Wer der Vergangenheit von Phuket und Ko Samui nachtrauert, sollte nach Ko Chang fahren. Das zweitgrößte Eiland des Landes, gelegen am östlichen Golf, erschließt sich kontrolliert dem Tourismus. Hier gibt es tatsächlich noch romantische Strände und sattgrüne Tropenwälder.

Shirley ist gut gebaut, hat schwarze Stoppelhaare und hübsche Ohren. Früher war sie arbeitslos und schlug sich mit Gelegenheitsjobs in Bangkok durch. Seit einigen Jahren jedoch hat Shirley eine gute Arbeit im Öko-Tourismus auf Ko Chang, Thailands zweitgrößter Insel. Auf ihrem breiten Rücken trägt die Elefantendame im sachten Wiegeschritt jetzt Touristen durch den Regenwald, der die schöne Insel mit ihren 700 Meter hohen Bergketten nahezu lückenlos bedeckt. Gemeinsam mit elf anderen Dickhäutern lebt Shirley in Ban Kwan Chang, einem von drei Elefantencamps, die nach Bestreben von König Bhumipol auf der Insel eingerichtet wurden, denn Thailands Oberhaupt wollte die vom Verkehrschaos gestressten, von den Autoscheinwerfern geblendeten und irritierten Wanderelefanten aus Bangkok herausholen und ihnen ein natürlicheres Dasein bieten.

Zwei Stunden dauert so ein Elefantentrekking im Norden der Insel, in der letzten halben Stunde kann in einem Urwaldfluss gebadet werden: Elefanten mögen das Wasser, für sie ist die Planscherei krönender Abschluss des Jobs. Die meisten Touristen dagegen kneifen und bleiben mit der Kamera am Ufer. Nur zwei jüngere Briten trauen sich und steigen zu den Elefanten und Mahuts ins Wasser, zur Belohnung wird einer der beiden Engländer gleich mehrfach mit einem kräftigen Wasserstrahl aus dem Rüssel abgeduscht.

Passenderweise heißt Ko Chang übersetzt Elefanteninsel. "Der Name hat aber nichts mit den Elefantencamps zu tun, die ja noch recht neu sind. Wenn man sich der Insel nähert, dann sehen die dunklen Berge aus wie die Rücken einer Elefantenherde", sagt Dirk Harhoff. Der 37-Jährige aus Höxter lebt seit fast fünf Jahren auf Ko Chang. Gemeinsam mit seiner thailändischen Frau betreibt er in Klong Prao ein Touristenbüro und vermittelt alles, was Besucher aus Europa benötigen, ob Unterkunft, Transfer zum Flughafen in Bangkok, Bootsausflüge, Schnorcheltrips oder Dschungel-Trekking. "Wer da hinauf will, der sollte schon etwas Fitness mitbringen", meint Dirk Harhoff und zeigt auf die sattgrünen steilen Tropenberge, die sich im Inselinnern auftürmen. Dampfende Hitze, steile Pfade, Waten durch trübe Bäche, Begegnungen mit Insekten oder gar gierigen Blutegeln sind nicht unbedingt eine Attraktion für den klassischen Pauschalurlauber. Aber für Abenteuerlustige ist so eine Tagestour eine spannende Abwechselung zum Strandleben.

Funsportarten wie Wasserski, Banana Boat und Jetski kann man allerdings nicht buchen, denn all das ist auf der Insel schlichtweg verboten. Ko Chang ist ein Traum von Sonne, Meer, Strand und Tropenwald, eine Perle, die im östlichen Golf von Thailand im Grenzgebiet zu Kambodscha glänzt. Der größte Teil Ko Changs steht als Nationalpark unter strengem Naturschutz: Der undurchdringliche und fast düster wirkende tropische Regenwald, der die Berge überzieht, gilt als der schönste Thailands und als einer der am besten erhaltenen in ganz Südostasien. Die "Ringstraße" um die Insel erinnert mehr an ein Hufeisen, denn im Süden ist die Verbindung noch nicht geschlossen, und durch das Inselinnere zieht sich nicht einmal eine Piste. Neben Ko Chang gehören noch 46 weitere Inseln und Inselchen mit leeren Stränden, einsamen Buchten und Höhlen zu diesem geschützten Archipel. Speedboote oder gemütliche Holzkähne verkehren zwischen den Eilanden, und unter Wasser warten fantastische Schnorchel- und Tauchgründe. Wegen der Nähe zu Kambodscha lässt sich ein Badeurlaub auf Ko Chang gut mit einem Abstecher zu den religiösen Weltwundern von Angkor, dem größten Tempelkomplex der Welt, kombinieren. Angeboten werden beispielsweise Drei-Tages-Ausflüge mit komfortablen Kleinbussen. Highlight ist eine Besichtigung von Angkor Wat, das im 12. Jahrhundert von den Gottkönigen der Khmer aus dem Dschungel gestampft wurde.

Bei all der Vielfalt und Schönheit ist es keine Überraschung, dass sich der Tourismus auf Ko Chang rasant entwickelt. Für die Hotels, die an den Stränden der Westküste aus dem Palmenwald schießen, gelten strenge Auflagen, mehr als dreigeschossige Bauweise wird nicht zugelassen. Seekabel für Strom und Telefon wurden verlegt. Die Autofähren, die in einer halbe Stunde vom Festland zum Sapparot Pier schippern, sind voll mit Farangs, schwitzenden Langnasen aus dem Westen - die einen mit Rucksäcken unterwegs zu einer preiswerten Strandhütte, die anderen mit Rollkoffern zu einem Vier-Sterne-Resort. Der nordwestliche Teil der Ringstraße hinter dem "White Sand Beach" hat sich bereits in ein kilometerlanges turbulentes Straßendorf mit Bars, Restaurants, Supermärkten und Garküchen verwandelt. Doch noch ist Ko Chang ein Fernwehziel allererster Güte mit einer Mischung aus Backpackern und Pauschaltouristen, aber ohne Massentourismus. Manche sagen, Ko Chang sei wie Phuket vor 30 und Ko Samui vor 15 Jahren. Am Klong Phrao Beach lugen aus den Kokospalmen noch einige Bambushütten auf Stelzen hervor, die für ein paar Euro pro Nacht zu mieten sind. Daneben relaxen Pauschalurlauber in Luxushotels, eingebettet in wundervolle tropische Gärten. Im Restaurant Chumnan, eher eine Garküche im Familienbetrieb, werden köstliche Gerichte für 30 Baht serviert, das sind umgerechnet 65 Cent. Zusammen mit einer Flasche Bier in XXL-Größe kommt man auf 1,70 Euro. In Restaurants wie diesen treffen sie sich dann wieder: die Backpacker und die Touristen mit den Rollkoffern.

Ko Chang ist nach Phuket und vor Ko Samui die zweitgrößte Insel Thailands. Trotzdem ist es einigen Rucksacktouristen an den fünf Hauptstränden der Westküste schon zu eng und voll geworden. Sie weichen aus auf die Ostseite der Insel, die in weiten Teilen noch ursprünglich wirkt. Die wenigen, meist einfachen Resorts und Fischrestaurants an der Ostküste fügen sich unauffällig in die Landschaft ein. Im Fischerdorf Salak Kok kann man Ruder- oder Paddelboote mieten und damit die stille, wildromantische Mangrovenküste erforschen. Stark im Kommen ist neuerdings der abgelegene Long Beach im Südosten der Insel, wo zwischen Palmen, Strand und Wasser, das in allen Blau- und Grüntönen schimmert, schon mal das Gefühl aufkeimen kann, man befände sich im Hollywood-Streifen "The Beach", und irgendwo hier stelle Leonardo diCaprio mit einem Bambus-Speer im seichten Wasser den Fischen nach.