In der Boeing 787 erwartet Passagiere ein ganz neues Flugerlebnis. Eingesetzt wird es auf der neuen Strecke zwischen Frankfurt und Tokia Haneda.

Die neue Boeing 787 ist das revolutionärste Verkehrsflugzeug seit der Concorde oder der Boeing 747, beide aus dem Jahr 1969. Steht die "Dreamliner" genannte 787 am Gate allerdings zum Einsteigen bereit, hat sie zunächst gar nichts Auffälliges.

Von diesem Wochenende an können Passagiere den ersten Langstrecken-Linienflug mit der Boeing 787 unternehmen. Auf der neuen Strecke zwischen Frankfurt und dem Tokioter Stadtflughafen Haneda setzt der japanische Erstkunde ANA den Dreamliner mehrfach pro Woche ein. Ab März dann täglich. Die wichtigste Innovation der 787 allerdings kann kein Passagier sehen, sondern nur fühlen. Denn der Rumpf des zweistrahligen Flugzeugs besteht erstmals nicht mehr aus Aluminium, sondern aus hochfestem Kohlefaser-Verbundwerkstoff. Dieses leichtere Kunststoffmaterial ist so stabil und gleichzeitig korrosionsfest, dass die 787 über einzigartige Vorzüge verfügt, die bei Metallrümpfen undenkbar wären.

Der Kabinendruck ist höher und damit passagierfreundlicher, weniger ermüdend für die Insassen. Normalerweise herrscht auf Reiseflughöhe im Flugzeug ein Druck wie auf 2400 Metern über dem Meeresspiegel. In der 787 dagegen entspricht die Atmosphäre nur 1800 Meter Höhe. Und die Kabinenatmosphäre ist wesentlich feuchter als bisher, weil der Verbundwerkstoff des Flugzeugs von Nässe nicht angegriffen wird. Trockene Schleimhäute oder Probleme für Kontaktlinsenträger waren bisher auf Langstreckenflügen ein Ärgernis. Nicht so in der 787: Statt der sonst üblichen rund vier Prozent weist ihre Kabinenluft 15 Prozent Luftfeuchtigkeit auf. Auffälliger als solche verborgenen Qualitäten allerdings sind die wesentlich ausladenderen Fenster, sie sind 30 Prozent größer als üblich und ermöglichen auch den Fluggästen auf Mittelsitzen einen Blick nach draußen auf den Horizont. Auch dies ist wieder eine Folge des stabileren Materials, das größere Fensterausschnitte im Rumpf zulässt.

An jedem Fensterplatz findet sich zudem ein neues "Spielzeug": Mittels eines Knopfes aus zwei Halbkreisen und einer Anzeige aus fünf Leuchtdioden können die Passagiere selbst eine stufenlose, elektrochromatische Verdunkelung der Scheiben vornehmen, statt wie bisher eine mechanische Sichtblende herunterzuziehen. Mit der Dimmung lässt sich der Lichteinfall weitgehend vermeiden, und auch in der dunkelsten Stufe kann man noch nach draußen blicken. Neu ist auch die LED-Stimmungsbeleuchtung, die es ermöglicht, alle Farben des Regenbogens an die Kabinendecke zu projizieren. Deren geschwungene Linien erstrahlten auf den Erstflügen bonbonfarben.

So bunt soll es auf gewöhnlichen Linienflügen nicht zugehen, denn das "Moodlighting" dient in dezenter Form dazu, den gefürchteten Jetlag zu vermindern. Auffällig ist die geringe Lärmentwicklung in der Kabine: In der 787 reist man sehr leise, wenn auch nicht ganz so gedämpft wie in der A380. Neuerung auf den stillen Örtchen: Die Toiletten sind mit Bidet-Funktion ausgerüstet, zwei sogar mit einem Fenster. Das ist noch nichts gegen die Hightech-Spülung im Dreamliner. Nach dem Geschäft hält der Passagier seine Hand über einen Sensor. Daraufhin fährt aus der Wand ein mechanischer Arm, schließt in fünf Sekunden sanft den Toilettendeckel und aktiviert die Spülung. Das spart die Hälfte des Wassers ein und dämmt den Lärm.

Nach ANA und Japan Airlines bekommen 2012 u. a. United Airlines, Ethiopian Airlines (plant damit auch Frankfurt anzufliegen) und als erste Europäer die polnische LOT ihre 787. Air Berlin ist nicht vor 2014 an der Reihe. Neu an der 787 ist ebenso, dass ein relativ kleines Flugzeug (bei ANA auf Langstrecken mit nur 158 Sitzen) ultralange Routen bis zu 15 000 Kilometer nonstop fliegen kann - und damit auch von zweitrangigen Flughäfen auf Interkontinentalrouten wirtschaftlich zu betreiben ist. So wird Japan Airlines am 22. April eine neue Strecke von Tokio nach Boston eröffnen und United von Houston erstmals ohne Stopp nach Auckland und Lagos fliegen.

Weil die Boeing 787 rund 20 Prozent weniger Treibstoff verbraucht als die etwa gleich große Vorgängerin 767, ist sie ein Bestseller. Über 50 Kunden haben bisher 825 Dreamliner bestellt. Künftige europäische Betreiber sowie größte Besteller weltweit: Aeroflot (22), Air Berlin (15), Air Canada (37), Air China (15), Air Europa (8), Air India (27), ANA (55), British Airways (24), Delta Air Lines (18), Etihad (41), Icelandair (1), Japan Airlines (35), LAN (26), LOT (8), Norwegian Air Shuttle (3), Qantas (50), Qatar Airways (30), Singapore Airlines (20), Thomsonfly (13), United (50) und Virgin Atlantic (15).