In einem kleinen Städtchen in der Nähe von Freiburg gibt es gleich fünf Orgelbaubetriebe. Tüftler und Experten zeigen ihr Können.

Ja, sie sind ein bisschen scheu, die Waldkircher. Vorsichtig wie die Hamburger, vielleicht. Aber das Städtchen mitten im Elztal, gerade 20 Minuten entfernt vom höchst populären Freiburg, ist einen Besuch wert. Allein Achim Schneider ist ein Grund: Der freundlich-zurückhaltende Mann blüht sichtlich auf, wenn man ihn auf seinen Lebensinhalt Orgelbau anspricht. "Letztes Jahr", erzählt er in seiner Werkstatt, "hat einer das Schild an der Autobahn gesehen." Von der A5 (Karlsruhe-Basel) sind es keine fünf Minuten hierher, und die Orgelstadt Waldkirch wirbt dort um Besucher. Schneider betreibt den jüngsten der fünf Orgelbaubetriebe - ganz schön viel für ein Städtchen, das knapp über 20 000 Einwohner hat. Jede Orgelfirma hat ihre Marktlücke - auch Schneider.

Wenn es wieder wärmer wird, kommen die Gäste spontan in seine Werkstatt. Schneider hat die Serinette, eine kleine Drehorgel in der Diskant-Lage, wieder zum Leben erweckt. Diese Vogelorgeln dienten für - sogar erfolgreiche - Versuche, Kanarienvögeln das Singen beizubringen, an die 250 Jahre ist das her. Aber Schneider baut auch konventionelle Drehorgeln; gerade ist ein Instrument in Arbeit, das nach der französischen Skala funktioniert. Diese hat nicht - wie die meisten deutschen Drehorgeln - 20, sondern 27 Töne und kann entsprechend mehr. Viele Leute in Waldkirch sind Orgelexperten - dass die Register von Schneiders Drehorgel auf besondere Weise pneumatisch angesteuert werden und er so genannte Kartonnoten einsetzt, wird manchen etwas sagen. Eine Straße weiter hat Schneider einen eigenen Laden, in dem es nicht nur allerlei rund um die mechanischen Musikinstrumente gibt. Schneider ist ein Tüftler, und seine Kult-Uhr, ein Kubus, der sich in vielen Sprachen und Dialekten betreiben lässt, hat Witz.

Die Waldkircher Orgelwelt wäre nichts ohne Ignaz Bruder (1780-1845), auch er muss ein Tüftler gewesen sein. Der Kopf einer ganzen Orgelbauerdynastie setzte bis heute gültige Maßstäbe, und er baute Drehorgeln, deren Klang ausgesprochen bestechend ist. Darüber hinaus versah er seine Instrumente mit kleinen Figuren auf richtigen Bühnen, die sich zur Musik drehen.

Nicht nur Bruders Instrumente werden in Waldkirch gesammelt; zum Beispiel im Orgelbauersaal. Die einstige Autowerkstatt gehört einer Stiftung, die sich mit der Orgelbaugeschichte Waldkirchs beschäftigt. Auch Orchestrione, Flötenuhren und sogar eine Kirchenorgel sind hier zu finden. Wolfgang Brommer, auch er Orgelbaumeister, hat das Sagen. Zusammen mit einem Partner baut und restauriert er in der Werkstatt nebenan nicht nur Drehorgeln, sondern auch Instrumente für Kirchen und Konzertsäle. Brommer hat die Welt nach Waldkirch geholt - Aufträge aus Asien, aus Südamerika. Apropos: Zum alle drei Jahre stattfindenden Orgelfest lud Brommer chilenische Musiker an die Elz ein. Straßenmusiker, die mit ihren Drehorgeln und Rucksacktrommeln Waldkirch in einen jubelnden Hexenkessel verwandelt haben.

Der Orgelbauer will sich selbst überhaupt nicht im Vordergrund sehen. Auch dem Elztalmuseum, das von der Kommune betrieben wird, wolle die Stiftung keine Konkurrenz machen, betont er. Trotzdem schätzt der Meister die Zahl der Besucher im Orgelbauersaal pro Jahr auf 3500 bis 4000 - Führungen und Konzerte (in diesen Tagen startet die achte eigene Reihe) mitgerechnet. Die Zahlen für 2009 sind noch nicht fertig addiert.

Die Leute von der Orgelstiftung haben immerhin 82 Instrumente zusammengetragen. Es gehe nicht nur um Geschichte, sondern vor allem auch um die Technik der Instrumente, die anhand von Plexiglas-verkleideten Drehorgeln gezeigt wird. "Das kommt gut", sagt Brommer und stellt sich an eine Drehorgel, die in seiner Werkstatt erfunden wurde - aus einer handgeschnitzten Maske in der Front quellen ein Haufen in kleinen Pumpen endende Luftschläuche, mit denen das Publikum Becken und alle möglichen anderen Tonwerkzeuge bedienen - also richtig mitmachen - kann: Auf der Expo in Nagoja (Japan) gewann Jäger & Brommer einen Preis, nun wird er bald die nächste Kirchenorgel in China in Angriff nehmen. "Wir setzen nur fort, was die Alten schon gemacht haben", kommentiert Brommer seine Expansion ins Internationale, auch die Bruders seien schon in Moskau gewesen. Wer Brommer zuhört, lernt, dass die Drehorgeln im Grunde "der mp4-Player des Urgroßvaters" waren - die erste Möglichkeit nämlich, Musik reproduzierbar zu machen.

Dass den Waldkirchern da schon mal das neudeutsche Wort "Alleinstellungsmerkmal" über die Lippen kommt, ist gewiss nicht übertrieben. Es ist eine bunte, kleine Welt, zu der nicht nur die Orgelfirmen und das städtische Museum, sondern auch unzählige Privatleute und Vereine gehören. Immerhin rund 20 000 Gäste kommen nach Auskunft aus dem Rathaus jedes Jahr deswegen hierher in die Stadt. Und die Waldkircher können bei aller Scheu ganz schön lebendig werden, wenn es um ihre Orgeln geht.