Manche Lieblingswestern wurden nicht in Texas gedreht, sondern in einem Landstrich in Spanien. Dort ist es so schön, dass Schauspieler gleich blieben.

Acuceina Laguia Allue ist sich ganz sicher: Er war es! Vorgestern am frühen Abend an der abgelegenen Playa de los Genoveses! Ihr Schwarm - Willem Dafoe aus Hollywood! Sie hat ihn erst am Strand entdeckt, als die Sonne gerade untergegangen war und der Himmel für einen Moment in Rosarot leuchtete. Es war die zweite Begegnung der beiden. Beim ersten Mal vor über sechs Jahren stand er ein paar Kilometer von hier in der stillgelegten Goldmine von Rodalquilar für den Film "Morality Play - The Reckoning" vor der Kamera von Regisseur Paul McGuigan. Sie hatte damals ein Autogramm bekommen, ein paar Worte gewechselt, durfte ihm einen Kuss auf die Wange drücken. Diesmal lächelt er freundlich, hält im Gehen kurz inne, als sie ihn an der Playa de los Genoveses anspricht, antwortet nicht und geht weiter, als täuschte sie sich. Dabei gibt es keinen Zweifel. Willem Dafoe ist zurück am Cabo de Gata in der andalusischen Provinz Almería - und diesmal will er nicht erkannt werden. Wie Steven Spielberg, Pedro Almódovar, Antonio Banderas und Melanie Griffith vor ihm, die erst zum Arbeiten kamen und seitdem privat hierher zurückkehren, in Rodalquilar wohnen, in Agua Amarga oder San José - abseits vom Rummel, fern der einschlägigen europäischen Celebrity-Treffpunkte, weitab von Paparazzi an Spaniens letzter unverbauter Mittelmeerküste.

Es ist eine Region mit bald fünfzigjähriger Hollywood-Vorgeschichte. Schon Henry Fonda ("Für eine Handvoll Dollar") und Peter O'Toole ("Lawrence von Arabien") kamen hierher, Steve McQueen und Lee Marvin, später die Regisseure Oliver Stone und Stanley Kubric, Stars wie Harrison Ford als Indiana Jones ("... und der letzte Kreuzzug") und Sean Connery als James Bond ("Sag niemals nie").

Über 200 Filme sind hier gedreht worden - damals, als die Wüste von Tabernas im Hinterland vor allem Arizona doubelte und Kino-Western in Europa günstiger zu drehen waren als zu Hause in den USA. Und später, als die Regisseure den Cabo de Gata Nijar-Naturpark an der Küste entdeckten, wo die schönsten Strände nur über Schotterpisten zugänglich sind und die natürliche Kulisse außerhalb der Zeiten existiert, bis heute ohne Eisbuden-Wimpel und Heineken-Leuchtreklame auskommt und Set-Ausstatter an nichts Hand anlegen müssen, wenn Sand und Klippen, Sonne und Meer das zeitlose Bild bestimmen sollen.

Der schlechte Straßenzustand ist ein Glück, denn er hält die Massen ab von diesen Traumstränden: von Playa de los Genoveses, Playa del Mónsul und Playa de los Muertos, wo Wind und Wellen Skulpturen aus Felsen modelliert haben, der Sand gelb und weich und fein ist, manchmal ein paar Dünen die große Badewanne säumen - und wo kein einziges Hotel steht. Weil Leute wie Hans van der Mije diese Küste gegen Baulöwen verteidigen, um den 1987 unter Schutz gestellten Naturpark gekämpft haben und bislang als Gewinner aus allen Konflikten hervorgegangen sind.

Van der Mije war vor über 30 Jahren eigentlich auf der Durchreise aus Holland Richtung Südamerika, ist hier hängen geblieben, hat als Statist in zig Filmproduktionen mitgewirkt, um den Lebensunterhalt zu verdienen. "Warum sollte ich noch weiterreisen? Ich habe hier alles - Kalifornien, Arizona, Mexiko. Und eine Kurve weiter Peru. Diese Gegend vereint alle Landschaften. Mein Paradies habe ich gefunden. Und wenn ich möchte, treffe ich vielleicht Sean Connery oder Penélope Cruz an der nächsten Bar auf einen Mojito."

Als er jünger war, ritt er häufig dutzendmal pro Szene als Statist neben Christopher Lee & Co - und hat nie eine Textzeile gesagt. Van der Mije drängte es erst in den Vordergrund, als es um die Verteidigung "seines" Naturparks gegen Bau-Spekulanten ging: Almería ist der Wilde Westen geblieben, wie Hans aus Holland und Acuceina Laguia Allue ihn lieben, ist wie Arizona am Meer, ist Karl May wie Willem Dafoe und Steven Spielberg es sich wünschen. Absolut kinoreif!

Anfang der 1960er-Jahre begann hier der Hollywood-Boom. Fünf Filme drehte allein Sergio Leone hier, und spätestens seit Anthony Mann Szenen für "El Cid" in dieser Gegend aufnahm, war Andalusiens Nordosten in Hollywood in aller Munde.

Am leichtesten fällt es der Gegend noch immer bei Sonnenaufgang, Arizona zu doubeln: Dann leuchten die Küstenberge glutrot, plötzlich liegen Grand Canyon und Monument Valley in Andalusien, liegt das Cowboyland tatsächlich am Mittelmeer.

Die Natur hat dabei immer auf die nötige Dramatik geachtet: steil abfallende Kliffs, gurgelnde Wellen in der Tiefe zum Beispiel bei Isleta de Moros, eine Straßenkurve weiter versteckte Strände, riesige Agaven zwischen den Felsen und das Meer plötzlich so sanft, als gäbe es die gurgelnden Abgründe hinter der Biegung gar nicht. Die Dünen in Cinemascope aber sind weitgehend verschwunden, die Sandwüste des Lawrence von Arabien, durch die Peter O'Toole 1962 stapfte, gibt es nicht mehr. Sie wurde über die Jahre eimerweise gestohlen. Die vom Wind geformten Berge aus hellem, weichen Sand sind abgetragen - und bilden nun den Grund für die Tomatenplantagen unter Gewächshausplanen, sind in die Fundamente von Südfrüchte-Lagerhallen der Orte außerhalb des Cabo de Gata Nijar-Naturparks eingearbeitet.

Neu gebaut werden darf heute im Park nur innerhalb der Ortschaften, nicht in der offenen Fläche. In Agua Amarga, so etwas wie das Kampen dieser Küste, sind ein paar kleine, designte Hotels wie das "El Tio Kiko" entstanden, in San José ist es das "Cortijo El Sotillo" am Ortseingang, und am Ende der Sackgasse nach Las Negras stapeln sich neue weiße Appartement-Kuben mit bestem Meerblick. Unter den Käufern eines dieser Eigenheime soll Almodóvar sein.

Der deutsche Auswanderer Eckhard Kost hält wenig von solchen Neubauten, hat sich seinen Traum vor den Toren Rodalquilars erfüllt und ein Hotel mit nur sechs Zimmern geschaffen. Er hat halb in den Boden gemauerte ehemalige Zisternen, die regionaltypischen Aljibes, ausgebaut, sehr reduziert und mit Geschmack eingerichtet: ohne Stars, aber mit Pool, Park und traumhaftem Blick in die hügelige Arizona-Landschaft, die im Frühling von zartem grünen Flaum überzogen ist und wenige Wochen später rostrot leuchten wird. Nur noch Kakteen und Agaven setzen dann die grünen Akzente am wüstenhaften Kino-Kap Nordost-Andalusiens.

Was sich über die Jahre geändert hat? Hans van der Mije zuckt mit den Schultern. "Die Namen der Stars." Er lacht. Während die alte Western-Garde Hollywoods das Zeitliche gesegnet hat, sind es heute Antonio Banderas und Melanie Griffith, die übers Wochenende aus ihrem gut dreieinhalb Autostunden entfernten Wohnort Marbella hierher kommen. Anders als zu Hause haben sie am wilden Cabo de Gata ihre Ruhe - wie all die anderen Kollegen aus Übersee, wie Spaniens Oscar-Preisträger Pedro Almodóvar und wie auch Regierungschef Zapatero, der sich gelegentlich mit seiner Familie in der Gegend einmietet.

Es sei denn, sie begegnen ausgerechnet Acuceina Laguia Allue. Ihr können sie nichts vormachen, denn die rüstige Lady in den langen Kleidern ist Vorsitzende der Film-Kommission der Region und zuständig für die Location-Suche, wann immer ein Produzenten-Anruf aus Hollywood eingeht. Sie kennt ihre Stars - und erkennt sie wieder. Zwei Abende nach der Zufallsbegegnung an der Playa de los Genoveses sieht sie Willem Dafoe im Restaurant "La Palmera" in Agua Amarga. Er hat den schönsten Tisch mit bestem Meerblick, eine Frau an seiner Seite. Und diesmal ist er es, der sie herbeiwinkt, ihr einen Kuss auf die Wange drückt, anschließend den rechten Zeigefinger auf seine Lippen legt und ein Geräusch macht, das etwa wie "psssssst!" klingt.