Hvar vor der Küste Kroatiens verzaubert vom ersten Moment an. Die Küstenstraßen schmiegen sich an das Gebirge, das Meer erscheint endlos.

Hvar-Stadt. Alena steht in der ersten Reihe am Fähranleger. Sie zeigt ein Schild hoch, "Apartman" steht darauf, "Ferienwohnung". Die Kroatin hält es den Urlaubern, die in ihren Autos aus dem Bauch der Fähre rollen, freundlich lächelnd hin. Die Touristen wirken wie beseelt, schon die Atmosphäre auf der fast zweistündigen Überfahrt von Split nach Stari Grad war besonders. Rucksackreisende, Rentner und Familien waren auf dem Deck der Jadrolinija-Fähre zu einer kleinen Gemeinschaft verschmolzen. Es wurde französisch, deutsch, englisch, russisch gesprochen. In vielen Gesichtern leuchtete die Vorfreude, sich endlich der Insel zu nähern, die schon die "New York Times" zu den Top Ten der Urlaubsdestinationen kürte: Hvar. Die sonnigste Insel des Mittelmeeres, 68 Kilometer lang, zwischen zwei und zehn Kilometer breit, gelegen im Adriatischen Meer vor der Küste Dalmatiens.

Jetzt im Herbst ist die beste Zeit, die Insel zu entdecken. Die Massen an Touristen sind fort, die Wärme ist noch da, die Temperaturen erreichen Ende Oktober noch etwa 20 Grad. "Willkommen auf Hvar", sagt Alena. Sie hat kurze dunkle Haare, trägt ein türkisfarbenes, kittelartiges Kleid, unter ihrem Arm hat sie ein Fotoalbum. Darin sind Bilder von dem Apartment, das sie vermieten möchte. Wie viele Insulaner bietet auch Alenas Familie Urlaubern eine private Unterkunft. "Sehr sauber, sehr ruhig", versichert sie. Könnte man es sich vorher anschauen? Natürlich, sagt Alena und macht eine Handbewegung, die so viel bedeutet wie "Mir nach!". Dann steigt sie in ihren grünen Fiat Punto und gibt Gas.

Hvar verzaubert vom ersten Moment an. Es scheint, als habe die Sommersonne dem Grün der Insel nichts angehabt. Hvar ist eine natürliche Schatzinsel, auf wenigen Quadratmetern findet man hier bis zu 20 verschiedene Pflanzen. Die Küstenstraßen schmiegen sich an das Gebirge, das Meer erscheint endlos. In der Ferne sieht man die Silhouetten anderer Inseln, über tausend sind es vor der kroatischen Küste. In den Weinbergen stehen Menschen mit Weidenkörben. Es ist Traubenlese. In wenigen Wochen, wenn die Früchte in den Hinterhöfen und Kellern gären, wird womöglich schon ein Spaziergang durch die engen Gassen von Hvar-Stadt trunken machen.

"Sehr sauber, sehr ruhig." Alena hat nicht zu viel versprochen. Ihr Apartment - ein Zimmer, Küche, Bad, Balkon - liegt am Rande von Stari Grad, der ältesten Stadt Kroatiens, etwa 20 Kilometer von Hvar-Stadt entfernt. Alena möchte jetzt, in der Nebensaison, 25 Euro pro Nacht für zwei Personen. Abgemacht. Aus dem Fenster sieht man in der Ferne einen Olivenhain. Die Bäume sind leicht zu erkennen, niedrig, knotig, dick, widerstandsfähig gegen Fäulnis. Deshalb nennt man sie auch "Bäume der Ewigkeit". Die Olivenernte auf Hvar beginnt meist Anfang November. "Das beste Öl gibt es, wenn es Ende August, Anfang September ein, zwei Tage geregnet hat", erklärt Alena. Das hat es in diesem Jahr.

Auf Hvar stehen die meisten Olivenhaine in den trockenen, steinreichen Stellen rund um Jelsa an der Nordküste. Dort können Urlauber, die Lust haben, einen Tag lang mitzuernten, sich im Touristenbüro (Internet: www.tzjelsa.hr ) melden. Die Ernte ist eine tolle Gelegenheit, das ursprüngliche Kroatien zu erleben, mit den freundlichen Menschen in Kontakt zu kommen. "Die Bauern freuen sich über jede helfende Hand", sagt Tanja Milicic, Tourismus-Direktorin von Hvar. Zum Dank werde abends oft zum gemeinsam Essen eingeladen.

Die Oliven auf Hvar tragen klangvolle Namen wie Oblica, Lastovka, Levantinka oder Leccino. Ein Teil wird sofort nach dem Pflücken zu Olivenöl verarbeitet, dem einstigen Zahlungsmittel im Mittelalter. Das durch kaltes Pressen gewonnene Olivenöl nennt man "djevièansko ulje", jungfräuliches Öl. 20 Kilogramm Oliven, der durchschnittliche Ernteertrag eines Baumes, ergibt drei bis fünf Liter Öl. Der Rest der Oliven wird konserviert, zum Beispiel in Salzlake. Manch einer hat dafür ungewöhnliche Methoden entwickelt. Es soll Fischer geben, die ihre Oliven in einem engmaschigen Netz durchs Meer ziehen. Nirgends ist das Wasser der Adria sauberer als vor der kroatischen Küste. Das Schwimmen darin gleicht einer Wellness-Anwendung. Das Wasser ist so klar, dass die Steine am Boden wie Murmeln schimmern. Versteckte Badebuchten finden sich zum Beispiel in der Nähe von Zavala. Einfach im Ort neben der Kirche die Straße hineinfahren, nach ein, zwei Kilometern parken, auf den Pfaden entlang der Weinberge ans Wasser wandern und abtauchen. Schöne Badeplätze bilden aber auch die felsigen Klippen bei Rudine, die Bucht Zukova oder der Strand von Ivan Dolac.

Um die Abende zu genießen, ist Stari Grad wiederum der schönste Ort. Der Hafen mit seinen alten Gemäuern gleicht einer Filmkulisse. Entlang der Kai-Mauer reihen sich Restaurants aneinander. Ein Lächeln der Kellner lädt die Vorbeischlendernden ein, bedrängt wird hier niemand. Zweimal im Monat findet auf einem kleinen, geschützten Platz in Stari Grad ein Fest statt. Es beginnt mit Einbruch der Dunkelheit und ist alles andere als eine Touristen-Veranstaltung. Unter freiem Himmel grillen die Insulaner Fisch und Fleisch, ein Popcorn-Wagen lockt die Kinder an. Selbst im Oktober braucht man abends nur eine Strickjacke. Die Steine haben die Wärme des Tages gespeichert. Über allem ein Hauch von Dolce Vita, wie man es sonst nur aus Italien kennt. Wären da nicht die nostalgischen Klapa-Lieder, lebendige Folklore.

Wer es mondäner mag, sollte seine Abende in Hvar-Stadt verbringen. Die Hauptstadt rühmt sich vieler beeindruckender Bauwerke, unter anderem des ältesten Volkstheaters in Europa (1612 gegründet). Auch ist hier mehr los als in den Dörfern und Städten rundherum. Auf ihren Yachten schipperten schon Microsoft-Gründer Bill Gates oder der russische Milliardär Roman Abramowitsch heran, allerdings kommt auch der Jetset lieber in der Hochsaison.

Ein einheimisches Gedicht soll, frei übersetzt, besagen: "Ich kenne das Paradies, ich kenne Hvar." Diesen Spruch trägt man im Herzen, wenn man die Insel wieder verlässt. Und auf den Lippen bleibt ein Lächeln.