Im 19. Jahrhundert lebte Prinzessin Salme auf der Gewürzinsel - bis sie sich mit einem Hamburger Kaufmann einließ. Eine Tagestour für Touristen erinnert an die Frau und ihre spannende Geschichte.

Ihre Geschichte klingt wie aus "Tausendundeiner Nacht", nur leider hatte sie kein Happy End: Emily Ruete alias Sayyida Salme. Aufgewachsen in einer herrschaftlichen Palastanlage auf Sansibar, verließ die unverheiratete Prinzessin 1866 das Sultanat fluchtartig, als sie von dem Hamburger Kaufmann Heinrich Ruete ein Kind erwartete. Ein Skandal im muslimischen Sansibar und der Beginn einer von finanziellen Schwierigkeiten und Heimatlosigkeit geprägten Lebensgeschichte, die schließlich 1924 in ärmlichen Verhältnissen in Jena ihr Ende fand.

Prinzessin Salmes Leben auf der Gewürzinsel vor der Küste Ostafrikas kann man nun, fast anderthalb Jahrhunderte nach ihrer Flucht, nacherleben. Einen halben Tag lang tauchen wir ein in eine von Luxus, Übermaß und aromatischen Gewürzen geprägte Lebenswelt, von der heute fast nur noch Ruinen zeugen. Touristenführer Said zeigt den zwischen 1828 und 1834 von Salmes Vater Sultan Said bin Sultan erbauten Mtoni Palast, der 1914 einem Feuer zum Opfer fiel. 1000 Menschen lebten einst hier. Neben seinen zwei Hauptfrauen hatte der Sultan einen Harem mit 75 Konkubinen um sich versammelt. An sie erinnern bis heute die großzügigen persischen Badehäuser. In ihnen trafen sich die Frauen, während der Sultan durch Gucklöcher seine Gespielin für die folgende Nacht auswählte, erzählt Said. Sein Sohn Sultan Bargash, ein Halbbruder Prinzessin Salmes, brachte es später sogar auf 99 Konkubinen, wobei er sich auf eine Hauptfrau beschränkte.

Beim Anblick grauer, bröckelnder Mauern fällt es heute schwer, sich vorzustellen, welche Anziehungskraft die Badehäuser einst auf die Palastbewohner hatten. Vielfach fehlt das Dach, das zerfallende Mauerwerk ist unverputzt und aus den persischen Toiletten, die mithilfe eines ausgeklügelten Systems unterirdischer Aquädukte bei Flut automatisch vom Meerwasser gereinigt wurden, sprießt Unkraut. Und dennoch: "Diese erquickenden Bäder standen bei allen Bewohnern des Hauses sehr in Gunst", erinnerte sich Prinzessin Salme später in ihren Memoiren. "Die meisten derselben pflegten mehrere Stunden des Tages hier zuzubringen, betend, schlafend, arbeitend, lesend oder gar auch - essend und trinkend. Von vier Uhr morgens bis zwölf Uhr nachts hörte hier der Verkehr nicht auf."

Doch die Schwangerschaft und die Liebe zu dem hanseatischen Kaufmann Ruete zwangen Salme zur Flucht aus dem Paradies. Sie ließ sich taufen, nahm den christlichen Namen Emily an und heiratete Heinrich Ruete, mit dem sie in ein Haus in Hamburg-Uhlenhorst an der Schönen Aussicht zog und drei Kinder bekam. Durch Ruetes Stellung bei Hansing & Co. war Salme gut versorgt. Dies änderte sich im August 1870 schlagartig: Heinrich Ruete geriet unter eine der damals in Hamburg üblichen Pferde-Straßenbahnen und starb wenige Tage später an seinen Verletzungen. Seine erst 25 Jahre alte Witwe musste sich und die drei Kinder fortan allein ernähren. Mit ihrer Flucht und der Heirat eines Christen hatte sie jedoch alle Ansprüche auf das Sultanat in Sansibar verloren, und in Hamburg verweigerte man ihr das Erbe ihres Mannes. So wohnte sie mal bei Freunden und Verwandten in Dresden, Rudolstadt, Berlin oder Jena und verdiente etwas Geld als Arabischlehrerin und Übersetzerin.

Vom Mtoni Palast, dem Ort ihrer Kindheit, sind heute nur noch die Hauptmauern sowie ein Dach zu erkennen. In ihnen lebt ein Esel, der auf den Namen Emily Ruete hört. Seelenruhig grast das Tier auf einer sattgrünen Weide, an deren Stelle sich vermutlich einst die Palastgesellschaft traf. Nur mehr eingefallene Mauern sowie leere Fensterbögen erinnern daran, dass sich an dieser Stelle einst ein großer Saal befand. Am nur wenige Meter entfernten Strand wartet ein Boot, das uns zu einem zweiten Palast bringt: dem Bububu house, benannt nach dem nahe gelegenen Bahnhof (Kisuaheli "Bububu"), der inzwischen stillgelegt ist. Hier nächtigte die Prinzessin, wenn sie von den Gewürzplantagen zurückkam. Wie zu Salmes Zeiten gibt es nach der Fahrt über das aufgewühlte Meer eine traditionelle Kaffeezeremonie. Der Kaffee schmeckt nach Kardamom und reichlich Zucker, dazu werden kandierte Datteln, Nusskonfekt und mit Honig gesüßter Sesam gereicht. Die halboffene Terrasse gibt den Blick frei auf Mangobäume und Bananenpalmen.

Nach der Stärkung geht es weiter auf die Plantagen, wobei glücklicherweise nur das letzte Stück wie zu Prinzessin Salmes Zeiten zurückgelegt werden muss. Sie bewegte sich stets mit dem Eselkarren über die Insel. Nach einer kurzen Fahrt im klimatisierten Auto steht der Karren schon bereit. Passend zu dem Tier im Mtoni Palast, heißt der Esel, der ihn zieht, Heinrich Ruete. Mit dem einachsigen Karren im Schlepptau, trottet er gemächlich über die ausgefahrenen Sandwege. So bekommt man schnell einen Eindruck von Salmes Alltag, der nicht nur von Luxus geprägt war. Auf dem Karren, der sich schon mal beängstigend in Schräglage begibt, spürt man jede Unebenheit. Nach wenigen Hundert Metern ist jedoch die Kidichi Spice Farm in Sicht. Juma wartet bereits zu einer exklusiven Führung. Er zeigt Oregano, Vanille und Kardamom, aber auch, wie Tee, Ingwer und Muskat angebaut werden, das die Frauen auf Sansibar angeblich gegen Schüchternheit verwenden. Immer wieder schneidet er mit seinem Taschenmesser Rinde von einem Baum oder legt Wurzeln frei. So gilt es, frisch gepflückte Litschis zu probieren, die Rinde des Zimtbaums mit den Fingern zu zerbröseln, dessen Wurzeln laut Juma übrigens ähnlich gut gegen Erkältung wirken wie Wick Vaporub, und an den Blättern des "all spice" zu riechen - der Strauch riecht wie alle Gewürze zusammen.

An der letzten Station, einer mächtigen Kokosnusspalme, schwingt sich ein kleiner, kräftiger Mann flink an deren Stamm hinauf. "Hakuna matata, Karibu sana" - "Keine Sorge, herzlich willkommen", singt er dabei und schneidet mit seiner Machete mehrere Kokosnüsse vom Baum, die krachend zu Boden fallen. Während Juma die Früchte geschickt öffnet, um Saft und Fruchtfleisch anzubieten, präsentiert der kleine Baumkletterer wahre Schmuckstücke. Aus den Blättern der Kokospalme hat er Ringe, Ketten und Kronen gefertigt, die er den Teilnehmern nun feierlich aufsetzt. So kann man sich am Ende der Tour noch einmal wie Prinzessin Salme höchstpersönlich fühlen.

Zweimal, 1885 und 1888, ist Salme nach ihrer Flucht noch nach Sansibar gereist. Beide Male mit Unterstützung Otto von Bismarcks. Sie wollte ihre Erbschaftsansprüche geltend machen, er seine kolonialen Interessen in Ostafrika durchsetzen. Doch die Sultansfamilie lehnte jeden Kontakt ab. Als sie 1888 unverrichteter Dinge wieder Richtung Deutschland in See stach, füllte die Verstoßene am Strand von Sansibar ein kleines Säckchen mit dem Sand ihrer Heimat. Dieses sollte sie bis zu ihrem Tod 1924 stets begleiten.

Mit Hamburg ist sie übrigens bis heute verbunden. Die Urne mit ihren sterblichen Überresten wurde neben denen von Heinrich Ruete auf dem Ohlsdorfer Friedhof bestattet, mit ihrem in Sansibar gefüllten Sandsäckchen. In Erinnerung an die heimatlose Prinzessin ist ein Vers von Theodor Fontane in den Grabstein graviert. Er lautet: "Der ist in tiefster Seele treu, wer die Heimat liebt wie du."