Alles auf der Insel ist kleiner, überschaubarer, näher an der Natur, teurer und mehr “Hippie“. Prominente “laufen so mit“

Die Cala Mastella liegt abseits des Weges. Eine kleine, verträumte Sandbucht. Hinter einem schroffen Felsvorsprung versteckt sich ein Restaurant. Ein schmaler, rutschiger Pfad führt zu dem Lokal. Eine einfache Holzhütte, davor eine Terrasse mit rustikalen Tischen und wackligen Stühlen. Es gibt keine weißen Decken, keine abwechslungsreiche Speisekarte.

Gekocht wird über offenem Feuer. Der Fisch, der hier serviert wird, kommt direkt aus dem Meer. Das "El Bigote" ist Ibizas bekanntestes Fischrestaurant. Telefonisch allerdings nicht erreichbar. Wer hier essen will, muss einen Tag vorher persönlich vorbeikommen und einen Platz reservieren. Juan Ferrer, den alle wegen seines Schnurrbarts "El Bigote" nennen, macht da angeblich keine Ausnahme. Nicht einmal bei Spaniens König Juan Carlos.

Die Geschichte von "El Bigote" und dem König macht immer noch die Runde, obwohl sie sich schon vor einiger Zeit ereignete. Wie alle Jahre war Juan Carlos auch in jenem Sommer von Mallorca nach Ibiza gesegelt. Seine Yacht hatte vor der Cala Mastella geankert, zwei Bodyguards waren mit dem Beiboot zu dem kleinen Fischrestaurant getuckert. Sie wollten einen Tisch fürs Mittagsessen reservieren. "Morgen gerne, heute sind wir ausgebucht", soll ihnen der resolute Wirt mitgeteilt haben. Alles Reden half nichts. Die zwei zogen unverrichteter Dinge wieder ab.

"Leider hatten uns die beiden nicht verraten, dass der König bei uns essen wollte", klärt uns der Wirt auf und fügt lächelnd hinzu: "Natürlich hätten wir für Seine Hoheit ein Plätzchen freigeräumt." Wie auch immer die Geschichte verlief: Seitdem biegen sich unter dem Besucheransturm die Balken auf der Holzterrasse von "El Bigote" in bedrohlichem Ausmaß. Das Geschäft brummt.

Die Insel präsentiert sich in diesen Sommerwochen wie eh und je. Im Umkreis von 20 Kilometern findet man verträumte Täler, große Hotelanlagen, einsame Buchten und volle Strände. Ibiza mit seinen 120 000 Einwohnern gehört wie Formentera zu den Pityusen, einer Inselgruppe der Balearen. Die Griechen nannten die beiden Eilande südlich von Mallorca wegen ihrer Pinienwälder so.

Wie jedes Jahr wimmelt es auf Ibiza auch diesmal wieder von echten Künstlern, Hochstaplern, Playboys und gealterten Blumenkindern. Die Insel ist immer noch eine Bühne für allerlei Verrückte und andere, die ganz normal sind. Es herrscht eine heitere, gelassene und entspannte Urlaubsstimmung. Alle lassen sich vom berühmten Ibiza-Flair verzaubern. Unter den vielen Touristen soll es sogar ein paar Mallorquiner geben, die sich hier vom Stress auf ihrer Insel erholen.

Was hat Ibiza, was Mallorca nicht hat? "Mallorca ist für mich wie Hamburg, Ibiza wie Blankenese", sagt der Hamburger Journalist Dieter Abholte, 67, Chefredakteur des Monatsheftes "Ibiza Heute". "Hier ist alles etwas kleiner, überschaubarer, die Entfernungen sind kürzer. Es gibt keinen deutschen Klub, keine Düsseldorfer Clique, keinen Hamburger Hügel. Hier gibt es Strandrestaurants, wo man noch mit den Füßen im Sand sitzt. Leben und leben lassen heißt die Devise. Dafür ist alles etwas exklusiver und teurer als bei unserer großen Schwester im Norden."

Besonders in Ibiza-Stadt, dem Hauptort der Insel, der sich auf Katalanisch Eivissa nennt. Den schönsten Blick bietet die Insel dem Ankömmling, wenn er sich mit dem Schiff vom Meer her nähert. Vor ihm liegt der Stadthügel im diffusen Licht der untergehenden Sonne, mit seinen verschachtelten Häusern, weiß und ockerfarben, mit der mächtigen Festungsmauer und ganz oben an strategisch wichtiger Stelle die Kathedrale. Der Hügel ist die Visitenkarte Ibizas. Karthager und Römer hatten hier ihre Tempel errichtet. Für kurze Zeit gab es eine christliche Basilika und viele Jahrhunderte lang sogar eine arabische Moschee. Nach dem Sieg über die Araber begannen die christlichen Eroberer mit dem Bau der Kirche. 1592 wurde sie fertiggestellt. In diesem Jahr entsteht ein weiteres Bauwerk am exklusivsten Platz der Insel. Ein neues Parador-Hotel.

Im Hafen herrscht buntes Treiben. Die Tische vor den Restaurants und Cafés sind gut besetzt, es gibt nur noch wenige freie Plätze. Die Boutiquen haben ihre Schaufensterpuppen nach draußen gestellt. Sie tragen weiße Kleider, weiße Schals, weiße Hüte. Dieser Sommer verspricht hell und freundlich zu werden. Hin und wieder taucht ein bekanntes Gesicht auf. Man kennt es aus dem Fernsehen. Doch niemand dreht sich um. So ist das eben auf Ibiza.

"Erst kürzlich spazierte Schumi mit seinem Sohn über die Hafenpromenade, und keiner nahm Notiz von ihm", erzählt Ibiza-Kenner Dieter Abholte. Auch Sylvester Stallone unterhielt sich mit ein paar Touristen und ließ sich bereitwillig mit ihnen fotografieren, völlig unspektakulär. Die Reichen und Berühmten werden behandelt wie alle anderen Urlauber auch. Anders als auf Mallorca, wo Prominente ihren besonderen Stellenwert ausleben.

Ibizas spektakulärste Sehenswürdigkeit ist sicherlich die Altstadt Dalt Vila. Sie gehört zum Weltkulturerbe. Über die Zugbrücke geht es durch das Portal de Ses Taules, das von zwei kopflosen Römerstatuen flankiert wird, direkt in die Oberstadt. Die steilen Gassen mit ihren jahrhundertealten Pflastersteinen und die schmiedeeisernen Balkons versetzen den Besucher in eine andere Zeit. Berühmte Restaurants bitten hier ihre Gäste zu Tisch. Das populärste ist wohl das "El Olivo" mit seiner französischen Küche.

Wenn es Nacht wird auf Ibiza, dann heißt es: Ab in die Disco. Aber nicht vor ein Uhr. Wer früher kommt, wird belächelt. Mehrere Musiktempel kämpfen um die Gunst des Publikums. Entscheidend sind die DJs. Bis zu 500 000 Euro verdienen sie in der Saison. Die Nase vorn hat zurzeit der in Paris geborene David Guetta im "Pacha". Es ist der traditionsreichste Klub der Insel. Und David gehört zu den zehn besten DJs der Welt. Der Eintritt kostet 60 Euro, ein Bier stolze zwölf. Dafür geht es aber auch bis morgens um sieben Uhr.

Wer durchhält, besucht nach durchtanzter Nacht die "Croissant Show". Ein spezielles Café in Ibiza-Stadt, in dem sich Nachtschwärmer und Frühaufsteher bei frischen französischen Backwaren und starkem Kaffee fit für den Tag machen.

Mit neuen Kräften geht es zum Strand. "50 Badebuchten gibt es auf der Insel, eine schöne als die andere. Davon sind 35 reine Sandstrände. Eine Riesenauswahl für den Urlauber", berichtet Susanne Förster. Sie arbeitet seit vielen Jahren als TUI-Reiseleiterin auf Ibiza.

Zu den schönsten Buchten gehören die Ses Salines: Dünen wie auf Sylt, flaches, sauberes Wasser. "Wir haben hier mit unserer Tochter fast alle Urlaube verbracht. Seit 15 Jahren kommen wir jeden Sommer", schwärmen Manfred und Arneke Mordelt. Diesmal hat Catherina, die mittlerweile 18 Jahre ist, ihre Freundin Clara mitgebracht. Alle vier sitzen im "Jockey Club", dem angesagtesten Strandcafé, und lassen sich von Jessica aus Hannover bedienen: Cola für 3,50 Euro, ein Bier 2,50 Euro oder ein Glas Wein für 5 Euro.

Ibizas längster und prominentester Strand ist die Platja d'en Bossa, in etwa vergleichbar mit der Playa de Palma auf Mallorca. Nicht ganz so turbulent, nicht ganz so laut. Am Ende der Platja d'en Bossa liegt eines der besten Strandrestaurants Ibizas: "Jimmys Coco Beach". Josef Immler, 47, den alle nur Jimmy nennen, betreibt hier ein Lokal der besonderen Art. Er bietet von der Currywurst für 13 Euro bis zum Kaviar aus dem Iran (68 Euro) für jeden Geschmack und Geldbeutel etwas Leckeres an.

Und wer sich nach dem Essen bei einer gepflegten Siesta erholen möchte: Gleich vor Jimmys Lokal am Strand stehen bequeme, breite Sonnenliegen. Nicht überrascht sein, wenn beim Aufwachen Till Schweiger oder Jan Fedder freundlich herübergrüßen. Sie gehören zu Jimmys Stammkunden.

Wenig Berührungspunkte zu anderen Touristen dagegen gibt es im Südwesten, der einsamsten Gegend der Insel mit dem höchsten Gipfel Ibizas. Der Sa Talaia ist nur 475 Meter hoch, eine bescheidene Höhe im Vergleich zu Mallorcas Gebirgszug Serra de Tramuntana (1445 Meter). Die vier Kilometer lange Wanderung von Sant Josep zum Sa Talaia dauert zwei Stunden. Nicht weit von Sant Josep liegt Sant Agusti. Rund um das Dörfchen haben sich viele Deutsche angesiedelt. Berühmt sind die Wehrkirche aus dem 19. Jahrhundert und das Restaurant "Ca'n Berri Vell". Hier gibt es das beste Kaninchen der Balearen.

Zurückgezogen auf dem Lande leben immer noch mehr als 1000 Hippies. Die Blumenkinder von einst sind älter geworden. Doch ihre Märkte sind sehr beliebt. In Es Canar bei Santa Eularia, einem Touristen-Städtchen mit schönen Hotels und guten Restaurants, betreiben sie im "Club Punta Arabi" jeden Mittwoch den größten Markt. Und in der einst berühmten Hippiekneipe "Anitas Bar" in Sant Carles treffen sich heute noch Einheimische und Zugereiste, und sei es nur, weil sie hier ihr Postfach haben. Aber sonnabends kommen sie alle nach Sant Carles. Hinter der Bar "Las Dalias" hat sich der ursprünglichste aller Hippiemärkte etabliert. Dann sind auch Djin und Mora mit dabei: Mora, die ungekrönte Hippiekönigin aus Deutschland, und ihr Ehemann Djin. Der heute 59-Jährige hat einst an der Kunstakademie in Düsseldorf bei Beuys studiert und lebt vom Verkauf seiner Skulpturen. Ebenso sind Moras legendäre Häkelkleider immer noch gefragt. "Jeden Morgen beginne ich um 5 Uhr mit meiner Arbeit", sagt die fast Siebzigjährige. Und sonntags treffen sich alle in der Cala Benirras hoch oben im Norden und trommeln für den Frieden. Bis zu 2000 Menschen versammeln sich dann an der Küste, sehen der untergehenden Sonne zu und senden ihre rhythmischen Friedenssignale hinaus aufs Meer.