Runde Bögen, dicke Mauern, mystisches Licht - so fasziniert seit 1000 Jahren romanische Architektur. Eine Rundfahrt nach Speyer, Worms und Mainz.

Aus der Ferne am Fluss, im Licht der aufgehenden Sonne, wirkt das sandsteinrote "Domgebirge" besonders erhaben. "Dieser Dom über der Rheinebene wäre mir in all seiner Macht und Größe im Gedächtnis geblieben, wenn ich ihn auch nie wieder gesehen hätte", notierte die Schriftstellerin Anna Seghers. Näher dran, merkt man dann, dass die Mainzer Bischofskirche mit ihren dicken Mauern und hohen Türmen fest wie ein Fels in der Brandung mitten im Altstadtgewühl steht, seit Jahrhunderten unverändert von einem Häuserblock umbaut. Der Weg zum Hauptportal führt über den Marktplatz hinweg, vorbei an Kohlrabi und Kartoffeln, zu einer schattigen Häuserlücke beim Domcafé und schließlich durch einen schmalen Gang zu einer tausend Jahre alten bronzenen Tür.

Innen dauert es einen Moment, bis man sich ans Dämmerlicht gewöhnt hat und die Proportionen messen kann: das große Langhaus, die kolossalen Pfeiler und die kühn über die Schluchten dazwischen gespannten Rundbögen. Kerzen flackern, Münzen klacken im Opferstock. Der Mainzer Dom ist eine romanische Doppelchoranlage. Der Begriff Romanik entstammt der Mittelaltersehnsucht im 19. Jahrhundert und wurde erstmals 1818 vom französischen Kunsthistoriker Charles de Gerville in Anlehnung an die Sprachwissenschaft verwendet. Gemeint ist die Epoche abendländischer Kunst, die etwa 1000-1200 n. Chr. vorherrschte und Elemente antiker Vorbilder aufgriff. Allerdings ist der Mainzer Dom nicht pur romanisch, alle späteren Epochen haben mitgebaut und umgestaltet. Beispielsweise wurde der nach Blitzschlag zerstörte Westturm im Barock wieder errichtet, nach Plänen von Franz Ignaz Michael Neumann, einem Sohn von Balthasar Neumann.

Mit einem dunklen Kapitel beginnt die Geschichte der Bischofskirche, und viele Mainzer glaubten wohl anno 1009, die Stadt treffe ein schlechtes Omen: Das auf sumpfigem Gelände errichtete Gotteshaus ist kurz vor oder nach der Weihe "elend durch das Feuer verbrannt" (Annalen von Quedlinburg). Doch glaubensstark ordnete Erzbischof Willigis sofort den Wiederaufbau an, und trotz weiterer Brände, Kriege und des Missbrauchs als Kaserne und Viehstall ist das Gotteshaus noch 2009 die unverwechselbare Mitte von Mainz.

Das Jahr der Weihe gibt Anlass fürs Jubiläum "1000 Jahre Mainzer Dom", das 1975 schon einmal gefeiert wurde, damals wie heute inklusive Sonderbriefmarke. 1975 bejubelte das Bistum die Grundsteinlegung, die mangels detaillierter Quellen kurzerhand auf den Amtsbeginn des Bauherrn datiert wurde. "Heute ist es nicht mehr so sicher", sagt Bischof Karl Kardinal Lehmann, "dass Erzbischof Willigis sofort nach Dienstantritt den Bau des Doms begonnen hat".

In der Fastnachtshochburg Mainz steht nur eine Zahl fest, und das ist die närrische Elf. Das zweitausendjährige Bestehen der Stadt wurde 1962 gefeiert, obwohl es mehr Hinweise auf die Gründung eines Römerlagers durch Drusus erst um 12 vor Christus gibt. Und wann, wenn nicht im Jahr 2000, hätte man den 600. Geburtstag Gutenbergs begehen sollen, wenn die Annalen vage bleiben und nur auf die Geburt des größten Sohnes der Stadt "um 1400" schließen lassen? Das Gutenberg-Museum steht übrigens dem Dom gegenüber und gehört zu einem Stadtrundgang wie die Chagall-Fenster in der Kirche St. Stephan. Im alten Quartier kann man durch die Augustinerstraße zur Kapuzinerstraße laufen und den Mainz-Besuch passend im "Beichtstuhl", einer urigen Weinkneipe, ausklingen lassen.

Wer mehr Romanik will, macht Dom-Hopping am Rhein. Nächste Station flussaufwärts: Worms. Auch hier ist eine Gottesburg mit starken Mauern und runden Bögen die architektonische Perle der Stadt. Ihre Silhouette ähnelt den Nachbardomen in Mainz und Speyer. An der West- und Ostseite steht je eine Dreiturmgruppe mit einem großen Vierungsturm und zwei flankierenden schlankeren Treppentürmen. Am Hauptportal soll sich der im Nibelungenlied beschriebene Streit zwischen Kriemhild und Brunhild abgespielt haben. "Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir!", rief nebenan Martin Luther Kaiser Karl V. beim Wormser Reichstag 1521 entgegen und weigerte sich damit, seine neue Kirchenlehre zu widerrufen.

Der Kaiserdom in Speyer, flussaufwärts von Worms, hat es zu höchsten Ehren gebracht und gehört zum Unesco-Weltkulturerbe. Seine Maße, 134 m lang, 38 m breit im Langhaus, 33 m hoch im Mittelschiff, machen ihn zum größten erhaltenen Bauwerk der Romanik in Europa. Die Salier ließen ihn im 11. Jh. als Grabstätte erbauen. Sie stellten damals die deutschen Könige und Kaiser. Deshalb ist diese Bischofskirche in ihrer Bedeutung vergleichbar mit den Königsgrablagen in Westminster (England) und St. Denis (Frankreich).

Doch Rekorde sind es ja nicht, die beim romanischen Domtrio am Rhein zählen sollten, vielmehr, dass jeder der drei auf seine Weise beeindruckt.