Die Atmosphäre ist heiter und gelassen, und Klassiker wie der geräucherte Bückling so gut wie vor 100 Jahren.

So sieht auf Bornholm das pure Glück aus: Man sitzt an einem spätsommerlich-sonnigen Vormittag auf einer Holzbank an den Klippen, lässt sich vom Seewind fächeln, schaut den Möwen zu und genießt einen warmen, goldgelb geräucherten Hering aus der Hand. Ein bisschen grobes Salz dazu, vielleicht ein Stück Brot, das ist es. Besteck und Butter sind möglich, aber nicht notwendig. Vor einem das Meer, hinter einem das bunte Treiben in der Räucherei von Allinge, dem ältesten Badeort auf der Insel.

Aus den typischen weißen Schornsteinen, die wie umgestülpte Trichter aussehen, quillt dicker Rauch. Das muss so sein. Die Bücklinge, deren Fleisch sich jetzt so mühelos von der Mittelgräte lösen lässt, haben gut drei Stunden im Ofen "gesteckt", jeweils 70 an einem Spieß. Die Räucherfrauen haben nach alter Sitte immer wieder mit nassen Tüchern über dem kokelnden Erlenholz gewedelt, damit sich schön viel Qualm entwickelt. So gehört sich das für eine Traditionsräucherei auf der dänischen Sonneninsel.

Von über 100 Betrieben dieser Art, die es noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab, sind gerade mal zehn übrig geblieben. So große wie diese im nördlichen Allinge und die in den Bilderbuchstädtchen Svaneke und Gudhjem an der Ostküste. So gemütliche wie die drei rund um den kleinen Hafen von Aarsdale. Einer liegt direkt an der Straße, der zweite heißt Hjort und ist für viele Bornholmurlauber seit gefühlten hundert Jahren schlicht ein Muss. Und der dritte heißt Kowsky, ist auch alles andere als neu und doch immer noch eine Art Geheimtipp. Er liegt, fast ein wenig versteckt, draußen am Meer und nirgendwo auf der Welt gibt es bessere Fischfrikadellen. Das findet auch die Königin in Kopenhagen und bestellt mindestens einmal im Monat Nachschub.

Und dann ist da noch die Bakka-Räucherei im Süden, die schon lange ihr Angebot auf fröhliche Spanferkelabende erweitert hat. Zu so viel rustikalem Genuss passt das Musikangebot. Meistens spielt Siggi Björns Country, Oldies und andere Ohrwürmer, die die Stammgäste schon gehört haben, als sie noch mit ihren Eltern herkamen. Und wenn er gut drauf ist, erzählt Jack Laurenzen, der Wirt, nicht nur von den alten Zeiten, in denen er mit Chris Barber und Konsorten unterwegs war, sondern greift auch selber mal wieder zum Banjo.

Noch immer heißen die Heringe, wenn sie frisch aus dem Rauch kommen, "Bornholmer". Aber sie werden kaum noch direkt vor der Haustür gefangen. Sie waren in den vergangenen Jahren zu klein geworden. Überfischung mag der Grund gewesen sein, aber genau weiß niemand, warum die einst so riesigen Schwärme nach Süden abgedriftet sind. Längst liefern die Gewässer rund um die Insel Mön und die Fischer von Jütland den größten Teil der Bornholmer Spezialität. Das hat sich herumgesprochen, aber der Beliebtheit keinen Abbruch getan. Lars Aabech, der wildeste unter den "Jungen Wilden" auf der Insel, ist mit seinem Lokal "Gastronomen" am Laksetorvet in Rönne sehr erfolgreich. Die ersten Meriten hatte er sich vor Jahren im Hafenrestaurant "Leonore Christine" am Nyhavn von Kopenhagen erkocht. Nach einem Abstecher in Moskau war Lars fünf Jahre lang in Sandvig auf Bornholm Pilgerziel der Gourmets. Und immer noch mag er am liebsten Gäste, die nicht nach der Karte fragen, sondern sich das Menü von ihm zusammenstellen lassen.

Am Hafen von Nexö, in schönster Lage, servieren Gabriele und Kim eine feine, aber keineswegs abgehobene dänisch-französische Küche. Das Restaurant heißt "Jantzens Fristelser", also Jantzens Versuchungen. Es fällt leicht, der Verlockung nachzugeben. Klassiker wie das Fischbüfett im Hotel "Fredensborg" am Stadtrand von Rönne sind noch immer da. Es grenzt an ein Wunder, wie Claus Dam, der Chef der Küche, es über Jahrzehnte fertig bringt, die Qualität hoch zu halten, und sogar die Stammgäste immer wieder überrascht. Neu und für Bornholm geradezu exotisch, ist hingegen das "Kadeau", die ehemalige Strandhytte in Vester Sömark an der Südspitze. Die moderne "minimalistische Molekularküche", so nennen die Betreiber ihr Angebot, zieht vor allem verwöhnte Kurzurlauber aus Kopenhagen und Schweden an. Die Lage in den Dünen ist fantastisch, sie bietet sich vor allem für ein romantisches Dinner zum Sonnenuntergang an.

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Ob das gute alte "Aeblehaven" im Fischerdorf Snogebaek, der gute alte Radhuskro in Rönne, die zünftige Brauereiwirtschaft im Hinterhof am Svaneker Markt oder das ambitionierte "Le Port" in Vang, hoch über dem Meer, überall ist die Kirche im Dorf geblieben, sind Ambiente und Atmosphäre hyggelig, heiter und gelassen, der dänischen Lebensart angemessen. Das gilt auch für Bornholms einzige Lobsterbar, die "Hummerhytte" in Listed. Schon im sechsten Sommer steht der Bremerhavener Hans-Joachim Frost dort hinter der Theke, ein sympathischer Typ, der gemeinsam mit Sohn Sebastian den Küstenort bei Svaneke wachgeküsst hat. Erst haben sie das kleine Hafenmuseum zum Leben erweckt, dann hat sich Sebastian mit seiner Goldschmiedekunst einen Namen gemacht. Die sogenannten schwarzen Hummer vom Skagerrak und Kattegat werden per Lastwagen und Fähre frisch angeliefert, andere Sorten lebend aus Kanada eingeflogen. Die Leute genießen ihren Lobster bei den Frosts im Listeder Sommergarten oder sie nehmen ihn mit in die Klippen oder ins Ferienhaus.

Nach dem Hummer oder auch anstatt: die dänische Kaffeetafel. Da sitzt man dann in einem alten Obstgarten, zum Beispiel in "Ella's" am Dorfrand von Østermarie. Auf dem Tisch dampft Kaffee aus dickbauchigen Kannen, und Kransekage, der dänische Kranzkuchen, ist sozusagen die Vorspeise. Danach aber darf, nein, muss es auch Lagkage sein, die mehrschichtige Sahnetorte, wie sie üppiger und verführerischer nicht sein kann.

Noch mehr fristelser, noch mehr süße und andere Versuchungen? In Svaneke werden Bolcher, also Bonbons, gekocht, in Snogebaek machen Brigitte Kjaer und Peter Bastrum Schokolode, in einem Laden, der so duftet, dass kaum einer einfach vorbeilaufen kann. Ein paar Schritte weiter bietet Thorkild Boisen Eis an - und was für eines: nach italienischen Rezepten, aber mit ökologischen Rohwaren von der Insel. Der Hit ist Holundereis, hergestellt aus Blüten, die am Morgen frisch gepflückt worden sind. Die Milch dazu stammt von glücklichen Kühen aus Klemensker, von einer Meierei im grünen Herzen der Insel, die auch den weltberühmten Bornholmer Blauschimmelkäse produziert.

Kalorien? Was soll damit sein? Über die Insel spannt sich ein Radwegenetz von fast 300 Kilometern. Vorsicht ist dennoch geboten. Der nächste Dorfkrug, die nächste Räucherei ist höchstens 15 Radminuten entfernt.