Alles Bio, alles Öko - dem Trend folgt auch die Reisebranche. Doch längst nicht jedes Umweltsiegel verdient so eine Bezeichnung.

Veranstalter und Organisationen versuchen, mit Gütesiegeln klimaverträglichen Urlaub zu garantieren. Eine umfassende Qualitätsbescheinigung fehlt jedoch noch immer - obwohl sich weltweit Hotels und Pensionen eine grüne Flagge aufs Haus gestellt haben. Sie locken mit wenig bebauter, natürlicher Umgebung, Zimmern ohne Klimaanlage und ohne tägliches Handtuchwechseln. Sie haben Solarzellen auf dem Dach oder nur eine Petroleumlampe für den Abend.

Die Möglichkeiten, sich energiesparend zu präsentieren, sind vielfältig und werden von zivilisationsmüden Großstädtern gern angenommen. Die Naturreisen, Öko-Lodges und Kompensationsangebote boomen.

"In Öko machen" darf jeder. Zahlreiche von unabhängiger Stelle geprüfte Unternehmen führen Umweltsiegel. Die Gütesiegel sollen garantieren, dass Urlauber ihre Spenden in Klimaschutzprojekten gut angelegt wissen. Denn welche Projekte konkret unterstützt werden, ob die Siegel wirklich umweltverträgliche Hotelanlagen bewerben und ob Einheimische als Mitarbeiter in den Tourismuszentren geschult werden, ist für den Kunden nicht immer erkennbar. Namen wie Eco-Label, Green Globe, Atmosfair und Gold Standard geistern durch den Dschungel der Bescheinigungen. Es fehlt an einem weltweiten, offiziellen Tourismus-Siegel, das die Guten von den Schlechten trennt, das Nachhaltigkeit für den Reisenden wie für die Urlaubsregion garantieren kann.

Nun aber soll es bald kommen, das internationale Siegel, das alle anderen einschließt. WWF-Tourismus-Expertin Martina Kohl berichtet von einem Umweltprogramm der Vereinten Nationen, der Welttourismusorganisation und anderen, die als Tourism Sustainability Council (TSC) einen Kriterienkatalog herausgegeben haben, dem sich Unternehmen aus der Branche unterstellen können. "Der Verbraucher muss dann nicht mehr gucken, welches Hotel was für ein Siegel führt und ob das anerkannt ist. Er muss nur noch auf das TSC-Siegel achten", erläutert Kohl.

Sich als Veranstalter von dieser Kommission begutachten zu lassen, sei nach wie vor freiwillig. Man hoffe jedoch auf große Resonanz und darauf, dass neben bereits nachhaltig agierenden Reiseveranstaltern auch die Großen der Branche ihre nachhaltigen, besonders naturnahen und umweltschützenden Reisen, Hotels oder Ausflugsangebote unter diesem Gütesiegel eintragen lassen.

Bis das seit über einem Jahr laufende Projekt des TSC ein umfassendes Siegel offiziell einführt, müssen Urlauber genau prüfen, unter welchen Kriterien sich Unternehmen um Nachhaltigkeit und CO 2 -neutrales Reisen bemühen. Der Verein forum anders reisen mit 149 Reiseanbietern stellte 2009 ein Zertifikat vor, durch das Veranstalter sich freiwillig in ihrer ökologischen, ökonomischen und sozialen Vorgehensweise beurteilen lassen können.

Das CSR-Siegel des Forums gilt deutschlandweit als anerkanntes Nachhaltigkeitssiegel im Tourismussektor, das sich neben klimatechnischen Projekten für soziale und kulturelle Werterhaltung einsetzt. "Auch der Gold Standard gilt als vertrauenswürdig", so Martina Kohl. "Er zertifiziert ausschließlich Projekte, die zur Kompensation von Kohlenstoffdioxid geschaffen wurden."

Abgebaut beziehungsweise gebunden wird CO 2 durch Photosynthese. Entsprechend engagieren sich Verbände und Unternehmen an der Aufforstung von Wäldern, lassen in Dritte-Welt-Ländern Bäume pflanzen, zeigen Einheimischen auch, wie sie auf Sonnenenergie setzen können, statt mit Diesel zu kochen und zu heizen.

Es sind solche Projekte, in die Spendengelder von den Urlaubern fließen, die ihre Umweltbelastung kompensieren wollen. Die Höhe der Kompensation von CO 2 berechnen Unternehmen wie Atmosfair und Myclimate. Die Klimabilanz eines Passagiers auf dem Flug nach Mallorca wäre demnach mit 18 Euro abgegolten. Gezielt bezifferte der WWF in einer Studie zum "touristischen Klima-Fußabdruck" die "Umweltkosten" speziell dieses Urlaubs, denn wenn es um seine Lieblingsinsel geht, hört der deutsche Urlauber zu. Flug, Unterkunft und zweiwöchiger Urlaub produzieren zusammen so viel schädliches Abgas wie ein Jahr Autofahren: 14 Tage Mallorca = 1221 kg CO 2 . Im Schnitt stehen einem Erdenbürger 3000 kg CO 2 pro Jahr zu.

Da fragt man sich, ob man überhaupt noch verreisen sollte, wenn Umweltverbände mahnen, dass erst ab 700 Kilometer Entfernung zum Ziel ein Flug gerechtfertigt und Bahnfahren ansonsten besser ist. WWF-Expertin Kohl rät nicht gleich vom Reisen ab. "Aber man sollte schon vor der Reise abwägen, ob es denn in die weite Welt gehen muss, ob man nicht auf einen Flug verzichten kann."

Wer seine Traumreise nach Australien antritt, kann das schlechte Gewissen mit einer Geldspende beruhigen und seine CO 2 -Bilanz so wieder neutralisieren. Unternehmen wie Atmosfair aus Berlin bieten diesen Service auf ihren Webseiten an. Die schon als "Ablasshandel" verschriene Kompensation von Emissionen ist auch für Martina Kohl "nur die zweite Wahl". Verursachten Schaden gutmachen sei das eine, ihn gar nicht erst zu verursachen um einiges wünschenswerter.

In der Studie wurden folgende weitere Werte berechnet:
5 Tage Busreise Südtirol = 216 kg CO 2 ,
14 Tage Ostsee = 258 kg CO 2 ,
10 Tage Allgäu = 297 kg CO 2 ,
7 Tage Skifahren Voralberg = 422 kg CO 2 ,
7 Tage Mittelmeerkreuzfahrt = 1224 kg CO 2 ,
14 Tage Mexiko = 7218 kg CO 2 .

Wer nach Mexiko, in die Karibik oder den fernen Osten fliegt, hat die persönlich zugestandene CO 2 -Emission von zwei Jahren auf dem Gewissen. Bleibt die philosophische Frage, wie weit man reisen muss, um Urlaub zu machen? 14 Tage Balkonien = 58 kg CO 2 .