das coole Mitte, von dem alle reden, war lange woanders. Jetzt ist es genau hier, im eleganten achtstöckigen Gebäude mit der Hausnummer 1. Ein Gebäude, das alles erlebt hat, was Berlin im wüsten 20. Jahrhundert geprägt hat. Glamour und Gewalt, Inspiration und Irrsinn. 1929 eröffnete hier das Kaufhaus Jonass, schon ein paar Jahre später wurden die jüdischen Eigentümer von den Nazis enteignet. Erst zog Baldur von Schirach mit seiner Hitlerjugend ein, nach dem Ende des Dritten Reiches die SED. Das Politbüro tagte hier, DDR-Staatspräsident Wilhelm Pieck ließ sich ein gediegenes Büro einrichten, Kader wurden hier geschult. Bis zur Wende 1989/90. Danach stand das Haus 20 Jahre lang leer.

Jetzt betreten die Gäste ein großes Foyer mit schwarzem Betonboden, auf dem nichts weiter steht als eine Tischtennisplatte, ein Kicker und ein Empfangstresen. Vielleicht kommen die Möbel ja noch? Nein, das Soho House hat ja bereits 2010 eröffnet. Also alles schon fertig; es sei der Stil des Hauses, mit Erwartungen zu spielen, erfahren wir von den jungen Mitarbeitern am Tresen. Ein sehr wichtiger Arbeitsplatz, denn hier checken nicht nur die Hotelgäste ein, sondern hier wird auch geprüft, wer in die Aufzüge nach oben steigen darf. Außer Hotelgästen ist das nur Klubmitgliedern und deren Freunden erlaubt.

Die 40 Hotelzimmer sind in sechs Klassen von "Tiny" bis "Extra Large" eingeteilt. In vielen Zimmern stehen Vinyl-Plattenspieler, auf den Fluren Grammofone. Dazu Drehlichtschalter, Art-déco-Armaturen, Sessel mit geschwungenen Holzarmlehnen ... In den Räumen des Soho House soll mit vielen Details an Berlins große Zeit in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts erinnert werden: unkonventionell, avantgardistisch, kosmopolitisch. Dass hier auch ein Lebensgefühl abgerufen werden soll, spüren die Gäste spätestens im Klubbereich im 7. Stock.

Samtsofas stehen dort vor riesigen Kaminen, um die herum Holzscheite bis zur Decke hoch gestapelt sind. Über der Bar glitzert ein mehrere Meter langer Kristallleuchter. Er stammt aus dem Savoy in London. Das Fischgrätparkett ist neu, soll aber abgenutzt wirken. "Gelebte Gemütlichkeit", nennt das General Manager Jens Gmiat. Wände aus unverputztem Beton sorgen dafür, dass es nicht zu kuschelig wird. Jetzt, am Sonnabendnachmittag, lümmelt die Digitale Bohème in den Sofas und Sesseln. Die betont lässig gekleideten Männer und Frauen zwischen 30 und 50 sind schwer beschäftigt mit ihren iPhones, iPads und Macbooks. "Manche Klubmitglieder sind sieben Tage in der Woche hier. Sie arbeiten hier, haben hier ihre Meetings, essen hier, nutzen das Fitness-Studio und treffen ihre Freunde", sagt Gmiat. Er scheint das für ein erstrebenswertes Lebensmodell zu halten. Eine Mitgliedschaft (75 Euro pro Monat) ist begehrt, viele Schauspieler und Designer sollen regelmäßig hier sein. Und Madonna soll zur Berlinale hier geschlafen und das ganze Hotel gemietet haben. So viel zum Glamour-Faktor.

Der Mann, der sich das alles ausgedacht hat, heißt Nick Jones. Soho House, das soll ein Treffpunkt mit lässiger Atmosphäre für Künstler, Medienleute und Designer sein. Coolness statt Krawatte. Auf eine Mitgliedschaft im Londoner Stammhaus muss man jahrelang warten. Anders als in den britischen Traditionsklubs sind aber auch Frauen erwünscht - als Gäste und als Mitglieder. Mittlerweile gibt es Soho Houses auch in New York und Los Angeles. "In Berlin wollte Jones schon lange etwas machen", sagt Jens Gmiat. Die Stadt sei kreativ und voller Energie. "Nick Jones mag den Bruch. Von Zeiten, von Materialien. Er spricht ein internationales Publikum an, das diesen Stil versteht", sagt Manager Gmiat. Tatsächlich, viele der Gäste unterhalten sich auf Englisch.

Bar, Lounge, Restaurant, Wohnzimmer, Partyklub - der 7. und 8. Stock des Hauses sind fast rund um die Uhr von allem etwas. Es gibt keinen festen Frühstücksraum, die Gäste bestellen sich bis 12 Uhr alles à la carte. Die "House Kitchen" bietet danach Salate, Pasta und Hauptgerichte bis ein Uhr morgens an. Ob man sein 200-Gramm-Klub-Steak in einem Samtsessel verspeist oder mit einem Drink an der Bar, ist jedem selbst überlassen. Und ab 22 Uhr wird die Bar belagert von allem, was sich hip fühlt in Berlin-Mitte.

Vorher noch etwas entspannen? Der Spa-Bereich Cowshed Relax ist vor allem dank seiner edlen weißen Maniküresessel einen Besuch wert. Daneben gibt es noch Sauna, Dampfbad und Hamam. Oder doch lieber Kultur? Im Untergeschoss befindet sich ein Kino mit 30 Sitzplätzen, die Bibliothek ist mit Kunst- und Designbüchern ausgestattet. Und das "Politbüro", Wilhelm Piecks holzvertäfeltes Arbeitszimmer, kann für private Events gebucht werden. Doch zurück ins Herz des Hauses.

Auf der Dachterrasse im achten Stock planschen Leute im beheizten Pool. Dahinter schwebt die Kugel des Fernsehturms wie ein Raumschiff am Abendhimmel. Der Blick wandert zum Dom, zur Charité, zum Reichstag, zum beigebraunen Klotz der Volksbühne. Als Hotelgast kann man eintauchen in dieses Berliner Zeitgeist-Leben.