Der Weg führt durch Moore, Wälder und Schluchten. Und in den Sümpfen sollen seit Urzeiten sogar Zwerge wohnen.

"Dort, wo auf den Wirchenwiesen die Wasser der Schlaube entspringen, beginnt das Reich der Schlangen", erzählt eine alte Sage. Und tatsächlich! Unweit der Wiesen, am Ufer des Wirchensees, überraschen wir eine Ringelnatter beim Frühstück. Mit einem Fisch im Maul flüchtet sie ins Unterholz. Nur wenige Schritte weiter huscht die nächste über den Weg. Und nach einer Stunde Fußmarsch zählen wir bereits die fünfte.

Das Schlaubetal, als schönstes Bachtal Brandenburgs gepriesen, liegt südwestlich von Frankfurt/Oder. Auf ihrem zwanzig Kilometer langen Weg vom Wirchensee nach Müllrose schlängelt sich die Schlaube durch Schluchten und Wälder, bildet Niedermoore und durchfließt Seen und Teiche. Die Teiche sind Zeugnisse der Mühlengeschichte des Schlaubetals. Acht Mühlräder drehten sich hier einst, um Korn zu mahlen, Holz zu sägen und Kupfer zu hämmern.

An der ehemaligen Schlaubemühle, von der zur heutigen Zeit allerdings nur noch die ausgedienten Mahlsteine zeugen, treffen wir Nico Brunkow. Er ist einer von zwei Rangern im Naturpark Schlaubetal. An seiner Seite hören und sehen wir vieles, was uns sonst entgehen würde: Im Quellgebiet der Schlaube macht er auf den Aurorafalter aufmerksam. Wo das Wiesenschaumkraut blüht, findet sich auch dieser kleine weiß-orangene Schmetterling ein. Er ist einer von ungefähr 700 verschiedenen Schmetterlingsarten im Naturpark. Im Eichenlaub am Wegesrand hüpft die Waldgrille. Sie lebt nur dort, wo der Wald mehrere hundert Jahre alt ist. Und in den Kronenzweigen der ins Wasser gestürzten Bäume entdecken wir die Nester der Haubentaucher. Den Horst der Seeadler zeigt uns Nico Brunkow aber nicht. Niemand soll die Tiere bei der Brut stören. Brunkow verrät unterwegs nur soviel: "Es gibt eine Stelle im Naturpark, an der fünf Seeadlerpärchen auf nur einem einzigen Quadratkilometer brüten."

Auf dem Weg zur Kieselwitzer Mühle hat die Schlaube eine tiefe Kerbe in das Gestein gegraben. Umgestürzte Baumstämme liegen kreuz und quer über der bis zu dreißig Meter hohen Schlucht. In vielen Schleifen windet sich der kleine Fluss hindurch. Die letzte Eiszeit hat hier eine hügelige Landschaft hinterlassen. Der Wanderweg führt oberhalb der Schlucht auf und ab durch einen Buchenwald. Es ist kühl und schattig. Bald weitet sich die Schlucht zu einem breiten Wiesental. Nur die Fischteiche und das alte Wehr erinnern heute noch daran, dass hier früher einmal die Kieselwitzer Mühle stand. Abermals verengt sich das Flusstal, um sich an der nächsten Mühle wieder zu einer kleinen Lichtung zu weiten. Und an der Bremsdorfer Mühle dreht es sich noch, das Mühlrad. Auch wenn es keine Funktion mehr hat. Die alte Fachwerkmühle ist heute eine Ausflugsgaststätte mit Biergarten. Doch noch immer gilt, wie in einem alten Lied besungen: "Dort unten an der Mühle, saß ich in süßer Ruh und sah dem Räderspiele und sah den Wassern zu."

Hinter der Bremsdorfer Mühle fließt die Schlaube in den Großen Treppelsee. Am Ufer liegt ein alter Kahn. Die Erlen, Eichen und Buchen am Hang um den See leuchten im rotgoldenen Licht der sinkenden Abendsonne. Am Ende des Sees verengt sich die Schlaube zu einem schmalen Fließ. Erlen stehen im Wasser und es riecht leicht modrig. Hier in den Sümpfen sollen seit undenklichen Zeiten die Zwerge wohnen. Uns scheint es, als wären sie von den tausenden Stechmücken vertrieben worden. Eilig haben wir es jetzt, es ist noch ein ganzes Stück bis zum Forsthaus Siehdichum. Nur noch die Spitzen der Kiefern sind von der Sonne beschienen, als wir die letzten Meter zum Forsthaus hinaufwandern, das hoch über dem Hammersee liegt.

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Am nächsten Tag biegen wir unterhalb des Forsthauses von der alten gepflasterten Poststraße auf den Wanderweg ein, der am Schinkensee entlang führt. Wir sehen uns noch einmal um, denn hier in der Senke, so eine Version zur Entstehung des Ortsnamens, sprach früher der Postkutscher: "Hier sieh dich um, hier lauern die Posträuber!" Doch friedlicher könnte es kaum sein. Zwei Angler halten an der Brücke geduldig ihre Ruten ins Wasser. Ein Schwanenpaar gleitet zwischen Seerosenteppichen hindurch. Wir lauschen dem An- und Abschwellen des Windes. Erst rauschen die Baumkronen der hohen Kiefern, dann rascheln die Blätter der Laubbäume und mit dem kaum hörbaren perlenden Klang des Wassers endet das Konzert, um gleich darauf von Neuem zu beginnen.

Hinter dem Gasthaus Kupferhammer, an dessen Stelle früher ebenfalls eine Mühle stand, verändert sich die Landschaft abermals. Die Schlaube teilt sich in mehrere Arme auf, getarnt von Binsen, Schilfgras und riesigen, puschligen Grasbüscheln mit Namen Großseggen. Erst an der Ragower Mühle bekommen wir das Flüsschen wieder zu Gesicht. Die Mühle beherbergt ein kleines Mühlenmuseum. In jahrelanger Kleinstarbeit hat Baldur Börner, der heutige Besitzer, die Getreidemühle originalgetreu restauriert. Schritt für Schritt lässt sich nachvollziehen, wie einst das Korn gemahlen wurde. Der Ort verführt dazu, an die Mär von der guten alten Zeit zu glauben. Aufgespannt zwischen Apfelbäumen flattert die Wäsche im Wind. Auf der Koppel grasen Ponys und Esel. Umgeben von seinen Hennen stolziert ein Hahn über die Wiese. Und Vater und Mutter Gans, fünf Küken zwischen sich, watscheln hinunter zur Schlaube - zum Schwimmunterricht.

Wir können erst eine ganze Weile später baden, im klaren, eiskalten Wasser des Müllroser Sees. Vom Nordufer des Sees grüßt noch einmal eine Mühle: die Müllroser Getreidemühle. Der sechsstöckige rote Ziegelbau ist die älteste und einzige noch gewerblich genutzte Mühle im Schlaubetal. Das Städtchen Müllrose empfängt uns mit dem Slogan "Tor zum Schlaubetal". Wir wandern zum Tor hinaus Richtung Bahnhof. Als die kleine Bahn einfährt, heißt es für uns wie in der alten Weise: "Muss aus dem Tal jetzt scheiden, wo alles Lust und Klang." Und auch unsere Antwort steht dort geschrieben: "Dir mein stilles Tal, Gruß zum letzten Mal."