Mit dem Südpazifik vor der Tür ist die Region ein Refugium für Wale, Robben, Delfine, Pinguine und Seevögel. Und man kann sie besuchen.

Man könnte glatt neidisch werden! "Hier zu wohnen, das ist doch wie Urlaub im ganzen Jahr", sage ich zu Rick, der in Kaikoura auf der Südinsel Neuseelands ein kleines Tour-Unternehmen betreibt. Er lächelt und antwortet: "Ja, das ist wirklich ein prima Städtchen. Hier kannst du jeden Tag schwimmen gehen und tauchen, fischen, wandern, und du atmest stets saubere Luft. Was will man mehr?"

Kaikoura liegt im nördlichen Teil der Ostküste Neuseelands, hat 3700 Einwohner und wird umarmt von der bis zu 2600 Meter hohen Gebirgskette Seaward Kaikoura Range mit oft schneebedeckten Gipfeln auf der einen und dem Pazifischen Ozean auf der anderen Seite. Die vielseitige Natur ringsum verleiht der Küstenstadt etwas Majestätisches, sie strahlt Ruhe und Gelassenheit aus. Doch die Region hat nicht nur landschaftlichen Reichtum zu bieten, sie ist mit dem Südpazifik vor der Tür auch ein Refugium für Wale, Robben, Delfine, Pinguine und Seevögel. Und die kann man besuchen.

Rick nimmt mich in einem Auto seiner "Kaikoura Shuttles" mit zum Point Kean an der Ostspitze der Kaikoura-Halbinsel, wo eine Robben-Kolonie beheimatet ist. Kaum haben wir den Wagen verlassen, stolpern wir fast schon über eine Neuseeländische Pelzrobbe. Sie sonnt sich wenige Meter vom Parkplatz entfernt auf einem Felsblock am Ufer. "Da hinten ist noch eine!", ruft Rick und zeigt auf eine Grünfläche vor dem Parkplatz. Tatsächlich hat sich auch dort ein Tier niedergelassen, während vor dem Ufer andere weiter um die besten Plätze zum Sonnenbaden streiten. Doch allzu nahe darf man den Robben besser nicht kommen: "Die können sich erstaunlich schnell bewegen - und wenn sie sich bedroht fühlen, auch ganz heftig zubeißen", warnt Rick. "Näher als zehn Meter solltest du nicht rangehen."

Guter Hinweis: Ein paar Stunden will ich bei den Robben bleiben, und das ja möglichst unverletzt. Es herrscht Ebbe. So kann ich auf dem flachen, steinernen Lagunen-Untergrund fast trockenen Fußes bis vor das Riff laufen. Auf den Felsen dort liegen mehrere Robben, über mir kreisen Seevögel, die Wellen des Ozeans peitschen laut gegen das Riff, im Hintergrund ruhen die Berge. Es ist eine aufregende Natur-Szenerie mit tollen Foto-Motiven.

Zurück am Parkplatz, beginne ich den "Cliff Top Walk": Auf einem gepflasterten Fußweg geht’s hoch zum Klippenweg. Oben, auf dem Plateau der Halbinsel, ist Farmland mit sattem Grün, Büschen und vereinzelten Bäumen. Doch es stockt einem der Atem bei diesem Panorama: Ozean, Gebirgskette, Steilküsten und Buchten. Ich schaue in die Tiefe und sehe zahllose Robben, die auf Felsen sonnenbaden, und viele Seevögel. Der "Cliff Top Walk" ist einer der schönsten Küstenwanderwege in Neuseeland und führt in einer Stunde zur South Bay auf der südlichen Seite der Halbinsel. Von dort ist nach einer weiteren Stunde die Innenstadt erreichbar.

Der Name Kaikoura stammt aus der Sprache der Ureinwohner und heißt übersetzt: Langusten essen. Maori bewohnten schon lange diese Gegend, bevor ab Mitte des 19. Jahrhunderts europäische Siedler kamen und Kaikoura als Walfänger-Zentrum etablierten. Aus jener Zeit stammt das älteste Gebäude der Stadt, das 1860 fertig gestellte "Fyffe House". Es wurde benannt nach dem ersten europäischen Siedler in Kaikoura, Robert Fyffe (1842), und dient jetzt als Museum.

Damals spielte Kaikoura eine bedeutende Rolle beim Walfang - heute organisiert man stattdessen "Whale Watching"-Touren per Boot, Hubschrauber oder Kleinflugzeug, außerdem ist Schwimmen mit Delfinen möglich. Die Wal-Touren nutzt man seit 22 Jahren als Einnahmequelle und entwickelte sie zum lukrativsten Geschäft der örtlichen Tourismus-Industrie. Aus der einst verschlafenen Ortschaft der Fischer und Farmer ist eines der beliebtesten Ferienziele des neuseeländischen Insel-Staates geworden.

Wale schwimmen an der Küste nicht nur vorbei: Eine Art dieser Meeressäugetiere, der Pottwal, lebt hier sogar ständig. Wegen stürmischen Wetters am letzten Tag meines Aufenthaltes muss ich jedoch auf die geplante Beobachtungs-Bootstour verzichten. Ich tröste mich damit, dass ich zuvor Touristen traf, die von einer solchen Tour enttäuscht zurückkehrten. Denn sie hatten Pech, sahen nur einen oder zwei Wale oder bloß deren Schwanzflosse aus großer Entfernung - das war ihnen zu wenig angesichts eines Halbtagestour-Preises von 145 Neuseeland-Dollars. Immerhin erhält man aber 80 Prozent des Geldes zurück, wenn gar kein Wal gesichtet wird. Touren mit Hubschrauber oder Flugzeug sind da wohl meistens effektiver.

Vor meiner Abreise zeigt mir Rick noch die "Ohau Point Seal Colony", 25 Kilometer nördlich von Kaikoura. Von einer Aussichtsplattform kann man auch hier Robben beobachten - aber nicht so "hautnah" wie am Point Kean. "Insgesamt etwa 3000 leben in der Region von hier bis zur Kolonie in Kaikoura", erklärt Rick. "Sie sind streng geschützt."

Die Robben-Kolonie Ohau Point neben dem State Highway 1 ist ein populärer Stopp auf der Fahrt zwischen Picton im Norden der Südinsel und der Metropole Christchurch, die 185 Kilometer südlich von Kaikoura liegt. "Englischste Stadt außerhalb Englands" und "Garden City" wird Christchurch auch genannt. Mit einer Bevölkerungszahl von rund 360 000 ist sie die größte Stadt der Südinsel und wegen des internationalen Flughafens deren "Haupteingangstor". Ihr hoher Freizeit-Wert und abwechslungsreiche Ausflugsziele animieren, länger zu bleiben als ursprünglich geplant.

Zwei Wahrzeichen hat Christchurch, beide sind am Cathedral Square zu sehen: die neugotische Kathedrale von 1881 und "The Wizard", ein skurriler Redner. Mit seinen witzigen und zugleich provozierenden Thesen unterhält er seit nunmehr 35 Jahren auf dem Platz im Stadtzentrum ein amüsiertes Publikum. Der jetzt 76 Jahre alte, aus England stammende ehemalige Universitätslehrer denkt noch nicht an den Ruhestand, wie er mir erzählt. Aber gelegentlich gönnt er sich schon eine Pause. Normalerweise tritt er von November bis März an jedem Wochentag zwischen 13 und 14 Uhr auf.

Pausieren muss der als "lebendes Kunstwerk" anerkannte Wizard jedoch immer an zehn Tagen im Januar. Dann verwandeln nämlich Musiker, Jongleure, Komiker, Tänzer, Clowns und Akrobaten aus aller Welt Straßen und Plätze der Stadt in Freilichtbühnen: Das traditionelle "World Buskers Festival" sorgt für Spaß und Unterhaltung.

Heiter und kurzweilig präsentiert sich Christchurch - mit europäischem Flair. Die gemütliche Straßenbahn wird gern von Touristen genutzt, um die City zu erkunden. Und wenn man sich mit einem Stechkahn auf dem Avon River durch Parks fahren lässt, erinnert dieses Vergnügen an eine Gondelfahrt in Venedig. Eine Bilderbuch-Aussicht - u.a. zum Naturhafen Lyttelton Harbour - bietet der Gipfel des Mount Cavendish, zu dem eine Seilbahn führt. Christchurch ist zum Genießen da - nicht zum Abhaken!

Fliegende Kobolde erlebe ich im Willowbank-Tierpark der Stadt: Keas - jene kuriosen, verspielten und ungewöhnlich intelligenten Berg-Papageien, die in den Alpen-Regionen der Südinsel zu Hause sind. Die Vögel belagern mit Vorliebe ahnungslose Touristen, ihr Gepäck, ihre Autos oder Fahrräder. Eine "Kostprobe" hiervon wird mir in dem für Besucher zugänglichen Kea-Gehege dieses Tierparks serviert. Die "Objekte ihrer Begierde": meine Schnürsenkel, Tasche und Kamera. Da hilft am Ende nur die Flucht...