Dieser Text ist eine therapeutische Maßnahme. Eine Traumabewältigung sozusagen, denn hat man gewisse Dinge erst mal ausgesprochen oder - Behandlungsstufe zwei - in aller Öffentlichkeit aufgeschrieben, ist die Angst gar nicht mehr so schlimm. Und die geht so: Im Urlaub werde ich krank. Selbst mittlerweile drei abgeschlossene Auslandskrankenversicherungen verströmen nicht die von mir erhoffte abschreckende Wirkung.

Viele seltene, ausländische Freunde durfte ich so schon kennenlernen: In Mexiko zum Beispiel ein Virus, das mich drei Tage lang ins Delirium versetzte. Auf Grönland ergatterte ich die mir bis dato unbekannte Insomnia; eine durch die permanente Helligkeit ausgelöste Schlaflosigkeit. Wer mal acht Tage am Stück wach war, entwickelt Zombie-Filmen gegenüber ein ganz anderes Verständnis.

Auf Bali erlitt ich einen Hörsturz, ausgelöst durch einen Bombenanschlag. In Peru lernte ich, welche verschiedenen Formen die Höhenkrankheit auf Lager hat. Während Mitreisende an Sauerstoffmasken hingen, durfte ich den ortsansässigen "Kardiologen" aufsuchen. Zumindest gab er sich als ein solcher aus und riet mir zu einer Kräutermixtur, welche nur einer seiner acht Cousins herstelle.

Mein jüngstes Mitbringsel sind Bakterien aus Florida. Gerade noch hatte ich im Disneyland Cinderellas Schloss besichtigt, da fiel mir eine Krone heraus. Nein, sagte der erste Doktor, das werde er nicht behandeln, nachher zerstöre er den guten deutschen Zahnersatz. Aber im Drugstore könne ich mir ein "Zahnfestklebe-Paket" besorgen und selbst Hand anlegen. Mit offenem Mund stand mein Mann dann im Laden vor der Mini-Zement-Packung. Meinen ließ ich lieber zu, war aber genauso verblüfft. Die Anleitung stellte jede vernünftige Facharztausbildung infrage: die Zutaten einfach mit Wasser mischen, in den Wurzelkanal füllen, Krone "an die richtige Position" drücken - und fertig. Wer braucht schon ein jahrelanges Studium?

Leider waren wir Feiglinge und suchten einen zweiten Zahnarzt auf, der, wie wir zu spät feststellten, auf Botox und Zahnbleaching spezialisiert war. Zwei Tage später hatte ich eine fette Entzündung. Kein Problem, meinte unsere Erste Hilfe, das Zimmermädchen, es gebe eine Hotline, bei der ein Arzt telefonisch Medikamente verschreibe. Ohne den Patienten gesehen zu haben? Sicher, nur eine Kreditkartennummer, die sei wichtig. So wurde ich mit einer schnellen Nummer meine Schmerzen los.

Zurück in Deutschland rief ich meinen Zahnarzt an, der zeitgleich mit mir verreisen wollte. Das wusste ich, weil ich vor meiner Abreise noch mal zur Kontrolle bei ihm war. Sicherheitshalber. Nein, im Moment könne sie mir keinen Termin geben, sagte die Sprechstundenhilfe. Der Chef sei im Urlaub leider krank geworden.