Auf den Îles des Hyères erleben Urlauber ein entspanntes Inselleben. Wenn abends das letzte Linienschiff zurück zum Festland wieder abgelegt hat, wird es still auf dem kleinen Eiland Porquerolles.

Gérard Genta ist das eigentlich egal: Ihn interessiert, ob er morgens genügend Doraden im Netz hat und ob sein Koch den Fisch später im Restaurant gut würzt und genau richtig brät. Aber ob dann Bono hineinbeißt oder irgendwer anders, das ist ihm gleichgültig. Hauptsache, der Fisch ist fangfrisch und schmeckt. Den Sänger von U2 hätte Gérard Genta in seinem Restaurant auf Porquerolles ohnehin nicht erkannt, wenn ihn nicht Kellnerin Jasmin im Flüsterton darauf aufmerksam gemacht hätte. "Ja, es kommen häufiger Prominente vor allem aus St. Tropez mit ihrer Yacht herüber, ankern in unseren Buchten, entspannen an unseren Stränden, tauchen zum Abendessen hier auf. Aber sie interessieren mich nicht mehr als jeder andere."

Wenn das letzte Linienschiff zurück zum Festland abends um halb acht von der Mole abgelegt hat, wird es still auf dem gerade mal zwölfeinhalb Quadratkilometer kleinen Eiland vor Hyères. Schon 40 Minuten vorher schließt die Touristen-Information am kleinen Hafen, 30 Minuten vor der Abfahrt auch der Croque-Laden am Ortseingang - sofern die belegten Brote nicht wieder schon vorher vergriffen sind. Und kurz vorm Ablegen stapeln die Wirte der Bistros am Hafen die Stühle aufeinander: Feierabend. Die meisten auf Porquerolles leben von den Tagesbesuchern, die zu Hunderten vom Festland herüberströmen.

Nur bei Gérard Genta und ein paar anderen stehen die Möbel länger im Freien, denn dort hocken abends die Einheimischen, wenn Ruhe eingekehrt ist - und dort essen die vergleichsweise wenigen Übernachtungsgäste. Die beiden Leuchtturmwärter Eric und Emanuel sind dann dabei, Winzer Laurent, Eisverkäuferin Gisèle. Nur 340 Menschen leben ganzjährig auf Porquerolles - gut 1500 sind es im Sommer, wenn die Saisonkräfte in Cafés und Eisdielen, Hotels und Souvenir-Geschäften, bei den Boots- und Fahrradverleihern hinzukommen. Was Genta selber am liebsten isst? "Jeden Mittelmeerfisch, Hauptsache von hier." Er grinst.

Das Linienschiff von La Tour Fondue bei Hyères braucht etwa eine halbe Stunde über die gerade mal dreieinhalb Kilometer breite Meerenge. Die drei größeren der insgesamt zehn Îles de Hyères, allen voran Porquerolles, sind beliebtes Ferienziel vor allem französischer Urlauber, die nur eines wollen: relaxtes Inselleben ohne allzu viel Star-Getue und Paparazzi-Rummel. Unter Ausländern sind die Eilande, die auch als Îles d'Or ("Goldene Inseln") firmieren, kaum bekannt: ein südfranzösischer Geheimtipp.

Autos haben nur die wenigen Einheimischen. Weniger als 100 sind zugelassen, und die meisten davon sind kleine Transporter, um die Kisten mit Orangina und Cola, Apfel-Cidre und Champagner von der Hafenmole zu den Hotels und Restaurants zu transportieren, die Kiste mit den bestellten Fischbestecken für Gérard Genta - und um umgekehrt die Eichenfässer vom Insel-Weingut Domaine de la Courtade zum Hafen zu schaffen.

Ein klapperiger Minibus chauffiert alle ein, zwei Stunden die Gäste des auf einer abgelegenen Landzunge versteckten Luxushotels "Le Mas du Langoustier" zwischen Hafen und Edel-Herberge hin und her. Warum er keinen neuen kauft? Einen schicken, mit Ledersitzen und Klimaanlage? Direktor Salvatore Troia lächelt: "Weil dieser zum Lebensgefühl gehört und keiner einen neuen will." Und weil die verwöhntesten seiner Gäste ihn nicht brauchen: Sie kommen mit dem eigenen Hubschrauber wie Jean-Paul Belmondo, per Wassertaxi wie Fußball-Star Zinédine Zidane, mit einer Yacht wie Nicolas Sarkozy.

1971 hat der französische Staat die Insel von der Grundbesitzerfamilie Fournier gekauft - um sie zu schützen. Porquerolles ist so etwas wie ein typisches südfranzösisches Dorf auf einem Stück Land, das vor der Küste Anker geworfen hat, von Pinienhainen und Olivenbäumen, von Weinreben und Sanddorn überzogen, von strahlend hellen Sandstränden und schroffen Klippen umgeben ist - ohne Hochhaus, ohne Bettenburg. Nicht eine Ampel gibt es, keine Fahrbahnmarkierungen. Stephanie Le Ber Fournier findet das mit dem Verkauf gar nicht schlimm: Schließlich lebt ihre Familie noch immer auf der Insel und hat ein bisschen Land behalten - die Parzellen mit den besten Böden für Weinbau, die zwei schicksten Hotels. Und das Restaurant "Plage d'Argent" am gleichnamigen Puderzuckerstrand der Südküste, das sie führt. Es hat einen besonders großen Fahrradparkplatz unter Pinien: damit die Gäste ihre Leih-Drahtesel im Schatten festmachen können, ehe sie es sich auf ein Glas Weißwein und eine hausgemachte Bouillabaisse oder einen Teller gegrillte Rotbarben gemütlich machen - gefangen von Gérard Genta. Den Meerblick von der großen Terrasse aus gibt es gratis dazu: auf die sichelförmige Bucht, den hellen Strand, die Badenixen, auf spielende Kinder im Sand.

Die provençalischen Eilande sind klimabegünstigt - so sehr, dass in den vielen Eisdielen von Porquerolles die Sorten Mango, Aprikose und Banane die Renner sind. Wolken halten sich hier selten, und der Wind weht meist ein bisschen kräftiger als auf dem nahen Festland. Kitesurfer lieben die Insel, tummeln sich vor der Plage de la Courtade und springen mit den Böen über die Wellen. Und müssen aufpassen, nicht den Katamaranen und den Kajaks in die Quere zu kommen.

Ein Abend kurz nach 19 Uhr auf dem sandigen Place d'Armes im Zentrum von Porquerolles-Village: Ein paar Kinder spielen Fußball, und ein Golden Retriever will unbedingt mitmachen. Irgendwann lassen sie ihn gewähren und haben fortan gemeinsam ihren Spaß. Ein paar Ältere werfen Boule-Kugeln vor Gérard Gentas Restaurant "Le Porquerollais". Der Alltag hat die Insel wieder, der Tagesansturm ist vorüber. Irgendwer schmettert hinter einem zur Hälfte geöffneten Fensterladen französische Chansons, und kurzfristig mischt sich auch noch die Kirchenglocke ein.

Bald betritt Bono unauffällig die Bühne, auf der ihn an diesem Abend niemand ansprechen wird. Und falls doch, dann nur, um zu fragen, ob die Dorade perfekt gegrillt war. Der Mann mit den blauen Brillengläsern scheint es zu genießen - das Essen und die Tatsache, dass sich hier niemand um Stars schert.