Seit dem Ende des Bürgerkriegs ist in der Hauptstadt Sri Lankas ein starker Wandel spürbar. Tourismus und Wirtschaft zeigen wieder Dynamik

Sri Lanka boomt: An den Stränden der Südwestküste und in den historischen Kulturstätten herrscht wieder fast so viel Betrieb wie vor dem Bürgerkrieg (1983-2009). Auch Colombo, das früher als eher langweilig galt, vibriert vor neuer Lebenslust: Klubs und Restaurants verlocken Urlauber zu einem Ausflug in die neuen und alten Viertel der Millionenstadt. Mit prosperierender Wirtschaft, asiatischer Vielfalt und neuen Trends im Tourismus sucht Colombo den Anschluss an die Metropolen in Thailand, Malaysia oder Vietnam.

An der Central Road, einer Ausfallstraße nach Norden, stauen sich die Lastwagen mit ihren hohen, hölzernen Aufbauten, den Fahrerkabinen ohne Tür, Dutzenden glänzender Lampen und Signalhörner. Fässer werden entladen, Stoffballen, Teekisten, Baumstämme. Männer, denen der Schweiß vom nackten Oberkörper in das Hüfttuch läuft, schleppen Säcke mit Zement, Reis und Mehl in die Lagerhäuser.

Hier beginnt die Pettah, das Basarviertel, in dem sich viel erhalten hat vom alten Colombo, die strengen Gerüche, die grellen Farben. Hier wird buntes Waschpulver aus Säcken verkauft, dort hängen pastellfarbene Moskitonetze. Aus den Goldläden an der Sea Street dringt arabisch-indische Musik, in der Cross Road feilschen Köche und Wirtschafterinnen aus den feinen Stadtvierteln um die besten Gewürze für ihre Herrschaften.

Dies sind die lauten, schmutzigen und wundervollen Gassen des Orients: Prince Street, Keyzer Street und natürlich die Gabo Lane, wo vorwiegend Wurzeln und Kräuter aus Gläsern, Kanistern und Kartons verkauft werden, Ayurveda-Wundermittel für die Selbstbehandlung. Während pralles Leben nach wie vor die Quartiere der Armen und der kleinen Leute prägt, lässt ein eher morbider Charme die einstigen Pracht- und Machtgebäude der Kolonialzeit vor sich hindämmern.

Die Kaufhäuser aus der britischen Belle Époque - Cargill's und Miller's - stehen schon lange im Schatten futuristischer Wolkenkratzer. Wo sich einst die Familien der weißen Pflanzer, Beamten und Offiziere mit europäischer Garderobe und Köstlichkeiten aus der alten Heimat eindeckten, schlendern heute Touristen an verstaubten Auslagen vorbei. Immerhin haben Hotels wie das legendäre Grand Oriental Hotel am Hafen, das Galle Face am offenen Meer oder das Mount Lavinia im gleichnamigen Vorort ein wenig an die glorreiche Zeit von einst anknüpfen können.

Auch die weißen Fassaden des Nationalmuseums und des neuen Rathauses, beide in den 1920er-Jahren erbaut, lassen den Prunk der vergangenen Epoche ahnen. Die Musik allerdings spielt neuerdings in Hotspots und coolen Bars, wie sie ebenso schrill und poppig in Bangkok oder Kuala Lumpur die Trends setzen. So laufen zum Beispiel im Cricket Club, einem Top-Treff zur Mittagszeit, Spitzenspiele des beliebtesten Sports der einst britischen Welt auf fünf Bildschirmen.

"Verwirrend in ihrer Buntheit und fast betäubend", nannte John Hagenbeck, Tierfänger, Schiffsausrüster und Abenteurer aus der Hamburger Zoo- und Zirkusdynastie, seine Eindrücke aus Colombo, wo er sich 1891 ansiedelte. Immer wieder lobte er "die Schönheiten und den exotischen Reiz der Tropenstadt", schwärmte von der "Gartenstadt", die Colombo bis heute geblieben ist, vor allem im feinen Viertel Colombo 7, wo Botschaften, Rathaus und Museum ansässig sind.

Um die Wende zum 20. Jahrhundert boomte die Stadt. Damals profitierten davon nur Weiße wie Hagenbeck und die britischen Kolonialherren. Heute sind es die Einheimischen, eine schillernde Schicht von Politikern, Investoren und Schickimicki-Gesellschaft, die den Aufschwung tragen. Die Wirtschaft wächst rasant, mit ihr die Wolkenkratzer in der City. Auf den modernen Containerhafen - an gleicher Stelle, an der Hagenbeck Dampfer vieler Nationen mit Proviant und Kohlen belud - sind die Srilanker so stolz, dass sie ihn auf den neuen 20-Rupien-Scheinen abbilden, zusammen mit einem Schiff aus der hagenbeckschen Periode.

Das Neben- und Miteinander von Tradition und Fortschritt macht den Reiz dieser Metropole aus. Nur ein paar Schritte von der quirligen Pettah entfernt, treffen sich im Deli Market, einem Multiplex-Imbiss auf dem dritten von 39 Stockwerken des Welthandelszentrums, die jungen Führungskräfte zum Lunch. Sie haben die Wahl zwischen italienischen, chinesischen, indischen und thailändischen Snacks.

Abends trifft sich, im Stadtteil Kollupitiya, dieselbe Klientel in der Bradman Bar des Cricket Clubs zum Afterwork-Talk. Die Party geht weiter, für die jungen Szenegänger in der derzeit angesagten Glow Bar im Gebäude des nationalen Automobilklubs oder, etwas ruhiger, in der Zanzi Bar nebenan, wo Soul und Jazz live geboten werden. Noch mehr Geländelimousinen und BMW stehen seit zwei Jahren vor Privé Colombo in der Havelock Road, dem Nachtklub der Neureichen, der von sich behauptet, die besten DJ's östlich von Suez zu beschäftigen.

Ochsenkarren und ausrangierte Londoner Doppeldeckerbusse, die noch bis vor etwa zwölf Jahren zum Straßenbild gehörten, sind längst aus der Stadt verschwunden. Auch die Tuk-Tuks, die beliebten Dreiradtaxis, hier Three-Weehler genannt, haben es immer schwerer, sich im Verkehr der City oder auf der großen Ausfallstraße nach Süden zu behaupten.

Und doch werden sogar nostalgisch gestimmte Spurensucher in den historischen Vierteln der Ceylon-Metropole noch immer fündig. Zum Beispiel in einem großen gelben Haus zwischen der einstigen "Europäerstadt" und dem Pettah-Basar, das wie eine Kirche ohne Turm aussieht. Es ist das alte Rathaus von Colombo, 1873 wurde hier, neben der Markthalle, zum ersten Mal getagt. Meistens sind alle Türen verschlossen, aber das ist in Sri Lanka kein Problem. Immer findet sich jemand, der einen Schlüssel hat und ein paar Rupien gut gebrauchen kann.

Also schleichen wir uns vorsichtig die knarrenden Treppen hoch. Der Mann, der uns den Eintritt verschafft hat, winkt uns zu einer Tür im ersten Stock. Im Halbdunkel sitzen zehn Herren um einen Tisch, scheinbar vertieft in eine Diskussion. Gerade will ich mich zurückziehen, als ich sehe, dass die Gentlemen aus Holz sind. Es handelt sich um eine lebensnah nachgestellte Versammlung aus dem Jahre 1906.

Alle Volksgruppen sind vertreten: ein dunkelhäutiger Tamile, daneben ein Turbanträger, der die Moors repräsentiert, wie damals die ceylonesischen Moslems genannt wurden. Natürlich sind die Singhalesen anwesend, zum einen die Oberkaste aus Kandy, zum anderen ein Vertreter des Tieflandes ... und, versteht sich, die Engländer, die Herren der Insel. Geleitet wird die Sitzung von W. Shakespeare.

Kein Witz, der Mann, der vor rund 100 Jahren in der Old Town Hall, vermutlich im Schatten desselben großen Mangobaumes, der noch heute den Raum verdunkelt, am Kopfende der Versammlung saß, hieß wirklich so. Das geht aus einem Foto mit Unterschrift hervor, einem historischen Dokument, das neben dem Tisch an der Wand hängt und auf dem ich den Namen las. Ob der Shakespeare aus Colombo auch noch William hieß, habe ich leider nicht herausbekommen.

Draußen, im grellen Licht der Tropensonne, wirkt auf einmal alles so, wie es früher gewesen sein muss, zu Geigers und womöglich auch zu Shakespeares Zeiten. Am Mangobaum hat sich ein Händler niedergelassen. Er verkauft, wenn man so will, Bonuspunkte für das Karma. Für etwa einen Euro kann man Papageien und andere Tropenvögel aus engen Käfigen davonfliegen lassen, eine gute Tat, die nach Hindu- wie nach Buddhisten-Ansicht im nächsten Leben belohnt werden könnte.

Also will auch ich etwas für mein Seelenheil tun und schenke zwei sehr bunten Vögeln die Freiheit. Als ich mich nach ein paar Schritten umdrehe, bekomme ich gerade noch mit, wie der Vogelhändler meine Papageien schnell wieder in den Käfig setzt.