Die asiatische Metropole putzt sich für die Expo 2010 heraus. Es wird die größte Weltausstellung aller Zeiten.

Vor dem Hotelfenster recken sich die Gebäude-Ikonen der Skyline Shanghais in den Himmel, drinnen vertraute Klänge aus dem Lautsprecher. "Hier ist das NDR2-Verkehrsstudio: drei Kilometer Stau vor dem Elbtunnel", vermeldet die wohlbekannte Stimme. Verrückte Welt - Hamburger Radio mitten in Shanghai? Ein betagtes Frachtschiff tuckert draußen den Huangpu flussaufwärts vorbei. Wieso Elbtunnel?

Unter dem Huangpu gibt es auch einen Tunnel, und die Staus hier sind oft länger als drei Kilometer. Es dauert einen Moment, bis sich die scheinbar widersprüchlichen Sinneseindrücke von Augen und Gehör wieder geordnet haben. Es stimmt beides - wir sind in Shanghai, im neuen "Peninsula"-Hotel am nördlichen Ende der Prachtstraße Bund am Flussufer, und ja, es kommt wirklich der Heimatsender live aus dem Radio. Die neueste Technologie macht's möglich: Das Luxushotel bietet in jedem Zimmer Internet-Radio mit Hunderten von Sendern aus aller Welt. Das passt zu Shanghai, hier ist immer alles in Bewegung, und vielen Chinesen kann es gar nicht neu und hip genug sein. Das zeigt auch der Blick aus dem Fenster, das weltbekannte Panorama ändert sich alle paar Jahre ziemlich gründlich. Einziger Fixpunkt bleibt der futuristisch-kitschige Fernsehturm, "Perle des Orients" getauft, mit 486 Metern der höchste Asiens und dritthöchster der Welt.

Etwas niedriger daneben der silbern glitzernde, entfernt einer Pagode nachempfundene Jin Mao Tower, 1998 eröffnet und 88 Stockwerke hoch. Und etwas dahinter überragt ihn die jüngste Neueröffnung von 2008: Der große silberne Flaschenöffner, das Shanghai World Financial Center, 101 Stockwerke und 492 Meter hoch, offiziell dritthöchstes Gebäude der Welt. Selbst nach der Eröffnung des Burj Chalifa in Dubai im Januar kann man sich in Shanghai weiter mit dem Superlativ brüsten, die höchste Aussichtsplattform der Welt zu bieten: Die verläuft nämlich direkt über die Aussparung oben im 100. Stock auf 474 Meter Höhe, während das Aussichtsdeck in Dubai "nur" 454 Meter erreicht. Die Probleme sind aber gleich: Auch in Shanghai (Eintritt für ganz oben: happige 150 Yuan, umgerechnet 15 Euro) herrscht weit häufiger Dunst und Smog als gute Fernsicht. Schon erwachsen nebenan die ersten Etagen des dritten und letzten geplanten Shanghaier Gebäudeturms der Superlative: Der Shanghai Tower soll mal 632 Meter hoch aufragen und 128 Stockwerke bieten. Das mit viel Glas und hängenden Gärten konstruierte, in sich verdrehte runde Gebäude wird nach den Prinzipien der Nachhaltigkeit errichtet - und sollte eigentlich zur Eröffnung der Expo am 1. Mai dieses Jahres fertig sein. Nun wird der gläserne Riese wohl erst 2014 eröffnet.

Wer im Frühling nach Shanghai kommt, hat Pech gehabt. Überall stehen Bauzäune, auf denen wie leichte Ironie das Expo-Motto "Bessere Stadt - besseres Leben" prangt, während Staub und Absperrungen dominieren. Die berühmte Uferpromenade Bund am Huangpu auf der Altstadt-Seite Puxi ist monatelang komplett gesperrt. Eine Enttäuschung für Besucher, denn die Faszination Shanghais, seine harschen Kontraste, sind nirgends sonst so eindrucksvoll zu spüren. "Der Bund wird auf zwei Ebenen untertunnelt, nur zwei Busspuren sollen dann noch oberirdisch verlaufen, dazu gibt es eine völlig erneuerte Uferpromenade", erklärt Expo-Sprecher Zhang Jun. Schnell und radikal sind Erneuerungen in Shanghai meistens - nicht immer zum Vorteil der Stadt und ihrer geschätzt 20 Millionen Einwohner. Derzeit erfindet sich Hamburgs Partnerstadt mal wieder neu - zur Eröffnung der Expo 2010 soll alles schöner als zuvor erstrahlen. Offiziell wurden dafür 18 000 Haushalte umgesiedelt. Ähnlich wie schon 2008 bei den Olympischen Spielen in Peking ist China von höchstem Ehrgeiz getrieben. Das Land will als neue Weltmacht glänzen und die größte Weltausstellung der Geschichte präsentieren. Auf 40 Milliarden Dollar werden die gesamten Investitionen rund um die Expo beziffert.

Südlich der Innenstadt wurde ein bisher brachliegendes Industrieareal von gut fünf Quadratkilometern Fläche als Expo-Gelände bestimmt, über dreimal größer als in Hannover vor zehn Jahren. Während es dorthin gerade mal 18 Millionen Besucher verschlug, erwarten die Organisatoren in Shanghai unglaubliche 75 Millionen Neugierige, wovon 95 Prozent Chinesen sein werden. Die Metropole ist eines der beliebtesten Ziele für den Inlandstourismus - wobei selbst die riesigen Gruppen, die sich täglich durch die Straßen am berühmten Yu-Garten schieben, nur einen schwachen Vorgeschmack auf den Expo-Trubel geben dürften. Für 184 Tage von Mai bis Oktober werden sich auf der Weltausstellung mehr als 240 Staaten und Organisationen in insgesamt 97 Pavillons zum Thema "nachhaltiges und harmonisches urbanes Leben" präsentieren.

Das hat vor allem Shanghai selbst nötig, die Metropole leidet unter urbanen Problemen. "Die Expo bietet die Chance für ein gründliches Facelifting Shanghais, sie ist Anreiz, die Entwicklung zu beschleunigen", sagt Sprecher Zhang Jun. So wird das Metro-Netz gerade dramatisch erweitert, von 230 auf 400 Kilometer Strecke mit hundert neuen Stationen. Während manche Stadtviertel gnadenlos plattgemacht werden, um Platz für noch mehr Hochhäuser, Hotels und Shopping Malls zu schaffen, erleben andere historische Viertel eine Renaissance, werden für wohlhabende Bewohner herausgeputzt. "Die wollen keine armen Leute mehr in der Innenstadt haben", sagt Peter Hibbard, ein englischer Stadtplaner, der seit 1986 in Shanghai lebt und Besuchern individuelle Rundgänge zu architektonischen Kleinoden anbietet. "Mein Kindermädchen wohnte hier, bekam 50 000 Dollar Entschädigung und eine größere Wohnung. Sie ist glücklich", erzählt Hibbard, während um ihn die Bauarbeiter werkeln.

Auf dem Expo-Gelände feiert man täglich Richtfest für Länderpavillons. Der größte und auffälligste ist natürlich der Chinas. Er ist knallrot und sieht aus wie eine umgedrehte Pyramide, die auf einem breiten Sockel steht. Thema der Ausstellung: "Die chinesische Weisheit bei der Entwicklung".

Hamburg ist mit einem eigenen Pavillon vertreten, als einzige deutsche Stadt. Das Hamburg House, einem Referenzhaus in der HafenCity nachempfunden, ist das erste Passivhaus Chinas. Innen ist ein "Supermarkt" mit Hamburger Produkten, ein "Studio Kampnagel", die "Halle des Lächelns", durch das ganze Haus zieht sich der "Baum der guten Wünsche". Auch ein Ort, an dem man sich Hamburg nahe fühlt.