Sieben Tage klettern die Teilnehmer über Felsen, besuchen Bauernhöfe, riechen an Käserädern, stapfen durch Schweineställe und backen knuspriges Dinkelbrot.

"Pack genügend Schokoriegel ein", hatten Adas Töchter gelästert. Die Postbeamtin aus Hessen war bei einer Kaffeekette auf das Angebot gestoßen: eine Wanderreise in die Sächsische Schweiz, unter dem Siegel des Bio-Anbieters Demeter. Auch die Erzieherin, der Elektromeister, die Kunsttherapeutin und die Frau, die "im Urlaub keinen Beruf hat", kommen vornehmlich wegen des Reiseziels, schätzen aber die Idee gesunder Ernährung gleichermaßen.

Und jetzt stapfen sie in Wanderklamotten durch den Stall des Steinert-Hofs in Cunnersdorf, riechen an Käserädern im Keller, klopfen anerkennend den Angler Sattelschweinen auf die Schwarte und bestaunen den Holzbackofen: Von hier kommt also das hervorragende Roggenbrot, das sie jeden Morgen beim Frühstück in ihrer Pension vorfinden. Zwei Pferde treten gegen die Stallwand, der Bulle zerrt anmaßend an seinen Ketten und die Kühe, im vollen Schmuck ihrer Hörner, käuen stoisch wieder und wieder: Tierisch viel Leben herrscht auf dem Bio-Bilderbuch-Bauernhof. Interessiert hören sie zu, als Bäuerin Eva Ulrich ihnen erklärt, wie ein Demeter-Hof wirtschaftet: kein Kunstdünger und keine Pestizide, versteht sich. Stattdessen wird das Getreide von "Beikraut" gestriegelt, Roggen erhält eine Untersaat aus Hornklee und in den Kompost werden spezielle Hornmistpräparate eingebracht, über die angeblich kosmische Energie auf die Erde wirkt.

Ein Informationsbesuch an der Quelle ist dieser Besuch sozusagen, ein herausragender Punkt des Programms. Denn natürlich fragen sie sich immer wieder: Was macht Demeter denn nun anders als die übrigen Veranstalter? "Bewegen, begegnen und genießen" werde man, hatte der Katalog versprochen, sowie "ambitionierten ökologischen, kulturellen und sozialen Projekten" begegnen. Und zur Verpflegung würden überwiegend Demeter-Produkte oder Lebensmittel aus der Region verwendet.

Südöstlich von Dresden liegt die Sächsische Schweiz. Sie umfasst drei Viertel des 700 Quadratkilometer großen Elbsandsteingebirges, der Rest gehört zu Tschechien. "Und wer hat sie erfunden - hä?", kräht anderntags in schönstem sächsischem Schwyzerdütsch Nationalpark-Führer Knut König. Zwei Schweizer waren es, wer sonst. Begeistert von der wilden Schönheit seines Landes, hatte der sächsische Kurfürst die Eidgenossen Adrian Zingg und Anton Graff 1766 nach Dresden gelockt und schickte sie mit Pinsel und Kupfernadel bewaffnet hinaus in Wald und Flur. Und die beiden, ganz hin und weg vom rauen Forst, hatten nichts Besseres zu tun, als den zerklüfteten Meißner Hochwald nach ihrer Heimat neu zu taufen - was den heutigen Betrachter etwas verwundert, haben die grauen, abgeschabten Felskuppen doch überhaupt nichts gemein mit den spitzen Gipfeln der Alpen.

Hier sind die Wanderer sieben Tage unterwegs. Sie klettern hoch zur Felsenburg auf dem Winterstein, erfahren vom Geologen, wie aus dem bis zu 600 Meter dicken Sandboden am Grund des einstigen Kreidemeeres im Verlauf von 900 Millionen Jahren durch Verfestigung, Bruch und das fräsende Werk der Elbe die heutige Landschaft entstand. Und sie erklimmen natürlich auch den touristischen Leuchtturm, die Bastei. Unten geht die blaue Elbe elegant in die Kurve, oben liegt die Felsenburg Neurathen, ein hübsches Rauf und Runter durch pseudomittelalterliches Gemäuer. Und rundum ragen die Felsenstumpen hoch, die so verblüffend an Pappmaché erinnern, die grauen Spargelbündel, dieses Heer versteinerter Riesenzwerge.

Danach schmeckt das Abendessen. Erklärtermaßen sächsische Spezialitäten, wie sie etwa das "Bergcafe" in Ostrau verspricht, kommen leider nicht auf den Tisch: "Fleesch vom Borschtenvieh mid Fähnsknollengemiese und Fedegrantzschglitscher" zum Beispiel, was für Eingeweihte unschwer als Schweinebraten mit Zwiebelgemüse und Sauerkrautpuffer auszumachen ist. Die Wanderer essen abends in der "Ostrauer Höhe", wo der Besitzer sich an Spinatsuppe und griechischem Hackfleischauflauf versucht. Oder in der "Ziegelscheune" in Krippen, wo der Chef zum Blick auf die Elbe gebratene Forelle, Tafelspitz und Kalbsroulade serviert - begleitet von einer Liste der Zuliefererbetriebe. "Es ist wie wir - von hier", grinst der Elektromeister. Ein alter Slogan: Werbung für Regionales kannte schon die DDR.

An einem anderen Abend backen sie Dinkelbrötchen im Lehmofen und verzehren sie, noch warm, mit Camembert und Rinderschinken. Im Weingut Hoflössnitz in Radebeul lassen sie sich von der Führerin mit dem purpurnen Haarschopf erklären, dass der Bio-Winzer gegen Mehltau schon mal Fenchelöl spritzt, wonach der ganze Weingarten nach Hustensaft riecht. Ihr Weißburgunder Kabinett kann trotzdem nicht mit dem konventionell erzeugten Grauburgunder vom nahen Schloss Proschwitz mithalten, der an manchen Abenden die lebhafte Diskussion um Bio-Saatgut und Bodenverbesserungstechniken beflügelt.

Am Ende der Reise stellt sich ein letztes Mal die Frage: Inwieweit ist das Demeter-Logo gerechtfertigt? Das kernige, abwechslungsreiche Frühstück in der Pension hat den Anspruch in jeder Hinsicht erfüllt. Den im Katalog angekündigten Reiseleiter mit dem entsprechenden Bio-Fachwissen dagegen gab es unverständlicherweise nicht. Was trotzdem kein Mangel war - hatten sich die Teilnehmerinnen im Lauf der Tage doch als kenntnisreiche Anthroposophinnen entpuppt und mit Fachwissen über Astralleiber und Körpertöne und das verwinkelte Gedankengebäude des Rudolf Steiner ausgeholfen. Eingefleischten Anthroposophen mag das Programm zu wenig "Fachspezifisches" bieten. Aber so taugt es auch für Wanderer, die Rudolf Steiner nicht für den obersten Beglücker der Menschheit halten. Und die Sache mit der Biokost?

"Also, das Essen war wirklich gut", sagt Ada, die im wirklichen Leben einem gepflegten Hamburger nie abgeneigt ist. "Eigentlich könnte man es ja mal versuchen damit."