Die Edelpilze haben eine große Fangemeinde - und ihren Preis. Jetzt ist Trüffelernte in der Emilia Romagna - Zeit für Suchtouren, Kochkurse und Gourmet-Menüs im vielleicht besten Restaurant Italiens.

Nein, so wird das nichts: Mit einem zaghaften "Such, such" will Reto, ein schweizerischer Gast, die beiden Trüffelspürhunde zum Buddeln unter einer Eiche animieren. Doch die beiden schauen nur Hilfe suchend zu Herrchen. Giuseppe Donini heißt der, sieht aus wie Trappatonis jüngerer Bruder und bietet Camilla und Boss, seine vierbeinigen Trüffel-Detektive, noch anderen Teilnehmern dieses Edelpilzsuch-Ausflugs an. Doch keiner möchte wie Reto enden, alle wollen lieber Giuseppes Show sehen; wie er seine beiden Hunde durchs Unterholz scheucht: "Dove Camilla, vieni Boss!", feuert er sie an und bellt ein wenig heiser-verzweifelt wie Trappatoni bei seiner berühmten "Flasche leer"-Rede.

Denn der hügelige Waldboden hier bei Savigno, einem 2500-Seelen-Dorf, eine gute halbe Stunde südlich von Bologna, ist zu trocken. "Schlechte Schnüffelbedingungen für Hundenasen", sagt Alberto Bettini, Besitzer der Trattoria "Locanda Amerigo". Er hofft sehr, dass Camilla und Boss heute fündig werden, damit seine Trüffelgerichte zu fairen Preisen auf der Karte bleiben können - keines teurer als 35 Euro. 2000 Euro zahlt Bettini derzeit für ein Kilo "Weißen", den edelsten Trüffel. Gut möglich, dass es nächste Woche mehr als 3000 sind, wenn Camilla, Boss und die anderen Spürnasen in der norditalienischen Region Emilia Romagna weiter so wenig davon finden. Egal wie der Börsenkurs für den Diamanten unter den Schlauchpilzen gerade steht - Giuseppe, der Hundeführer, kommt stets auf seinen Schnitt: "Zwischen September und Januar macht er ein zusätzliches Jahreseinkommen", knurrt Alberto und raunt, der Boss von Boss sei eigentlich "Stradino" - Straßenarbeiter. Der ruft in diesem Moment "Bravo, bravissimo", denn Camilla hat eine Knolle aufgespürt, neben einer Linde. Hier und an Eichen gehen die durchschnittlich 80 Gramm schweren Trüffelpilzknollen am liebsten eine Liaison mit den Baumwurzeln ein, 30 Zentimeter tief im Boden. Giuseppe lenkt die Hündin mit einem Leckerli ab und buddelt den weißen Trüffel vorsichtig aus.

"Einfach nur hmmm", findet Alberto den intensiven würzigen Trüffelgeruch, von dem Banausen schon mal behaupten, er ähnele dem dampfender Pfadfindersocken nach einem Dreitagesmarsch. Die müssten dringend gewaschen werden, Trüffel hingegen auf keinen Fall, erklärt Alberto in der Mini-Küche seiner Trattoria: "Bürste nass machen, sachte abschrubben - basta!" Die Teilnehmer probieren es und gehen so behutsam vor, als reinigten sie ihren Familienschmuck. "Dann die Trüffel ein paar Stunden liegen lassen und ab in den Kühlschrank - auf Küchenpapier, damit die Knolle austrocknet und Würze entfaltet."

Nun machen alle Bekanntschaft mit einem Nudelholz. Denn Fertigpasta kommt bei Alberto nicht auf den Tisch. Dafür aber ein faustgroßer Teigklumpen. Den walzt Anna Nanni, die Küchenhilfe vom Typ freundliche Großmama, geduldig auseinander. "Auch mal probieren?", fragt sie. Reto ist mutig und verwandelt Annas kreisrunde, ebene Teigpiazza mit gerade mal vier Nudelholz-Walzfahrten in ein ausgefranstes Schlagloch-Oval. Kaum verwunderlich, dass alle weiteren Möchtegern-Teigroller ebenso scheitern, umso erstaunlicher aber, wie die grundgütige Anna all diese Verwerfungen im Nu wieder einebnet.

Jetzt ist alles möglich mit diesem hauchdünnen Nudelrohstoff aus Mehl und Eiern: Tagliatelle, Tortellini, Rigatoni. "Spaghetti auch?", will eine bis dato stille Kursteilnehmerin aus Köln wissen und nimmt die ebenso knappe wie klare Erkenntnis mit nach Hause: "Kommen aus Neapel, werden in der Fabrik produziert, machen wir nicht!" Alberto bietet nur "Handarbeitskurse", mal mit seiner Mutter als Leiterin, mal mit Anna. Den flachen Teig sachte zu einer Röhre rollen, diese dann in kaum fingerbreite Stücke schnippeln - das schaffen sogar alle heute hier Anwesenden. Daraus nun aber die Haare von Herzogin Lucrezia zu zaubern, das kriegt wieder nur Anna hin, unter den staunenden Augen der Teilnehmer. Kinderleicht sieht's aus, wie sie die Teigstückchen hochreißt und dabei zu goldgelben Locken entfaltet. Sie gleichen angeblich denen von Lucrezia Borgia, zu Beginn des 16. Jahrhunderts Gattin des Herzogs von Ferrara und Modena.

Nach reichlich Geschnüffel und Geschnippel - höchste Zeit fürs Genießen. Die Tortelli, von Anna aus viereckigen Teigstücken geformt, kommen als erster Gang wieder auf den Tisch. Bei Alberto nur "in brodo", einer Brühe vom ausgekochten Perlhuhn. Und der Trüffel? Ist ab sofort dekoratives Sahnehäubchen oder kräftiges Gewürztuning und manchmal auch nur unauffälliger Gast in allen weiteren Gängen, sei es auf der Polenta oder an Pasta-Raffinessen. Beim Genuss dieser ebenso erdigen wie exquisiten norditalienischen Landküche sitzen die Gäste auf wackeligen Holzstühlen an einem der sechs Tische mit rot-weißen Karodecken. Die Szenerie hier gleicht fast einem Fünfzigerjahre-Film: Cinzano-Reklamespiegel an der Wand, daneben ein Telefon mit Wählscheibe, weiße Gardinen mit Stickmustern an den Fenstern und über den Gästen gerahmte, streng herabschauende Vorfahren in Schwarz-Weiß.

Einer davon war Opa Amerigo, 1934 Gründer der Locanda und bis heute Namenspatron. Von ihm übernahm Enkel Alberto die Trattoria vor gut 20 Jahren und machte sie zum vielleicht besten Restaurant Italiens: Ein Michelin-Stern, drei Garnelen des angesehensten italienischen Gourmet-Führers sowie die Auszeichnung der Slowfood-Bewegung für faire Preise und regionale Produkte - diese drei Plaketten zusammen hat sonst kein Restaurant im Stiefel-Staat an der Tür. Ach ja - sollte die mal dicht sein, dann sind Alberto, Anna und die anderen kurz auf Welttournee: Trüffel kredenzen beim Wohltätigkeits-Dinner in New York oder Schaukochen für Japaner.

"Die standen Schlange, die ganze Straße runter", erzählt Alberto und zeigt ziemlich stolz das Beweisbild aus einer Zeitung. "7000 Mahlzeiten in elf Tagen", schiebt er noch schnell hinterher, und dann das Dessert des Tages auf den Holztisch: eine Eiskugel mit Kastanienbiergeschmack.