Mit den Hausbooten, die nicht wie Schiffe aussehen, lassen sich führerscheinfrei Plauer See und Havel erkunden

Man muss erfinderisch sein, um Menschen in diese abgelegene Ecke des Landes zu locken. Günter Großmann nickt und lässt seinen Blick über das Schilf und den Plauer See wandern, als läge das große weite Meer vor ihm. Er ist ein leiser Typ, kein Mann der großen Worte, aber er ist überzeugt von seiner Idee. "Unsere Bungalowboote sind einfach", sagt der Mittfünfziger aus Aschaffenburg, "aber die Idee kommt gut an. Vor allem, weil man keinen Bootsführerschein braucht."

Großmanns Erfindungen liegen an einem Steg in Plaue an der Havel, kleine Blockhäuser, blau, gelb, rot oder lindgrün gestrichen, mit zwei Rümpfen drunter. Man denkt automatisch an Schweden, wenn man sie hier liegen sieht, an Ikea, man schüttelt den Kopf über diese Gartenlauben, die Schiffe sein sollen. Kann man mit denen wirklich in See stechen?

"Man kann", versichert Großmann und schmunzelt unmerklich. Zuvor allerdings muss man elf Seiten Theorie studiert und eine kleine praktische Einführung in die Technik an Bord und die wichtigsten Regeln der Binnenschifffahrt bekommen haben. Grüne Tonnen lässt man links liegen, rote rechts. Wer von rechts kommt, hat Vorfahrt. Schwimmende Häuser müssen Segelyachten, Ruderbooten und Kanus ausweichen. "Und fahren Sie nicht ins Schilf", sagt Thomas Brauckmann, Großmanns Kompagnon. Ins Schilf? Natürlich nicht, denke ich still.

Die Sonne schickt grelle Strahlen über den Plauer See, als wir die Leinen lösen und in See stechen mit diesem eigentümlichen Gefährt, Herr Brauckmann winkt, der Schalthebel vibriert, Wasser gurgelt. Ein entgegenkommender Freizeitkapitän lächelt milde bei unserem Anblick. Mein Mann, sonst auf größeren Yachten unterwegs, blickt verschämt zu Boden. Wo ist der Kompass? Darf man durchs Naturschutzgebiet fahren? Ist es hier tief genug? Ich zucke hilflos mit den Schultern, reiche ihm Gewässerkarte und ein selbst gebasteltes Lot. "Das sind die einzigen maritimen Hilfsmittel an Bord."

Die Bungalowboote, so stellt sich schnell heraus, sind wirklich einfach. Gelotet wird mit einem Bindfaden mit Gewicht dran. Kompass? Fehlanzeige. Dafür gibt es sogenannte Ankerpfähle, mit deren Hilfe man sich in flache Buchten legen kann. Es gibt Warmwasser, Dusche und Toilette, Gasherd, Kühlschrank. Und eine große Terrasse.

Es dauert nicht lange, da macht sich Entspannung breit, da lässt der erste die Füße von Bord baumeln, da nimmt jemand am Terrassentisch Platz, da füttert Jakob, 7, die Schwäne, die neben uns herschwimmen. Der Plauer See kräuselt sich, Pappeln krallen ihre Wurzeln in moosige Ufer. Wir fahren die Insel Kiehnwerder ab, hören das Schilf rascheln und die Wasserhühner schimpfen. Sehen Fischreiher nach Beute abtauchen, hier und da mal ein kleines Motorboot. Und ganz im Süden dieses kleinen, von Dauercampern besiedelten Eilands eine Landspitze, die wie geschaffen ist für die nächste Nacht. Hier legen wir mit dem Hausschiff an. Darf man das? Mein Mann schaut mich fragend an. Ich zucke die Schultern. Die Wasserschutzpolizei patrouilliert in unserem Rücken, sie stoppt nicht, also scheinen wir hierbleiben zu dürfen.

In der nächsten Nacht klopft der Wind an die hölzernen Wände und fegt ums Flachdach. Die zwei Ankerpfähle, dick wie Masten, ächzen und knacken, manchmal schreien sie metallisch, man denkt an den Film "Titanic", an "Das Boot", während man sich die Decke bis zu den Ohren zieht. Muss ein Hausschiff wie dieses eigentlich Tests durchlaufen, bevor es zu Wasser gelassen und verchartert wird?, frage ich mich. Bei wie vielen Windstärken hebt es ab?

Am Morgen darauf zeigt sich Brandenburg wieder von seiner harmlosen Seite. Wir studieren das Revier: Es ist überschaubar, umfasst Plauer See und Breitlingsee, den Möserschen und den Wendsee, die Havel zwischen Plaue und Bahnitz und den Pritzerber See. Etwas weiter östlich kann man Brandenburg an der Havel und die dahinter liegende Beetzseekette ansteuern. Kein Revier für drei Wochen, aber ein Revier voller sandiger Nischen, voller kleiner Buchten und Seitenarme, in die sich die Bungalowboote mit ihren geringen Wassertiefen vortasten können.

Über die Brandenburger Niederhavel fahren wir als nächstes gen Brandenburg, Schilf säumt die Ufer der schmalen Wasserstraße, hin und wieder liegt ein Schiffchen im grünen Dickicht. Und immer wieder: Fischreiher. "Die gibt es hier jede Menge", winkt die burschikose Dame vom kleinen Bootsverleih ab, "die sind nichts Besonderes." Doch. Für Städter sind Fischreiher etwas Besonderes. Auch die einsamen Flecken sind besonders, die kleinen sandigen Nischen, die unberührte Natur, die Bäume, die sich dem Wind gebeugt haben. Von solchen Plätzen gibt es viele hier an den Ufern der Brandenburger Gewässer.

Wer sich an Brandenburg an der Havel vorbei und gen Nordosten tastet, lernt den Beetzsee kennen, der sich durch brandenburgisches Niemandsland schlängelt. Ein Supermarkt? Die Anfrage wird in Radewege mit einem überraschten Blick quittiert, "gibt's nicht", antwortet ein älterer Herr, der einen kleinen Langgasthof betreibt, "dafür muss man nach Brandenburg fahren." Wer am Abend ein gemütliches Plätzchen gefunden hat, wird vielleicht genau da von jungen Leuten besucht, die bassreiche Musik aus Autolautsprechern schallen und eine Plastikflasche Hochprozentiges kreisen lassen.

Doch meist zwitschert und tschilpt es rundherum, meist kommen nur Biber, Wasserhuhn und Fischreiher zu Besuch, wenn man zwischen zwei Schilfstreifen vor Anker geht. Und Mücken, ja, die kommen auch. "Schon wieder einer, der uns winkt", sagt mein Mann, während er ein kleines Feuer in unserer Feuerschale entfacht. Ich winke zurück. Sehe wieder einen Motorbootfahrer lächeln über die Kreuzung aus Motorboot und Ferienhaus. Brandenburg lernt seine neuen Bungalowboote kennen.