Schiffe wie die “Costa Concordia“ sind schwierig zu evakuieren

Im Januar 2002 bin ich zum ersten Mal auf einem Kreuzfahrtschiff zur See gefahren. Von den Bahamas um Florida herum nach New Orleans, Mexiko, Belize, Guatemala und Honduras. Die Reise mit der "Astor" hat mich beseelt. Seit diesem Erlebnis liebe ich die Kreuzfahrt, schreibe darüber, fotografiere Schiffe und Häfen, reise auf kleinen Schiffen wie der "Hanseatic", auf großen Schiffen wie der "Queen Mary 2". Die ganze Kreuzfahrt-Euphorie lässt mich seit zehn Jahren mitschwimmen auf dieser Welle. Mit Begeisterung. Es gibt keine Form des Urlaubs, die so emotional ist wie die Kreuzfahrt. Ein Schiff, das einen Hafen verlässt, in einem anderen ankommt, beglückt mich. Und auch die Melancholie eines Seetages irgendwo auf einem Ozean. Die grandiose "AidaDiva"-Taufe 2007, die Einfahrt von Udo Lindenbergs "Rock-Liner" zum Hafengeburtstag 2010, das sind Bilder, die ich niemals mehr vergesse.

Seit einer Woche ist nun ein anderes Bild der Kreuzfahrt hinzugekommen: die Katastrophe der "Costa Concordia". Ein tragisches Unglück, verursacht durch einen Kapitän, der nicht reif war, Verantwortung für 4230 Menschen zu tragen. Menschliches Versagen. Wie 1912, als die "Titanic" den Eisberg rammte, einen Risiko-Kurs zu schnell fuhr. Oder die "Sea Diamond", die 2007 vor Santorin auf ein Riff lief und sank. Die Kreuzfahrt-Katastrophen lassen sich - im Gegensatz zu Verkehrstoten und Flugzeugabstürzen - an einer Hand abzählen. Und doch liegt diese "Costa Concordia" vor der italienischen Insel Giglio wie ein Mahnmal. Vor fünf Jahren als damals größtes italienisches Schiff aller Zeiten gebaut, ist sie eines der Sinnbilder der Cruise-Industrie.

Die "Allure of the Seas", das größte Passagierschiff der Welt, beherbergt 7500 Menschen an Bord. Was passiert dort in einem Notfall auf See? Ist eine Kleinstadt auf engstem Raum noch kontrollierbar, koordinierbar, evakuierbar? Gerade wenn es schnell gehen muss. Schiffe dieser Größenordnung laufen nur noch Häfen an, liegen nicht mehr auf Reede, weil das Tendern logistisch eine zu große Herausforderung wäre. Aber im Notfall muss "getendert" werden. Unter Panik-Bedingungen. Dieser Gigantismus hat jetzt vor Italiens Küste Neptuns Warnung bekommen. Trotz der zu beklagenden Toten noch in "glimpflichem" Ausmaß. Nicht auszudenken wenn der "Central-Park" (ja, es gibt ihn) an Bord der "Allure of the Seas" in Flammen steht. Nicht allein ein Kapitän ist ein Risikofaktor für menschliches Versagen. Bei fast 8000 Menschen potenziert sich die Gefahr.

Schon heute reicht die Infrastruktur mancher Häfen nicht mehr aus für den Gigantismus zur See. Die Reedereien investieren selbst, betreiben eigene Terminals. Costa zum Beispiel in Barcelona, auch in Civitavecchia, wo die Unglücks-"Concordia" gestartet ist. Wenn die Mega-Liner eine kleine Karibik-Insel wie Bonaire anlaufen, 4000 Passagiere an Land gehen, dann ist das wie eine Kurz-Kolonialisierung. Wenn auch nur für acht Stunden. Der Umsatzdrill der amerikanischen Kreuzfahrtkonzerne Carnival und Royal Carribbean ist aus dem Ruder gelaufen.

Bevor eine "Aida" das Lächeln am Bug verliert, TUI Cruises vom Ehrgeiz gepackt "wettrüstet": Auch ein Schiff mit 2000 Passagieren (und deutlich weniger) kann tiefschwarze Zahlen fahren. Und Preise anbieten, die nicht nur eine Elite bezahlen kann. Ich brauche keinen Wellnessbereich von der Größe dreier Fußballfelder, ich brauche keine Eislaufbahn, schon gar nicht einen Central-Park. Und vor allem nicht 8000 Menschen, deren Fluchtwege sich im Notfall kreuzen. Das ist die Lehre aus der Katastrophe der "Costa Concordia".